Filmkritiken

"Safari": Urlaub mit herbeigesehnten Todesfolgen

So weit weg hat uns Ulrich Seidl erst einmal in „PARADIES: Liebe“ geführt. Herr und Frau Österreicher bleiben aber auch in Afrika gewöhnungsbedürftig, wenn sie als Pseudo-Jäger zu Gewehren greifen.

Safari-Witzfiguren

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Zwei der Protagonisten kennen wir bereits: das ältere Ehepaar hat schon „Im Keller“ über Großwildjagd gefachsimpelt. Nun sind sie tatsächlich Gäste in einer afrikanischen Jagdfarm, wo viele Tiere eigens gezüchtet werden, um vor den Gewehren der zahlenden Kundschaft zu enden. Doch die beiden erfüllen eine untergeordnete Rolle: dramaturgisch gesehen hat ihnen Seidl eher die Funktion von Pausenclowns zugedacht. Gleich zu Beginn cremen sie einander - wie in einer Reminiszenz an „Hundstage“ - ihre wohlbeleibten Körper mit Sonnenschutzmittel ein und lassen die Preisliste der Jagdtiere Revue passieren. Später geht der Mann allein auf die Pirsch, wenn man das überhaupt so nennen kann, denn er sitzt bloß stundenlang in einem kleinen Hochstand, schlürft manchmal Bier, stößt auf, gibt ein paar Verdauungsgeräusche von sich und dämmert zwischendurch leise schnarchend weg – kommt also nie zum Schuss. Während seine Frau sich auf einer Campingliege sonnt und dabei ein komisches Bild bietet, weil ihr Kopf durch eine im Wind flatternde Zeitschrift ersetzt zu sein scheint.

Den eigentlichen Jagd-Thrill holt sich – abgesehen von einem deutschen Safari-Touristen - eine vierköpfige Familie. Perspektivisch ist man als Zuseher ganz nah an den Jagenden dran; die anvisierten Tiere treten dagegen eher in den Hintergrund, sind aber dann doch wieder sehr präsent, sobald die Schüsse abgegeben wurden und die Jäger für Erinnerungsfotos mit den Leichen posieren. Eine wahrhaft herzzerreißende Szene ist einer strebenden Giraffe gewidmet.

Fast schlimmer wird es noch, sobald die Protagonisten ihr Tun kommentieren oder rechtfertigen wollen. Sie sprechen von fiebrigen Gefühlszuständen, die sie vor und nach dem Schuss durchleben oder stellen zynisch wirkende Überlegungen zum Thema Tod an; ihrer Argumentation zufolge müssten die Tiere eigentlich dankbar sein, abgeschossen zu werden. (Man würde übrigens gerne erfahren, nach welchen Kriterien die Tiere ausgewählt werden oder ob tatsächlich jedes Lebewesen, das sich gerade in Schussweite befindet, abgeknallt werden darf.)

„Sie haben keine Stimme.“

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Sobald die Beute erlegt ist, kommt eine weitere Personengruppe ins Spiel: Die schwarzen Angestellten übernehmen das fachgerechte Zerlegen und Ausweiden der Tiere, was bei empfindlichen Menschen aufgrund sehr explizierter Darstellung durchaus zu Übelkeit führen kann. Danach lässt sie Seidel wortlos vor ihren kargen Wellblechhütten Fleisch von Knochen nagen (als wären sie selber wilde Tiere, denen man jene Reste überlässt, die sonst niemand will) oder er passt sie – in einigen seiner berühmten Tableaus - wie lebende Jagdbeute in eine Trophäenwand ein.

Seidl beschreibt die Einheimischen als Teil des Urlaubsvergnügens und betont, ihnen bewusst keine Gelegenheit zu Äußerungen zugestanden zu haben, um die Hierarchie zu verdeutlichen. „Sie sind Arbeiter auf einer Jagdfarm, sie begleiten die jagenden Weißen zur Jagd, dafür werden sie entlohnt. Aber sie haben keine Stimme.“

Der Mensch ist ein Zerstörer

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Stattdessen kommt der deutsche Lodge-Besitzer immer wieder zu Wort und vertritt ziemlich widersprüchliche Ansichten: einerseits verurteilt er den übertriebenen Tierschutz und sieht das Töten des Wildes als etwas an, das keiner Rechtfertigung bedarf, andererseits plädiert er für den respektvollen Umgang mit Tieren und kommt zum fatalistischen Schluss, dass es einer Erde ohne Menschen besser gehen müsste.

Wer Seidls Werke mag, wird sich auch „Safari“ in einem Mischzustand aus Staunen, Grauen und schuldbewusster Belustigung gerne ansehen (für den erklärten Jäger-Feind Manfred Deix wäre das bestimmt ein Lieblingsfilm geworden). Die von Stamm-Kameramann Wolfang Thaler gelungen eingefangenen Bilder haben die üblich zentrierte Fotoästhetik, und die Thematik der Jagd ist wieder ein polarisierendes Sujet, das Diskussionen geradezu herausfordert. Seidls Intention war es, die Beweggründe des Jagens, beziehungsweise die Besessenheit daran, herauszustellen. Die Behauptung, seinen Protagonisten stets neutral zu begegnen, bleibt allerdings fragwürdig, weil zwangsläufig jeder Schnitt und jede Einstellung eine bewusste Entscheidung des Regisseurs verrät und die Aufmerksamkeit des Publikums in eine bestimmte Richtung lenkt.

8 von 10 prospektiven Filmpreistrophäen.

franco schedl / katrin p. fröstl

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