Review zur neuen Marvel-Serie: CLOAK & DAGGER
Von Erwin Schotzger
In der englischen Sprache steht Cloak & Dagger für eine dubiose Nacht & Nebel-Aktion. Und genau so mysteriös startet auch die neue Marvel-Serie über das eher unbekannte Superhelden-Pärchen Cloak & Dagger. Marvel-Fans sind Tandy Bowen (aka Dagger) und Tyrone Johnson (aka Cloak) als beliebte Nebenfiguren bekannt. Die neue Marvel-Serie ist ab heute beim Disney-Sender Freeform zu sehen und ab morgen in deutscher Sprache auch auf Amazon Prime Video. Wir haben die ersten drei Folgen gesehen und so viel ist klar: "Cloak & Dagger" ist nicht nur eine verdammt coole Originstory, sondern auch ein spannender Mix aus Coming-Of-Age-Drama und Crime-Story.
Traumatische Vergangenheit
"Cloak & Dagger" beginnt mit traumatischen Erlebnissen in der Vergangenheit der beiden Hauptfiguren Tandy (Olivia Holt) und Tyrone (Aubrey Joseph). Die kleine Tandy stammt aus einem wohlhabenden Haus, der kleine Tyrone aus weniger guten Verhältnissen. In jener Nacht, die wohl zur mysteriösen Verbindung zwischen den beiden geführt hat, sieht Tandy ihren Vater und Tyrone seinen großen Bruder sterben. Sie alle stürzen in den Hafen von New Orleans während eine riesige Explosion die nicht weit entfernte Ölbohrinsel des multinationalen Konzernriesen Roxxon erschüttert. Doch Tandy und Tyrone überleben auf wundersame Weise.
Mysteriöse Kräfte
Jahre später laufen sie sich zufällig wieder über den Weg als Tandy die Brieftasche von Tyrone stehlen will. Die sozialen Verhältnisse haben sich inzwischen umgedreht: Tyrone lebt nun in einer gutsituierten Mittelklassefamilie und geht an eine gute Schule. Tandy ist eine Kleinkriminelle, die ihre weiblichen Reize nutzt, um wohlhabende Burschen abzuzocken. Das ist übrigens auch eine Umkehrung der sozialen Rollen in der Comic-Vorlage, die der TV-Serie aber nicht schadet. Dadurch können Themen wie Diversität und Rassismus weit glaubwürdiger und weniger klischeehaft in die Story eingebaut werden.
Nach einer – wortwörtlich – explosiven Berührung der beiden aktivieren sich offenbar ihre Superkräfte. Auch erkennen die beiden einander. Doch Tandy tut das, was sie immer tut: Weglaufen. Daher sehen wir den beiden dabei zu, wie sie langsam – und getrennt voneinander – ihre neuen Kräfte entdecken: Tandy kann aus dem Nichts grelle weiße Lichtmesser formen. Tyrone kann sich in Dunkelheit hüllen und dann an beliebige Orte teleportieren. Da beide diese Kräfte (zumindest in den ersten Episoden) nur unbewusst oder unkontrolliert in Stresssituationen nutzen, werden beide dadurch in Kriminalfälle verwickelt, die – zumindest in Tyrones Fall – auch in jene Nacht führen, die der Ursprung ihrer Kräfte zu sein scheint.
Spannende Story trotz langsamer Superhelden-Genese
Dieser Mix aus Coming-of-Age-Drama und Crime-Story ermöglicht es Serien-Showrunner Joe Pokaski sich mit der Superhelden-Genese Zeit zu lassen, weil auch der Rest der Story ziemlich spannend ist. Es wundert nicht, dass Pokaski bereits bei der Marvel-Serie "Daredevil" von Netflix die Finger im Spiel hatte. Erzählerisch ist "Cloak & Dagger" ebenso dicht und charakterstark wie "Daredevil", aber der Look & Feel ist viel jünger und auch die zentralen Themen sind auf ein junges Publikum ausgerichtet (Diversität, Intimität, Ängste und das Gefühl, alleine und unverstanden zu sein). Dabei bleibt "Cloak & Dagger" aber wesentlich düsterer, aber auch cooler und authentischer als die thematisch ähnlich angelegte Marvel-Serie "The Runaways" von Hulu oder "The Gifted" von Fox.
"Cloak & Dagger" fühlt sich nicht wie eine Superhelden-Geschichte an, sondern eher wie ein Mystery-Crime-Drama. Dadurch ist die Serie eine gelungene Einführung der untypischen Superhelden und gleichzeitig eine interessante TV-Adaption für Marvel-Fans.
Erwin Schotzger