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Star Trek Discovery – Episode 15: Michael Burnham als Übermutter der Föderation

Im Staffelfinale "Nimm meine Hand" ("Will You Take My Hand?") offenbart "Star Trek: Discovery" einmal mehr, worum es in der Serie geht: Im Mittelpunkt steht nicht die Föderation oder die Crew der USS Discovery, sondern ausschließlich der aus dem Hut gezauberte Hauptcharakter Michael Burnham. Der Charakter von Sonequa Martin-Green steht über allem. Überraschende Wendungen als Selbstzweck und ohne Auswirkungen auf die weitere Handlung sowie Easter Eggs für Hardcore-Trekkies können aber nicht verbergen, dass "Star Trek: Discovery" in Wirklichkeit keine größere Geschichte erzählt. Auch am eigenen Anspruch, im Kanon der bisherigen "Star Trek"-Serien zu sein, scheitert die Serie bisher. Immerhin: Die erste Staffel endet mit einem Teaser (und ultimativen Easter Egg), der verspricht Klarheit zu schaffen. In der zweiten Staffel. Also nicht vor 2019.

SPOILER-ALARM! Wer die erste Staffel von "Star Trek: Discovery" noch nicht gesehen hat, sollte diesen Serien-Review nicht weiterlesen.

 

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Völkermord als Option für die Föderation

Das Staffelfinale schließt direkt an die letzte Folge an: Spiegel-Georgiou hat das Kommando der USS Discovery. Obwohl sie als die Georgiou aus diesem Universum vorgestellt wurde, bemüht sie sich nicht ihre autoritäre und inhumane Gesinnung vor der Crew zu verbergen. Die Crew lässt sich das gefallen, nur Burnham nimmt die Imperatorin zu Seite und ermahnt sie. Doch diese verweist darauf, dass ihr das Kommando von ganz oben übertragen wurde, nämlich von Admiral Cornwell.

Die USS Discovery springt mit dem Sporen-Antrieb in eine Vulkankammer auf der klingonischen Heimatwelt Kronos. Offiziell um Informationen für einen konzertierten Angriff zu sammeln. Doch es stellt sich schnell heraus, dass Spiegel-Georgiou einen anderen Plan verfolgt: Sie platziert eine Massenvernichtungswaffe in einer zentralen Vulkankammer des Planeten. Sobald diese hochgeht, wird der gesamte Planet in Schutt und Asche gelegt. Die eigentliche (aber auch nicht wirklich große) Überraschung ist, dass dieser Völkermord von der Föderation genehmigt und in Auftrag gegeben wurde.

Selbst als Burnham den teuflischen Plan aufdeckt, will Admiral Cornwell daran festhalten. Doch Burnham setzt sich durch, indem sie eine weitere Meuterei androht, diesmal im Sinne des Friedens. Dabei erhält sie die Unterstützung der Crew. Abgesehen von der typisch pathetischen Umsetzung (nacheinander stehen die Crew-Mitglieder auf, um ihre Unterstützung zu signalisieren), wird damit die moralische Standfestigkeit der Föderation, der gesamte Wertekanon, auf eine Person reduziert. Die Föderation als Institution ist zum Völkermord bereit.

 

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Michael Burnham: Vom Kriegstreiber zur Übermutter der Föderation

Burnham wird zur moralischen Übermutter der Föderation. Ihre moralische Standfestigkeit ist der Showdown, auf den die ganze Serie hinausläuft. Aufgrund ihrer Erfahrungen ist sie es, die die Föderation davor bewahrt, angesichts des eigenen Untergangs zum Genozid als legitimes Mittel der Verteidigung zu greifen. Diese Verdichtung der gesamten Serien-Philosophie in einer Person ist natürlich aus Sicht der Autoren verlockend. Nur wird es der Philosophie der Serie eben nicht gerecht. Ist das wirklich die Föderation, die wir kennen? Die Föderation, die es seit Captain Jonathan Archer schon beinahe 100 Jahre gibt? Die idealistische Föderation, deren Flaggschiff nur zehn Jahre später von Captain James T. Kirk als Bollwerk des Humanismus durch die Weiten des Weltalls fliegt? Die Werte der Föderation und der Sternenflotte stehen oder fallen mit der Entscheidung einer Person, deren Name zuvor noch nie in irgendeiner Serie erwähnt wurde?

 

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Deus ex machina: 10 Minuten und alles wird gut

In den letzten zehn Minuten der finalen Episode wird die gesamte Handlung der ersten Staffel in Windeseile aufgelöst: Burnham hat einen alternativen Plan, der den Völkermord verhindert. Sie handelt freies Geleit für Spiegel-Georgiou aus. Diese übergibt ihr den Zünder der bereits im Planetenkern von Kronos platzierten Bombe. Burnham überzeugt die fundamentalistische Klingonin L'Rell, dass nur Frieden ihr Volk vereinen kann. Und zwar Frieden durch die Androhung der planetaren Vernichtung: Der Bombenzünder wird genetisch auf L'Rell abgestimmt. So zwingt sie die klingonischen Häuser zur Einheit und zum Frieden. Auf die Unwahrscheinlichkeit, dass L'Rell jemals ihre geliebte Heimatwelt vernichten würde, wird nicht weiter eingegangen. Tyler geht übrigens mit L'Rell, was noch die Gelegenheit für eine dramatische Abschiedsszene bietet. Der Krieg ist vorbei. Burnham wird rehabilitiert und erhält ihren Rang zurück. Sie hält eine idealistische Rede über die Werte der Föderation. Sarek entschuldigt sich dafür, beim geplanten Völkermord mitgemacht zu haben. Schwamm drüber. Alles in Butter.

Und am Schluss wird noch das ultimative Easter Egg für die Hardcore-Trekkies platziert: Am Weg nach Vulkan wird ein Notruf von einem Föderationsschiff empfangen. Es ist die USS Enterprise unter dem Kommando von Captain Christopher Pike.

 

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Hinhaltetaktik der Showrunner

"Star Trek: Discovery" endet wie es begonnen hat: als erzählerischer Zickzack-Kurs, der jede endgültige Festlegung vermeidet. Die Showrunner deuten an und stellen viel in Aussicht. Was tatsächlich geliefert wird, hat nicht viel mit der Föderation zu tun, die "Star-Trek"-Fans bisher kannten. Das wäre ja an sich nicht schlimm. Im Gegenteil: Es wäre durchaus interessant, die Schattenseiten der Föderation zu beleuchten. Aber "Star Trek: Discovery" reduziert die Geschichte der Föderation auf eine One-Woman-Show. Der historische Krieg mit den Klingonen, das Spiegel-Universum, schlicht die gesamte Handlung der ersten Staffel dient nur als epische Hintergrundgeschichte für die Übermutter Burnham.Mit dem Cliffhanger werden die Fans weiter bei der Stange gehalten: In Interviews versprechen die Showrunner, die Fragen der Fan-Community nach der Einordnung von "Star Trek: Discovery" im Kanon der bisherigen "Star Trek"-Serien aufzuklären. In der zweiten Staffel. Dasselbe haben sie auch für das Staffelfinale in Aussicht gestellt. Sicher ist nur: Bis 2019 können die Fans weiter rätseln. Und das ist wohl so gewollt.

 

Erwin Schotzger