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Roman Polanski ist 90: Regisseur der Superlative und Extreme

Ein Albtraum. Anders kann man seine Kindheit und Jugend nicht bezeichnen - eigentlich ein Lebensabschnitt, der für die meisten Menschen der sorgenfreieste ist. Auch danach rauscht sein Dasein rasant auf derart dramatische Tiefpunkte zu, als hätte ein Saboteur die Lebenspiste des Roman Polanski abgesteckt.

Das ist besonders auffällig, weil er als genialer Regisseur mit einer überbordenden Phantasie ausgestattet ist und nun ein Leben Revue passieren lässt, das aus seiner Filmwerkstatt stammen könnte. Am 18. August wird Polanski 90 Jahre alt. Er hat einen aufwühlenden Lebensweg vorzuweisen. Die Tragödien, die der Oscarpreisträger mitgemacht hat, hätten ausgereicht, um mehr als einen Menschen zu brechen, inklusive sich selbst.

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Die tragische Geschichte seiner Eltern

Geboren wird er 1933 in Paris als Raymond Thierry Liebling. Der Vater Mojżesz Liebling (1903-1984) ist ein polnischer Makler aus Krakau, die Vorfahren der Mutter Bula Katz-Przedborska (1900-1943) stammen aus Russland. In Paris kann sich die jüdische Familie über Wasser halten, das ändert sich, als der Vater seinen Job verliert und er 1937 zurück nach Polen geht.

Zurück in Krakau nennen sich die Lieblings Polanski - und kommen vom Regen in die Traufe. 1939 überfallen Hitlers Truppen Polen, eine erbarmungslose Judenverfolgung beginnt, die Polanskis müssen ins Ghetto umziehen. Dort wird Roman als Kind Zeuge willkürlicher Morde, einmal muss er mit ansehen, wie ein deutscher Offizier eine alte Frau erschießt.

Der Vater wird ins KZ Mauthausen deportiert, Mutter Bula ist schwanger, als sie 1943 nach Auschwitz verschleppt und in der Gaskammer ermordet wird. Der zehnjährige Roman kann aus dem Ghetto fliehen, er findet zunächst bei zwei befreundeten polnischen Familien Unterschlupf. Bei ihnen lernt das Kind die katholischen Bräuche, Kirchenriten und Gebete.

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Flucht aus Polen nach Krakau

Schließlich flüchtet er in das Dorf Wysoka, wo er unter dem Namen Roman Wilk als katholischer Pole bei einer armen, strenggläubigen und überdies antisemitisch eingestellten Bauernfamilie unterkommt. Als ein katholischer Priester zu Besuch kommt, vernimmt er den Jungen und prüft seine Kenntnisse des Katechismus, worauf der Geistliche feststellt: "Du bist keiner von uns!" Er bedrängt das Kind, sich zu seinem jüdischen Glauben zu bekennen, was sein Todesurteil bedeutet hätte. Roman flüchtet zurück nach Krakau und sagt später: "An diesem Tag wurde ich Atheist, es gab keinen Glauben mehr für mich."

Nach dem Einmarsch der Roten Armee am 19. Januar 1944 schlägt sich der Junge allein durch, bis er seinen Vater wiederfindet, der wie durch ein Wunder das KZ Mauthausen überlebt hat und als gebrochener Mann zurück nach Krakau geht, doch der Leidensweg geht weiter: 1949 wird der 16-jährige Roman vergewaltigt.

Mit dieser Hypothek an traumatischen Erlebnissen startet der junge Mann ins Berufsleben. Er wird Kinderdarsteller und studiert nach dem Abitur an der Filmhochschule Lodz. Und er lernt die Schauspielerin Barbara Lass kennen, die spätere dritte Ehefrau von Karlheinz Böhm und Mutter des deutschen TV-Stars Katharina Böhm, die er 1959 heiratet (Scheidung 1962).

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Polanskis Karriere als Regisseur - und ein tragischer Schicksalsschlag

Das große Talent macht rasch Karriere. Sein erster Spielfilm "Das Messer im Wasser" wird großer Erfolg und für den Oscar nominiert. 1963 verlässt Polanski das kommunistische Polen und lebt in Paris und London. Seine Filme "Ekel", "Wenn Katelbach kommt...", "Tanz der Vampire" und "Rosemaries Baby" werden Kult, die großen Stars wollen mit Polanski arbeiten.

Dann 1969 die nächste Tragödie: Während er in London dreht, überfallen Anhänger des Sektenführer Charles Manson sein Haus in Hollywood und bringen seine hochschwangere Ehefrau Sharon Tate sowie vier Freunde bestialisch um - für den völlig paralysierten Polanski "das schlimmste Erlebnis meines Lebens."

Zwei Jahre kann der Regisseur nicht arbeiten, dann dreht er "Macbeth" (1971), "Was?" (1973) und seinen großen Triumph "Chinatown" (1974). Ein Comeback, auf das allerdings ein erneuter Fall folgte. 1977 wird er wegen "Vergewaltigung unter Verwendung betäubender Mittel" angeklagt. Polanski soll bei Modeaufnahmen für die "Vogue" Sex mit dem gerade mal 13 Jahre alten Mädchen Samantha Jane Gailey (nach ihrer Heirat Geimer) gehabt haben.

Um das Mädchen vor einer öffentlichen Verhandlung zu schützen, schlägt ihr Anwalt eine Verständigung im Strafverfahren vor. Nach Zustimmung der Staatsanwaltschaft wird die Anklage auf "außerehelichen Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen" reduziert und Polanski im Rahmen einer gerichtspsychiatrischen Beurteilung für 90 Tage ins Staatsgefängnis eingewiesen. Nach 42 Tagen erfolgt die Entlassung mit der Empfehlung, eine Bewährungsstrafe zu verhängen.

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Flucht aus den USA und ein neues Leben in Europa

Als sich abzeichnet, dass sich der zuständige Richter nicht an die Absprache halten wird, flieht Polanski nach London und lebt seitdem überwiegend in Paris. Er vermeidet strikt Reisen in die USA und in Länder, in denen er mit einer Auslieferung rechnen muss. Amerikanischen Boden hat er seit 1977 nicht mehr betreten, auch nicht, als ihm für seinen großartigen Film "Der Pianist" 2003 der Oscar für die beste Regie verliehen wird.

2009 wird Polanski am Flughafen Zürich verhaftet, als er in die Schweiz einreisen will. Neun Monate verbringt er gegen eine Kaution von 4,5 Millionen Schweizer Franken in einem elektronisch überwachten Hausarrest. Dann weisen die Schweizer Behörden den Auslieferungsantrag der USA ab und Polanski kehrt nach Frankreich zurück. Ähnlich verläuft ein Auslieferungsverfahren an Polen, wo sich der Regisseur zeitweilig aufhält.

Seit seiner Flucht aus den USA lebt er wieder in Paris. Er besitzt die französische (und polnische) Staatsangehörigkeit und ist seit 1989 mit der französischen Schauspielerin Emmanuelle Seigner (57) verheiratet. Das Paar hat zwei erwachsene Kinder (Morgane, 30, und Elvis, 25), die beide Schauspieler sind.