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Stephan Kampwirth: "Fitzek ist warm, klug und bescheiden"

Netflix hat kürzlich mit "Liebes Kind" einen großen Thriller-Hit made in Germany gelandet, vor kurzem ist Prime Video nachgezogen und hat sich dabei auf sicheres Terrain verlassen: "Sebastian Fitzeks Die Therapie" ist, wie der Name schon vermuten lässt, die Serienadaption von Fitzeks Debütroman, mit dem er 2006 die Psychothriller-Literatur aufmischte und sich sofort als Genre-Mastermind etablierte. Seitdem ist Fitzek der erfolgreichste deutsche Psychothriller-Autor, er gilt als Phänomen.

Die sechsteilige Miniserie orientiert sich stark an der Vorlage, nur hier und da sind kleine Änderungen zu beobachten. Im Fokus steht der erfolgreiche Psychiater Viktor Larenz, der sich auf die Suche nach seiner verschwundenen Tochter macht. Doch nichts ist, wie es scheint ... Die Hauptrolle von Larenz übernahm der deutsche Schauspieler Stephan Kampwirth, der vor allem aus "Dark", einem weiteren seriellen Mindfuck aus Deutschland (und wieder über ein verschwundenes Kind!) bekannt ist. Er meistert die facettenreiche Rolle mit Bravour, die innere Zerrissenheit nimmt man ihm in jeder Sekunde ab.

film.at bat den sympathischen 46-Jährigen zum Interview.

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Viktor Larenz wirkt wie eine enorme Herausforderung für einen Schauspieler ...

Stephan Kampwirth: Ich sehe das ja immer etwas anders. Ich glaube, dass jede Rolle eine Herausforderung ist, solange man sie ernst nimmt. Da ist es egal, ob man auf der Straße spielt, eine sechsteilige Serie macht oder vor einer Hollywoodfilm-Kamera steht.

Als herausfordernd empfand ich sehr wohl die Reise, die Larenz von Folge 1 bis Folge 6 durchmacht. Die Dreharbeiten umfassten 70 Tage und sich die Kraft richtig einzuteilen, stets ganz nah bei der Figur zu sein, ist nicht immer einfach. Sich davon nicht verrückt machen zu lassen.

War es nach diesen 70 Tagen schwierig, sich wieder von der Rolle zu lösen?

Das müssen Sie andere fragen, meine Familie zum Beispiel! (lacht) Ich denke, ich kann das ganz gut und ich nehme meine Rolle nicht mit, wenn die Dreharbeiten vorbei sind. Meine Frau erzählt Ihnen aber vielleicht etwas ganz anderes. (lacht)

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Sie haben die Reise von Viktor Larenz bereits angesprochen. Wir wollen natürlich nicht spoilern, deshalb sehr vorsichtig gefragt: Geht man an die Rolle anders heran, wenn man weiß, wo diese Reise hingeht?

Nein, denn das weiß man bei jeder Rolle. Jede Rolle hat ein Anfang und ein Ende. Aber: Ich würde es mal sehr spannend finden, an einem Projekt teilzunehmen, bei dem man dieses Ende eben nicht kennt. Es gibt ja Versuche, bei denen man Schauspieler:innen nur ihre jeweiligen Texte gibt, ohne dass sie wissen, wie sich die Figur und die Geschichte entwickelt. Das kann, glaube ich, sehr helfen, hundertprozentig in der Situation zu sein und nicht das Ende mitzudenken.

Wie groß war der Druck, in der ersten Sebastian-Fitzek-Serie die Hauptrolle zu spielen?

Wenn ich mir diese Gedanken machen würde, würde ich gar nicht antreten. Wenn man bei jedem Film, bei jeder Serie darüber nachdenken würde, was so ein Drehtag kostet, wie groß die Erwartungen sind, dann wäre man verloren – oder zumindest ich wäre das. Ja, ich habe auf jeden Fall Respekt vor diesen Dingen. Aber würde ich solche Gedanken zulassen, wäre ich viel zu sehr von meinem eigentlichen Job abgelenkt.

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Wie haben Sie die Person Sebastian Fitzek, immerhin ein Phänomen im deutschsprachigen Raum, erlebt?

