Filmkritiken

"Point Break": Extremsport-Verbrecher mit Esoterik-Touch

1991 war die Welt noch weniger gefährdet: damals raubt eine Surfergang bloß ruckzuck in Bestzeit ein paar lokale Banken aus. Heutzutage gehen es die sportlichen Verbrecher globaler an und bringen gleich die Weltfinanz ins Wanken, indem sie ausgeklügelte Raubzüge gegen staatliche Unternehmen durchführen. Auch körperlich leistet die kriminelle Nachwuchsgeneration wesentlich mehr, weshalb das Remake von Kathryn Bigelows Surf-Thriller „Gefährliche Brandung“ zu einem Extremsport-Spektakel in 3D wird. Abgesehen von den hohen Wellen holen sich die Figuren Adrenalinkicks durch Wingsuit-Flüge, Free-Climbing sowie halsbrecherische Motorcross- und Snowboard-Fahrten.

Der gelernte Kameramann Ericson Core bietet in seinem zweiten Spielfilm daher folgerichtig etwas für unsere Augen und zeigt Leben am Limit mit abwechslungsreicher Action auf vier Kontinenten. Wer zufällig im Kino vorbeikommt würde meine, gerade in eine weitere Folge der Extremsport-Reihe „Nuit de la Glisse“ geraten zu sein. Die extremen Aktionen werden von einer reichlich unglaubwürdigen Handlung begleitet, die sich in wichtigen Punkten an dem 25 Jahre alten Original orientiert, aber alles ins Gigantische aufbläht. Der FBI-Anfänger Utah ( Luke Bracey) kann seinem beeindruckten Boss immer wieder exakte Vorhersagen über die nächsten Schachzüge der Gegner machen und klettert bei der Dienstausübung gerade mal zwischendurch eine senkrechte Felswand neben einem Wasserfall in Venezuela hoch. Außerdem benimmt er sich wilder als alle andern und fährt eine Snowboard-Route, vor der sogar die kaltblütigen Gang-Mitglieder erstmal zurückschrecken. Rechnet man das nun unter die Rubrik „Beruf“ oder „Vergnügen“? Für ihn fällt da wohl beides zusammen. Dafür bleibt das Charisma auf der Strecke: das Zusammenspiel zwischen Keanu Reeves und Patrick Swayze war damals viel authentischer und intensiver.

Zu den Neuerungen zählt zum Beispiel auch, dass die Motivation für die Verbrechen hier eine andere ist: früher befriedigten die Surfer ihre materiellen Lüste und holte sich einfach Geld aus Banken, die neuen Teufelskerle folgen hingegen einem Pfad der Erleuchtung, auf dem sie acht Prüfungen zu bestehen haben und der ihnen von einem ehemaligen Extremsport-Guru vorgegeben wurde. Mit ihrer angeblichen Spiritualität ist es aber gar nicht weit her: sobald ihnen das Geld ausgeht, verwandeln sie sich schnell in gewöhnliche Kriminelle, die bei einem brutalen Bankraub über Leichen gehen.

Eine weitere Modernisierung ist in der modischen Wahl des passenden Überfall-Outfits eingetreten: während die einstigen Gauner Masken der US-Präsidenten Reagan, Nixon, Carter und Johnson getragen haben, beweisen die zeitgenössischen einen kosmopolitischen Hang – bei einem verrückten Coup im 100. Stock eines Hochhauses sind auf ihren Sturzhelmen nämlich die Gesichter von George W. Bush, Obama und Putin zu sehen. Hoffentlich verstehen die Russen Spaß in dieser Hinsicht! 6 von 10 Todeswellen unter venezolanischen Wasserfällen.

franco schedl

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