Filmkritiken

PSYCHOLOGISCHES GESPRÄCHS-SPIEL

Als „Gefährliche Methode“ wird die Psychoanalyse in John Kerrs Buch zur Affäre Jung/Spielrein bezeichnet und entsprechend lautet auch der originale Filmtitel angemessen „A Dangerous Method“, während die deutsche Titelwahl eher an ein Erzeugnis aus der Ein-Frauen-Kitschfabrik einer Utta Danella oder Rosamunde Pilcher denken lässt. Mit einer Edelschnulze hat aber David Cronenbergs neues Werk zum Glück wirklich nichts gemeinsam; allerdings darf man sich auch keinen der für diesen Regisseur typischen Schockmomente durch drastische Körperverformung erwarten. Hier spielt sich alles unter weitgehend ruhigen Oberflächen auf der psychischen Ebene ab und der Film wird durch lange Dialogpassagen dominiert, wie es sich für Freuds ursprünglich als „Redekur“ in die Welt der Wissenschaft eingeführte Behandlungsmethode gehört. „Taking Cure“ lautete schließlich auch der Titel des zugrundeliegenden Theaterstücks von Drehbuchautor Christopher Hampton.

Carl Gustav Jung (Michael Fassbender) begeht die Ursünde jedes Psychoanalytikers, indem er die erforderliche Distanz zwischen Arzt und Patienten verletzt und mit der geistvoll-nervösen Russin Sabrina Spielrein (Keira Knightley), die eigentlich ausschließlich auf seiner Behandlungscouch liegen sollte, eine Affäre beginnt. Die dunkle Begierde eines verheirateten Mannes liefert freilich keinen Gesprächsstoff während eines Wien-Aufenthalts bei seinem Mentor (Viggo Mortensen) aus der Berggasse. Dieses Geständnis reicht Jung erst wesentlich später auf Drängen Spielreins in Briefform nach. Freud, der sich bald auch einen gravierenden Verstoß gegen die selbst aufgestellten Regeln leisten wird, indem er seine eigene Tochter Anna einer Analyse unterzieht, hat die begabte Russin inzwischen unter seinen Schutz genommen und bildet sie zur Analytikerin aus. Durch diesen Entschluss initiiert er eine problematische Dreiecksbeziehung, in deren Verlauf sich Jung in einem schmerzhaft-dramatischen Prozess von seinem Über-Vater löst und sein eigenes Lehrgebäude errichtet.

Cronenbergs Film hingegen kann solche Dramatik nicht wirklich vermitteln: er wirkt gediegen und solide, aber auch ein wenig steril und hätte eher Stoff für ein Fernsehspiel geboten. Brav werden altbekannte kleine Geschichten aneinandergereiht, wie etwa das durch Jung in Freuds Bibliothek hervorgerufene Poltergeistphänomen oder die Deutung ihrer Träume als Gesellschaftsspiel während der gemeinsamen Überfahrt nach Amerika und auch aus ihren Briefen wird selbstverständlich ausführlich zitiert; aber das bleiben nur knappe Streiflichter auf einen historischen Bilderbogen, bei dem sogar Freuds originale Zigarrenmarke geraucht wird.

Keira Knightley setzt ihre Rolle bis zur Selbstaufgabe in hysterischen Tics und Verkrampfungen um; Fassbender muss eine komplexe Gratwanderung zwischen Überlegenheit ausstrahlendem Arzt und von Selbstzweifeln bzw. Libidoattacken heimgesuchten Mann meistern; Mortensens Freud verkommt dem gegenüber eher zur Karikatur und scheint eine bloße Maske aus Bart, Zigarre + Spazierstock zu sein. Man gewinnt noch dazu den Eindruck, der Erfinder des Ödipus-Komplexes wandere in Wien unablässig durch die Parkanlage des Oberen Belvedere (einer der wenigen Orte, die man während der drei Wiener Drehtage ausführlich abfilmen konnte), weil ihn die Sphinx-Statuen besonders locken.

In Filmform verpackte Psychoanalyse ist eben seit jeher ein problematisches Unterfangen, das von Cronenberg immerhin auf passable Weise in Form eines darstellerisch hochmotivierten Gespräch-Spiels gelöst wurde. Dafür sind 7 von 10 möglichen Zigarrenstummeln der freudschen Hausmarke gerade ausreichend.

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