"Sam – Ein Sachse"-Hauptdarsteller Malick Bauer im Interview
Von Manuel Simbürger
"Sam – Ein Sachse" ist die erste deutsche Eigenproduktion aus dem Hause Disney+ und basiert auf der unglaublichen und wahren Geschichte von Samuel "Sam" Njankouo Meffire, Ostdeutschlands erstem Schwarzen Polizisten. Die Zuseher:innen begleiten Sam auf seiner rastlosen Suche nach Heimat und bei seinem Kampf für Gerechtigkeit gegen ein übermächtiges System. Seine Kindheit als Außenseiter, geprägt durch die Ermordung seines Vaters; sein kometenhafter Aufstieg als Symbolfigur und Mediensensation eines neuen Deutschlands und Sams tiefer Fall, seine Flucht als international gesuchter Staatsfeind.
"Sam – Ein Sachse" ist eine Serie, die eine fesselnde und neue Perspektive auf Deutschland zeigt, die fassungslos macht und bewegt.
Wir baten Hauptdarsteller Malick Bauer zum Interview.
„Sam – ein Sachse“ ist die erste deutsche Eigenproduktion von Disney+. Ist oder war der Druck auf dich als Hauptdarsteller deshalb besonders groß?
Malick Bauer: Die Medienwelt legt aus diesem Grund sicherlich einen anderen Wert auf die Serie. „Sam – Ein Sachse“ ist ja nicht nur die erste Disney+-Eigenproduktion aus Deutschland, sondern auch die erste Produktion mit einem Schwarzen deutschen Protagonisten. Die Serie hat also viele „erste Male“, aber das empfinde ich als großes Privileg.
Ich bin sehr dankbar: für die Serie an sich genauso wie für die jahrelange Ausbildung, die mich zu diesem Projekt geführt haben. Es mag sein, dass auf „Sam - Ein Sachse“ und auf mich ein gewisser Druck liegt, aber wie heißt es so schön: pressure makes diamonds!
Was hat dich am Projekt besonders gereizt?
Die Geschichte. Ich liebe komplexe Figuren – und welche Figur kann komplexer sein als der erste Schwarze ostdeutsche Polizist, dessen Vater am Tag seiner Geburt stirbt, der später kometenhaft zum Medienstar aufsteigt und zum liebsten Ziehsohn des Innenministers wird – und dann zum Startfeind erklärt wird?! Dieser Werdegang erinnert beispielsweise an Ikarus oder andere tragische Figuren.
Ich habe viel dafür gebetet, dass das Projekt zustande kommt. Ich war ja schon seit 2019 für die Hauptrolle besetzt, nachdem ich Tyron Ricketts [Co-Serien-Creator; Anm.] zufällig bei einem Event getroffen hatte. Seitdem ist politisch einiges passiert, unter anderem die Bewegung „Black Lives Matter“, was dazu geführt hat, dass man auch in Deutschland anerkennen lernt, dass Schwarze Menschen Teil des nationalen Narratives sind. Außerdem kamen strukturell mit den Streamern neue Impulse. Ihr Publikum ist international. Wie gesagt, ich habe wirklich viel für diese Serie gebetet. Ohne diese Entwicklungen säßen wir heute nicht hier.
Bist du ein gläubiger Mensch?
Ja.
Samuel Njankouo Meffire hat, wie du bereits angesprochen hast, eine sehr große Entwicklung durchgemacht und mehr erlebt, als sich die meisten Menschen überhaupt vorstellen können. Konntest du dich trotzdem mit ihm identifizieren? Wie bist du an die Rolle herangegangen?
Gott sei Dank hat mich der „echte“ Samuel sehr unterstützt und war mir gegenüber sehr offen. Während der Dreharbeiten hatte ich das Privileg, die Rohfassung seines Buches [die Autobiographie „Ich, ein Sachse: Mein deutsch-deutsches Leben“; Anm.] lesen zu dürfen. Gleichzeitig haben wir beide aber auch einige Überschneidungspunkte, die durchaus ein bisschen gruselig sind.
Abgesehen von unserer äußerlichen Ähnlichkeit mussten wir beide bereits Erfahrungen mit Tod in der Familie, mit Gewalt und mit Diskriminierung machen. Ich konnte mich also sehr gut mit Samuel identifizieren. Zudem wollen wir beide die Realität, in der wir leben, das Land, aus dem wir kommen, zu einem besseren Ort gestalten. Ich wurde in Deutschland geboren, entspreche mit meinem Äußeren aber nicht der Norm-Gesellschaft.
Es gibt wenige Orte in der realen Welt, die für Menschen, die aussehen wie ich, besser sind als Deutschland. Trotzdem weiß ich, dass noch einiges getan werden muss – und dafür möchte ich mich einsetzen. Und Samuel genauso. Er hat sich nie kleinkriegen lassen. Dieser enorme innere Motor und der unbändige Willen, sich einzusetzen, war und ist für mich ein großer Identifikationsfaktor.