Als sehr warmen, bescheidenen, klugen Menschen. Und lustig ist er noch dazu! Wenn man Sebastian trifft, kann man sich nur sehr vorstellen, dass er solch düstere Psychothriller schreibt. Man fragt sich unwillkürlich, wo all diese Ideen herkommen. (lacht)

Wir beide hatten aber während der Dreharbeiten wenig Kontakt miteinander. Bei einer großen gemeinsamen Leseprobe des Drehbuches am Anfang des Projekts war er aber dabei und sagte einen bestimmten Satz: „Wenn irgendjemand Fragen hat, wenn mich irgendjemand braucht, dann bin ich immer da.“ Obwohl ich darauf nie zurückkommen musste, hat mir dieser Satz total geholfen und Sicherheit gegeben. Ich hatte ja den Roman im Vorhinein nicht gelesen, und zwar bewusst ...

Das ist interessant. Wieso nicht?

Weil ich dann zwei Arbeitsgrundlagen gehabt hätte und das hätte mich wahrscheinlich irritiert. So konnte ich mich vollends aufs Drehbuch konzentrieren. Erst danach habe ich den Roman gelesen. Das würde ich immer wieder so machen.

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Wie haben Sie sich dann auf die Rolle vorbereitet? Haben Sie, erneut vorsichtig ausgedrückt, mit bestimmten Personengruppen im Vorfeld gesprochen?

Dazu möchte ich gar nicht zu viel sagen, sonst verrät man noch was! Aber ja, ich habe mich über bestimmte Krankheitsbilder im Vorfeld genau informiert. Für das Spielen selbst war das aber eigentlich gar nicht so wichtig, denn da agiert man ja emotional und nicht informell.

Gibt es ein oder zwei bestimmte Aspekte, die Sie an der Rolle von Viktor Larenz besonders fasziniert haben?

Über die Rolle zu sprechen, ohne zu spoilern, ist verdammt schwierig! (lacht) Viktor ist ein liebender, fürsorglicher Vater und erfolgreicher Psychiater. Gleichzeitig ist er, wie wir alle, ein sehr angstvoller Mensch, der auf der Suche nach sich selbst ist. Bei anderen kann er diese Suche sehr gut therapeutisch unterstützen, bei sich selbst stößt er aber an seine Grenzen.

Jemand, der bei der Suche nach seiner Tochter und nach der Wahrheit an die Grenzen des menschlich Möglichen geht, bis hin zu seinem eigenen möglichen Tod – das ist wahnsinnig spannend und ein Geschenk für jeden Schauspieler. Dieser Wille, diese Fähigkeit führt zu einer irreversiblen, bedeutsamen Veränderung für die Figur. Genau das hat mich interessiert, das Ausloten dieser Grenzen und Ängste.

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Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr eigenes Kind plötzlich verschwinden würde?

Das darf man sich ja gar nicht vorstellen! Ich würde natürlich alles in Bewegung setzen, um das Kind wiederzufinden. Diese Gedanken sind aber so dermaßen angstbehaftet, dass ich mir so eine Situation gar nicht vorstellen kann und will.

Ihr Kind in der Serie wird von Helena Zengel gespielt, eine der talentiertesten Nachwuchsschauspieler:innen im deutschsprachigen Raum. Wie war die Zusammenarbeit?

Helena ist eine Naturgewalt und eine unglaublich talentierte Schauspielerin. Sie hat zudem einen großen schauspielerischen Instinkt, sobald die Kamera läuft. Das zu sehen und sich mit solch einer Schauspielerin eine Szene zu teilen ist ein Geschenk. Natürlich ist sie ein schräges, witziges, pubertierendes Mädchen, aber vor der Kamera blendet sie alles rund um sich aus und ist wahnsinnig präsent. Und das alles ist ausschließlich als Kompliment gemeint!

Sie konnten also, trotz des Altersunterschieds, von Helena etwas lernen?

Auf jeden Fall.

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Gibt es einen Moment der Dreharbeiten, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Wir haben unter anderem auf der Nordseeinsel Föhr gedreht. Es sollte frühmorgens eine Szene bei Ebbe im Watt mit Bodennebel gedreht werden. Es wurde ein langer Strandabschnitt für die Öffentlichkeit abgesperrt und eine Menge Nebelmaschinen haben diesen Abschnitt eingenebelt. Als Schauspieler wartet man, bis alles soweit ist  und dann muss es schnell und präzise gehen; die Flut kommt, der Nebel verzieht sich, das Licht ändert sich minütlich.

Diese gespannte Ruhe vor dem Sturm, diese Erhabenheit der Landschaft in der aufgehenden Sonne, diese vermeintliche Einsamkeit im Nebel hat mich zutiefst berührt. Und man wird sehr dankbar, beinahe demütig für seinen Beruf, für das, was man tun darf.

"Sebastian Fitzeks Die Therapie" ist auf Prime Video zu sehen. Hier geht's zur Serie!

 

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