SCHWERE SÜNDEN IN SCHWARZ-WEISS
Von Franco Schedl
Faustwatschen werden hier gleich dutzendfach ausgeteilt und wenn jemand aus dem ersten Stock durch ein geschlossenes Glasfenster segelt oder von Kugeln gespickt aus einem fahrenden Auto geworfen wird, beeinträchtigt das seinen Gesundheitszustand nur vorübergehend. Höchstens eine Kugel im Kopf kann in Sin City ernstere Schäden hervorrufen.
Ganze neun Jahre hat uns Robert Rodriguez auf eine Fortsetzung seiner außergewöhnlichen Stilübung zu Frank Millers faszinierend dunklen Graphic Novels warten lassen. War das wirklich nötig? Diese Frage ist bewusst doppeldeutig gehalten und bezieht sich somit nicht nur auf die lange Pause zwischen den beiden Filmen, sondern könnte zugleich die Sinnhaftigkeit eines zweiten Teils überhaupt bezweifeln. Doch schon nach den ersten Filmsekunden hat sich die Frage erübrigt: wir tauchen wieder kopfüber in die unerbittliche Schwarz-Weiß-Welt dieser sündigen Stadt und erhalten als kleine Aufmunterung sparsam dosierte aber effektvoll eingesetzte Farbtupfer (die müssen nicht unbedingt immer blutrot sein auch die giftgrünen Augen der Femme Fatale Ava kommen sehr gut zur Geltung).
2005 hat uns die ungewöhnliche Machart des schonungslosen Neo-Film-Noirs vielleicht tatsächlich sprachlos gemacht, denn bisher hatte noch niemand eine gezeichnete Vorlage so bildgetreu und konsequent in einen Film verwandelt. Da uns diese Methode inzwischen längst vertraut ist, mag zwar ein gewisser Überraschungseffekt verloren gegangen sein, doch die Umsetzung ist noch immer spektakulär genug und insgesamt vier Episoden ziehen uns erneut in ihren Bann: immerhin sind sie ein stärkstes Konzentrat aus allen nur denkbaren harten Gangster- und noch härteren Detektivstorys.
Ein paar alte Bekannte treffen wir übrigens auch: Mickey Rourke, Powers Boothe und Jessica Alba spielen erneut dieselben Charaktere, und selbst Bruce Willis bekommen wir quicklebendig zu sehen, obwohl dessen Figur doch eigentlich bereits tot sein müsste (aber in Sin City geben selbst Leichen keine Ruhe). Neu hinzugekommen als (unter)titelgebende Dame to kill for ist Eva Greene: Seit 300: Rise of an Empire hat sie sich anscheinen darauf spezialisiert, in Fortsetzungen von erfolgreichen Filmen, die nach Frank Millers Werken entstanden sind, das böse weibliche Prinzip zu verkörpern und tut das entsprechend hingebungsvoll.
Mit einem Budget von 60 Millionen Dollar wurde Sin City 2 zum teuersten Projekt, an dem Rodriguez jemals beteiligt war. Etwas billiger hätte er es ruhig machen können, denn die 3D-Effekte tragen nicht wirklich viel zum Gesamteindruck bei. 8 von 10 mit einer Kneifzange gebrochene Finger.