Was wurde eigentlich aus Stefan Raab?
Von Manuel Simbürger
In den frühen Nullerjahren veränderte er das Late-Night-Programm und die Samstagabend-Unterhaltung für immer – zumindest im deutschsprachigen Raum: Stefan Raab, früher frecher Moderator beim Kindergeburtstag-Musikvideo-Kanal Viva, bewies, dass auch wochentags ab 22 Uhr noch lange nicht Zeit fürs Bett ist, denn eigentlich fängt da der Spaß erst an:
Mit seiner schnell zum Kult avancierten Sendung "TV Total" auf ProSieben definierte er nicht nur deutsche Fernseh-Unterhaltung neu, sondern verschob auch permanent die Grenzen des Möglichen: Internationale Mega-Stars nahmen auf Raabs Couch Platz, um sich seinen oftmals respektlosen Fragen zu stellen, seine Running Gags in der Show wurden bald in den allgemein akzeptierten Sprachgebrauch aufgenommen.
Aus Wettermoderationen wurden humorige Raps, aus TV-Hoppalas Kulturgut und aus zeitlosen Freizeit-Aktivitäten so beliebte wie erfolgreiche TV-Formate wie "Wok-Meisterschaft", "Turmspringen" oder "Poker Nacht".
Dem Kölner war nichts heilig, die gesamte TV-Landschaft war seine diabolische Spielwiese, sogar vorm eigenen Sender machte er nicht Halt. Durchaus polarisierend und oft an die Grenzen des guten Geschmacks stoßend, rammte er Wände mit breitem Grinsen ein und forderte sich selbst immer wieder neu heraus. Raab machte nicht TV, er war TV.
Kurz: Stefan Raab brachte den realen Schabernack jenseits von Fake-Sitcom-Lachern ins Fernsehen, zumindest einige Zeit konnten wir nicht genug von ihm bekommen. Er war der King, er war der Hofnarr, er war der, den man hasste und liebte zugleich.
Und vor allem war er König Midas: Alles, was er anfasste, wurde zu Gold: Seine Moderation des ESC 2011 ist legendär, Lenas hiesiger Gewinn ebenso, seine Castingshow "SSDSDSSWEMUGABRTLAD" war beliebter als the real thing. Sogar sein Showpraktikant wurde zum Star.
2015 beendete Raab seine TV-Karriere
2015 aber war Raab plötzlich verschwunden: Nach den immer weiter sinkenden Quoten von "TV Total" verabschiedete sich der damals 49-Jährige vom Bildschirm und beendete offiziell seine TV-Karriere. Tränenreich war seine letzte "TV Total"-Episode, am 19. Dezember 2015 absolvierte er bei "Schlag den Raab" seinen letzten Fernsehauftritt.
Dass man ihn seitdem nur äußerst selten in der Öffentlichkeit gesehen hat, überrascht nicht: Raab war seit jeher als Person bekannt, die ihr Privatleben strengstens unter Verschluss hält. So ist nur bekannt, dass er mit seiner Frau namens Nike und seinen zwei Töchtern in Köln lebt.
Raab ist heute TV-Produzent
Raab hat sich zwar aus der Öffentlichkeit, aber nicht aus dem Business zurückgezogen, im Gegenteil: Seit dem Ende von "TV Total" lässt er seiner endlosen Kreativität hinter den Kulissen als Produzent und Erfinder zahlreicher TV-Formate freien Lauf:
Als Chef der Produktionsfirma Brainpool beziehungsweise Raab TV zeichnet er für die Show "Das Ding des Jahres" verantwortlich, die erstmals 2018 on air ging und es seitdem auf drei Staffeln gebracht hat. Das Konzept: ErfinderInnen unterschiedlicher Produkte wetteifern um einen hoch dotierten Werbedeal.
Aufgrund des großen Erfolgs des Wettbewerb-Knallers "Schlag den Raab" wurde das Format mit dem Ende von Raabs TV-Karriere nicht abgesetzt, sondern weiter am Leben erhalten: Unter dem Titel "Schlag den Star" batteln sich in unregelmäßigen Abständen zwei Promis in fordernden Fitness- und Köpfchen-Spielen untereinander. Vorher stellte sich Raab selbst den Herausforderungen.
Wieso die Cash-Cow nicht weiter melken? Denn im Grunde genau dasselbe Konzept verfolgt "Schlag den Besten", nur treten hier zwei nicht-prominente Personen gegeneinander an. Auch hier zieht Raab im Hintergrund die Fäden.
Auch bei den Shows "Headis Team-WM" (bereits aus "TV Total" bekannt), "1:30" mit Comedian Teddy Teclebrhan, "FameMaker" und "Teddy gönnt dir " fungierte Raab als Produzent.
Sogar das Comeback von "TV Total" 2021 (mit Sebastian Pufpaff als Moderator) kommt nicht ohne seinen Urvater Raab aus: Als Produzent ist er maßgeblich am neuen Gesicht des Formats beteiligt. An den alten Erfolg kommt die Show aber nicht heran.
Als bekennender ESC-Fan kann Raab weiterhin nicht die Finger vom Format lassen: 2020 erfand er für ProSieben (wo übrigens alle seine Shows laufen) als Ersatz des tatsächlichen Eurovision Song Contest, der aufgrund der Pandemie abgesagt werden musste, den Alternativ-ESC "Free European Song Contest".
Seltene Live-Auftritte 2018
Eine Ausnahme in Sachen öffentlichen Auftritten machte Raab 2018: Gemeinsam mit der "TV Total"-Band Heavytones trat er ganze dreimal in der Kölner Lanxess Arena auf: "Stefan Raab live" war ein Mix aus Personality-Show und "TV Total" und lud illustre GästInnen wie Herbert Grönemeyer, Max Mutzke, Sido oder Die Toten Hosen auf die Bühne. Trotz umjubelter Kritik blieben diese Live-Auftritte die berühmte Ausnahme von der Regel.
Aber: Auch wenn wir Raab nicht aktiv sehen, bleibt sein kreativer Genie-Geist als Produzent weiterhin dem TV vorhanden. Denn Unterhaltung kann einfach nicht ohne Stefan Raab – und Stefan Raab nicht ohne Unterhaltung ...