Filmkritiken

"Silence": Gott schweigt beharrlich in Japan

Scorsese, der als Halbwüchsiger daran dachte, Priester zu werden, durchlebt wieder eine religiöse Schaffensphase: es ist diesmal nicht die letzte Versuchung Christi, an der er uns teilhaben lässt, sondern wir werden Zeugen von fortgesetzten Glaubensanfechtungen eines Jesuitenpaters, der im Jahr 1640 gemeinsam mit einem Ordensbruder unbedingt nach Japan geschickt werden möchte, um dort seinen verschollenen Lehrmeister zu suchen, dessen letztes Lebenszeichen fast ein Jahrzehnt zurückliegt.

Im fremden Land versteckt

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Durch einen Fischer ins Land geschmuggelt, leben sie, von gläubigen Bauern versteckt, lange Zeit im Verborgenen, Diesen blutarmen Menschen schwärmen sie vom Paradies und einem besseren Leben im Jenseits vor, feiern nachts Messen mit ihnen, führen Taufen durch oder nehmen Beichten ab. Ein japanischer Inquisitor und seine Schergen sind ihnen jedoch dicht auf den Fersen. Der gefürchtete Christenjäger ist zwar ein klappriges uraltes Männchen, kennt aber trotzdem keine Gnade und verfolgt unerbittlich nur ein Ziel: die Christen zum Abfall von ihrem Glauben zu bringen.

In den Händen des Inquisitors

Es geht somit um Intoleranz, Unterdrückung und Misshandlungen als Abwehrmaßnahmen gegen eine Religion, wobei auf Seiten der Japaner eher machtpolitische und taktische Gründe eine Rolle spielen. Andererseits wird die Tragödie erst ausgelöst durch den religiösen Eifer von Christen, die glauben, ohne sie und ihre Missionierungstätigkeit geht’s nicht in der Welt. Dieser Fanatismus trifft in der Shogun Regierung auf grausamen und schlauen Widerstand. Entweder unterziehen sie die heimischen und europäischen Christen bösen Foltern oder arbeite mit psychologischer Taktik: denn ein im Geist bezwungener Feind macht noch viel mehr her und kann dann im Land stolz herumgezeigt werden. Als Zeichen der Abkehr muss jeder mit einem Fuß auf ein Christusbild treten oder in schwereren Fällen auf ein Kruzifix spucken und die Jungfrau Maria schmähen.

Vielstimmige Erzählung

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Der Titel bezieht sich auf das Schweigen Gottes, der offenbar alle Gräueltaten, die seine Gläubigen erdulden, stillschweigend mitansieht. Nur in einem wichtigen Moment, als der Jesuitenpater vor seiner größten Bewährungsprobe steht, bleibt er nicht mehr stumm, sondern lässt zumindest Christus das Wort ergreifen (obwohl diese Stimme natürlich nur im Kopf des Mannes zu hören ist). Aber wir bekommen auch andere Stimmen zu hören, denn die Erzählung wird kunstvoll durch einige Personen vorangetrieben, wobei die Berichterstatter mehrmals wechseln: zunächst ist es Pater Ferreira ( Liam Neeson) aus dessen Brief zitiert wird, später verfasst der jüngere Pater Rodrigues ebenfalls ein ausführliches Schreiben, und ganz zuletzt gesellt sich noch eine völlig unerwartet Stimme hinzu, die den Bericht bis ins Jahr 1682 weiterführt.

Starke Passionsspieler

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In Scorseses neuzeitlichem Passionsspiel - eine Art Gegenstück zu „Mission“ - vollziehen Andrew Garfield und Adam Driver den Leidensweg der beiden Patres bis zur physischen und psychischen Selbstaufgabe nach. Fast noch beeindruckender ist Issei Ogata als ihr japanischer Gegenspieler: ein sehr pragmatischer - gleichermaßen kultivierter und grausamer - Inquisitor; und auch Yosuke Kubozuka wird uns als Fischers mit judasartigen Zügen lebhaft in Erinnerung bleiben. Besonders hervorzuheben ist zudem die wundervolle Kameraarbeit durch Rodrigo Prieto.

Die Fragen, um die sich hier alles dreht, lauten: unter welchen Bedingungen darf man seinem Glauben abschwören; muss man zum Märtyrer werden oder ist es legitim, den Namen des Herren zu verleugnen? Etwas weltlicher formuliert: Wie bewahrt man sich Würde und tritt für seine Ansichten ein? Und wann ist es erlaubt, von seinen Überzeugungen öffentlich abzufallen und eine innere Emigration anzutreten? Das sind immerhin Probleme, die uns auch beschäftigen können, wenn wir sie von der religiösen Thematik loslösen.

8 von 10 glaubensstarken Überzeugungspunkten.

franco schedl

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