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Senta Berger kritisiert "Stereotype" in Geschichten über Alte

Sie ist die unbestrittene Grande Dame des deutschsprachigen Kinos und bezirzt seit Jahrzehnten Film- und Fernsehfreunde mit ihrem markant-weichen Timbre: Senta Berger. Nun ist die aus Wien gebürtige 82-Jährige im Kammerstück "Weißt du noch" wieder in einer Hauptrolle auf der großen Leinwand zu sehen, obgleich sie sich doch eigentlich sukzessive aus dem Berufsleben verabschieden wollte.

Aus Anlass des Kinostarts des Paarfilms mit Günther Maria Halmer am Freitag (22. September) sprach Senta Berger mit der APA über die Klischeedarstellung alter Menschen in der "Apothekenumschau", ihre Ablehnung bewusstseinsverändernder Mittel und die kleinen Abschiede im Leben.

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APA: Sie hatten bereits Ihr Karriereende angekündigt, haben sich nun aber doch zu "Weißt du noch" überreden lassen. Ist das eine Abkehr von Ihren Plänen?

Senta Berger: Ich habe das etwas eleganter und vorsichtiger ausgedrückt, als ich vor drei Jahren, nach der letzten Folge von "Unter Verdacht", gesagt habe: "Ich löse mich langsam aus dem Beruf." Und das tue ich auch. Meine Entscheidung war schon richtig: Ich will mehr zu Hause sein, mehr mit meinem Mann zusammen. Ich möchte nicht mehr so eingezwängt sein in Termine - was ich seit meinem 60. Lebensjahr war, so absurd sich das anhört. Ich habe damals, nach dem Tod meiner Mutter, "Unter Verdacht" gedreht, was für mich ein Sprungbrett zu anderen Filmen war, die mich interessiert haben. Am Ende war es so, dass ich zwei, drei Jahre hindurch praktisch ohne Pause gearbeitet habe.

Mir ist einfach aufgefallen, dass ich an wichtigen Termin wie dem ersten Schultag der Enkel oder einem runden Geburtstag nicht dabei war. Und mir ist klar geworden, dass wir immer älter werden und die Jahre überschaubarer. Ich mache deshalb nun mehr Arbeiten, die in München oder Wien herum spielen. Ich möchte nicht mehr drei Monate im Jahr nach Hamburg oder Berlin gehen.

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Was konkret hat Sie an "Weißt du noch" gereizt, für den Sie ja unglaubliche Dialogmengen bewältigen mussten?

Es kam das Drehbuch, und ich fand die Geschichte so gut, den Text so gut geschrieben, dass man ihn wie eine Partitur spielen konnte. Es ist eine ernst genommene Komödie, was das schönste Genre für mich ist. Es beinhaltet beide Aspekte, wie das Leben halt auch. Wir, die Außenstehenden, können darüber lachen, die beiden aber auch. Und es ist ein Film für Erwachsene, der keine Botschaft hat, das finde ich wunderbar. Er ist so leicht, vermeintlich nebenbei erzählt. Er ist wie ein französischer Film, in jedem Falle undeutsch. Der Film wird sicher kein großer Blockbuster werden, aber ich hoffe, er findet durch Mundpropaganda seinen Platz im Kino.

Die Langzeitbeziehung zweier Menschen ist dabei ein Sujet, das man praktisch nie auf der Kinoleinwand sieht. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Besonders bei Geschichten über alte Menschen wird mit Stereotypen gearbeitet. Vom Großvater, der vor der Haustür sitzt bis zur lustigen Oma auf dem Moped, die immer gut drauf ist. Das sind alles Stereotype. Der Drehbuchautor Martin Rauhaus hat diese Klischees der "Apothekenumschau" aber nicht bedient.

Man spricht als Mensch nicht gerne über die Endlichkeit - was ich verstehe. Ich tue es auch nur, weil ich aufgrund meiner Jahre gezwungen bin, darüber nachzudenken. Dass die Jahre überschaubar sind und wie man sie verbringt, das ist ein Thema, das meist ausgeklammert wird. Wir haben in "Weißt du noch" ein gutes Gleichgewicht gefunden, diese Themen ernst zu nehmen, und auf der anderen Seite ist alles auch humorvoll.

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Ihre Filmfigur Marianne ist dem Leben zugewandt, optimistisch. Haben Sie sich in dieser Weltsicht als Mensch wiedergefunden?

Ich hätte mir schwer getan, eine Person wie meinen Film-Ehemann Günter zu spielen, der misstrauisch, misanthropisch, resigniert, enttäuscht ist. Ich habe keine von diesen Eigenschaften. Ich habe Stimmungsschwankungen, das ist aber etwas ganz anderes. Manchmal denke ich mir Dinge wie "Es ist so schön an diesem See. Hoffentlich komme ich im nächsten Jahr wieder." Das sind die kleinen Abschiede, und da darf man ruhig schwermütig sein, finde ich.

Man kann nicht immer lustig sein, auch wenn ich denke, dass ich durchaus humorbegabt bin. Aber nicht durchgängig, das geht nicht. Manchmal springt mein kleiner Enkel, der gerade das Sprechen lernt, um mich herum, und dann denke ich: "Vielleicht noch bis zu seinem ersten Schultag, das wäre schön." Aber dann wird das wieder weggewischt, und man lebt ganz in der Gegenwart.

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Wenn es die für den Film erfundene Wunderpille, die alle Erinnerungen zurückbringt, wirklich gäbe, würden Sie die nehmen?

Ich bin gegen jedes bewusstseinsverändernde Mittel. Ich würde sie also vermutlich nicht nehmen. In unserem Fall ist es ein dramaturgischer Kniff, der die beiden Protagonisten an den Anfang ihrer Liebe zurückführt. Allenfalls wenn mein privates "Weißt du noch" von meinem Mann nicht mehr beantwortet und mithilfe der Wunderpille sein Erinnerungsvermögen gerettet werden könnte, dann würde ich wohl sagen: Lass es uns gemeinsam machen. Aber ich brauche es nicht. Ich bin die große Erinnerin in unserer Familie. Selbst das, was man mir von den Eltern meiner Mutter oder meinen Schwiegereltern erzählt hat, kann ich hervorzaubern.

Welche Rolle spielt das Erinnern in einer Langzeitbeziehung?

Erinnerungen sind etwas extrem Wichtiges. Sich gemeinsam nach so langer Zeit des Zusammenlebens zu erinnern, hält einen zusammen: Warum haben wir uns gefunden? Was bindet uns? Was hat man gemeinsam erreicht, versäumt, erlebt?

Richtet sich "Weißt du noch" in Ihren Augen aber nur an Ältere, oder behandelt der Film universellere Fragen des Zusammenseins?

Es ist tatsächlich nicht nur ein Film für alte Leute. Ich habe das am Set erlebt, an dem die meisten ja um die 25 und 30 Jahre alt waren. Und ganz oft sind da Sätze gefallen wie "Bei uns zu Hause auch" oder "Sagt sie auch immer". Ich musste so lachen. Es geht tatsächlich um das Zusammenleben. Die ganz bitteren Sticheleien gibt es vielleicht noch nicht, wenn man erst 25 Jahre verheiratet ist. Aber die Stelle, in die man stechen kann, die kennt man auch schon nach zehn Jahren. (lacht)