Filmkritiken

"PIO": Erwachsenwerden in einer Romasiedlung

Der 14-jährige Pio (Pio Amato) ist in einer Roma-Familiengemeinschaft aufgewachsen, die mehrere Wohnblocks einer italienischen Stadt bewohnt. Perspektiven gibt es dort nicht, dafür umso mehr Zusammenhalt untereinander. Pios großes Idol ist sein älterer Bruder Cosimo (Damiano Amato), dem er auf Schritt und Tritt folgt. Als Cosimo und sein Vater im Knast landen, fühlt sich Pio dazu berufen, für sich und seine Familie zu sorgen. Er beginnt, kleinere und größere Verbrechen zu begehen. Ein schlechtes Gewissen hat er dabei nicht, für ihn scheint dies der ganz normale Weg zu sein, eine Familie zu ernähren. Begleitet wird er bei seinen Raubzügen von Ayiva (Koudous Seihon), einem Flüchtling aus Burkina Faso, mit dem er sich langsam anfreundet.

Autobiografisch

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Das besondere an diesem Film ist die Authentizität, mit der das Leben in einer Roma-Siedlung gezeigt wird. Die dreckigen Häuser und kriminellen Handlungen werden nicht romantisiert, um emotionale Höhepunkte zu schaffen, sondern so gezeigt, wie sie für die Figuren sind - alltäglich. Pio steckt zwischen zwei Welten. Zu Beginn des Filmes ist er noch ein Kind, das mit seinen Freunden aus der Nachbarschaft im Garten spielt, doch nach der Verhaftung seines Bruders endet seine Kindheit schlagartig. Der Zuseher erkundet mit ihm seine vermeintlich in Stein gemeißelte Zukunft als Kleinkrimineller. Besonders interessant macht dieses Drama die Besetzung. Pios Roma-Großfamilie wird von seiner echten Familie gespielt, Cousins, Tanten und Brüder spielen sich alle selber, wodurch dokumentarische Momente entstehen, die der tristen Handlung eine Leichtigkeit geben.

Milieustudie

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Regie führte der junge italienische Regisseur Jonas Carpignano, der sich bereits mit seinem Debütfilm „Mediterranea“ international einen Namen machen konnte. Als Produzent fungierte Regielegende Martin Scorsese, der seinem Schützling in der Umsetzung viele Freiheiten gelassen zu haben scheint. „Pio“ ist eine Milieustudie, die uns einen tiefen Einblick in das Leben von Menschen gibt, die wir vermutlich sonst nie kennenlernen würden. Ein Plädoyer für die Macht des Kinos.

7 von 10 kaputten Fernsehern