Im Grunde aber ist „Sam – Ein Sachse“ eine universale Geschichte ...
Absolut. So wie jede andere gute Geschichte auch. Das will ich mit der Serie beweisen.
Welche Art des körperlichen Trainings war vonnöten?
Auf der körperlichen Ebene hatte ich das Glück, dass ich mal als Personal Trainer gearbeitet habe. Dementsprechend konnte ich mich viel selbst vorbereiten mit Laufen, Gewichttraining und Körpereigengewichttraining. Das Fitnessprogramm habe ich auch während des Drehs durchgezogen.
Mein Tag sah eigentlich immer gleich aus: drehen, trainieren, schlafen, repeat. Neben der körperlichen Fitness war der Ernährungsaspekt ausschlaggebend. Am Set wurde ich von den Jungs von Mama Catering supportet, bekam alle vier, fünf Stunden ein Steak, damit ich nicht zum Snickers greife…
Hast du etwas von der Arbeit an der Serie gelernt?
Ja, und zwar, dass das Dosieren von Kraft und Intensität extrem wichtig ist. Gleichzeitig aber auch zu wissen, wann Geduld notwendig und gefragt ist. Man muss bereit sein, Systeme von innen heraus anzugehen und zu verändern, und gleichzeitig muss man dann aber auch sehr bewusst seine eigene Geduld aktivieren. Eine Sache, die mir auch nicht immer leicht fällt.
Mir auch nicht. Ich kämpfe immer noch damit.
Dito. Wenn man im Bauch, im Rückenmark weiß, man hat Recht, aber man wird von Systemen – welchen auch immer – gedrosselt, dann kann das sehr frustrierend sein.
Ich sag mal so: Ich bin ein Schwarzer Schauspieler in Deutschland und gehöre gleichzeitig zu der am glücklichsten geborenen Generation – und trotzdem wurde ich vom System gedrosselt. Das war oft schwer auszuhalten. Bei der Menge an Vorbereitung und Ausbildung, auf die ich zurückblicken kann, und gleichzeitig trotzdem so wenig beruflich interessante Möglichkeiten zu sehen, ist sehr frustrierend. Man weiß selbst, man ist nicht weniger talentiert oder schlechter ausgebildet als andere Leute, aber trotzdem sind die Chancen nicht dieselben.
Gibt es genug gute Rollen für Schwarze deutsche Schauspieler:innen?
Die kurze Antwort ist: Nein! Gleichzeitig möchte ich aber betonen, dass die Situation besser wird. Aber trotz so einiger politischer Früchte sind wir einfach noch nicht da, wo wir sein sollten. Deshalb müssen wir als Filmstandort Deutschland jetzt nachliefern, nachliefern, nachliefern. Auf eine bessere Zukunft also! GEZ müssen ja auch alle bezahlen.
Ich hoffe, unsere Serie kann dazu etwas beitragen. „Sam – Ein Sachse“ ist wie gesagt eine universell-geltende und von Soleen Yusef und Stephan Burchardt hervorragend inszenierte Geschichte, die berührt – welche Hautfarbe der Protagonist hat, sollte da eigentlich egal sein.
Ich hoffe für mich und meine Schwarzen Schauspieler-Kolleg:innen, dass wir zukünftig nicht mehr nur dann besetzt werden, wenn man zufällig einen Schwarzen Mann/eine Schwarze Frau braucht. Ich bin hier geboren, ich bin eloquent, ich spreche mehrere Sprachen – ich kann also viel mehr, als den Klischee-Schwarzen zu spielen. Aber dank den mutigen Menschen wie Jörg Winger, Tyron oder Disney hab ich ja jetzt ein siebenstündiges Showreel.
Hast du bisher vor allem klischeebeladene Rollen angeboten bekommen?
Zu 100 Prozent. Aber Gott sei Dank hatte ich das Privileg, Theaterschauspieler zu sein und mich auf die Theaterbühne zurückziehen zu können – auch wenn diese Welt natürlich auch nicht immer eine einfache ist. Aber ich hatte tolle Förder:innen, die mir großartige, dreidimensionale und komplexe Figuren und Stoffe zugetraut haben. Claudia Bauer und Pınar Karabulut ganz vorne.
Natürlich habe ich mich infolgedessen oftmals für die künstlerische Integrität und gegen das Geld entschieden, aber mit „Sam – Ein Sachse“ wurde ich ja vielleicht sogar dafür belohnt. Diese Figur aus der Feder von Jörg Winger und Chris Silber anvertraut zu bekommen, die erste Disney Serie anführen zu dürfen, ist einfach ein Riesengeschenk.
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