Filmkritiken

"On the Milky Road": Emir Kusturica in seiner Traumwelt

Als Milchverkäufer Kosta reitet Emir Kusturica auf einem Esel durch den Kugelhagel im Bosnienkrieg, unterstützt wird er von seinem Bruder, einem Falken, der die Feinde aus der Luft erspäht. Kosta ist der Held in seinem Dorf: weder der Krieg, noch die bevorstehende Hochzeit mit der ebenso schönen wie verrückten Milena, können ihn aus der Fassung bringen. Erst als Monica Bellucci in Gestalt einer Braut in seinem Dorf erscheint, bekommt der tapfere Held wackelige Beine, doch ihr Ex-Mann, ein englischer UN-General, ist hinter ihr her.

Selbstverliebt

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In „On the Milky Road“ verkörpert Kusturica das vermeintliche Vorbild aller Männer und den Traum aller Frauen, dabei lässt er jegliche Selbstkritik vermissen. Auch wenn die märchenhafte Liebesgeschichte zur Zeit des Jugoslawienkrieges nicht auf die Selbstbeweihräucherung des Ausnahmetalents zu reduzieren ist, bekommt sie dadurch einen bitteren Beigeschmack. Kusturica dabei zu beobachten, wie er Spezialeinheiten bloßhändig ausschaltet und nebenbei von Monica Bellucci angehimmelt wird, ist eher peinlich als lustig. Dabei verspricht die erste Hälfte des Films großes Kino, aber spätestens nach zwei Kämpfen mit einer virtuellen Schlange ist klar: Kusturica ist über seinen Zenit.

Magisch

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Der Filmemacher aus dem Balkan bleibt seiner Handschrift treu. Sein Stil kann am ehesten als Magischer Realismus beschrieben werden, fleischfressende Uhren und Milch trinkende Schlangen finden in seinem Universum ebenso Platz wie gebrochene Herzen und geplatzte Träume. „On the Milky Road“ entführt uns in die Welt der Wunder, wo Figuren buchstäblich vor ihren Problemen einfach davon fliegen können ohne, dass man den Regisseur für verrückt halten muss. Wegen dieser magischen Momenten liebt man den eigensinnigen Filmemacher.

Viel beschäftigter Mann

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Emir Kusturica gehörte einst zu den Größen des europäischen Kinos, mit Meisterwerken wie „Zeit der Zigeuner“ oder „Underground“ war er Stammgast bei den Filmfestspielen in Cannes, wo er ein internationales Publikum für sich begeistern konnte. Mit „Arizona Dream“ machte er einen Abstecher nach Hollywood, wo er in Arizona mit Superstars wie Johnny Depp und Jerry Lewis drehte. In den letzten Jahren konnten die wenigen Filme, die er als Regisseur umsetzte, jedoch nicht überzeugen. Seine sinkende Produktivität könnte mit der Tatsache zusammenhängen, dass er inzwischen ein Dorf errichtet hat, in dem er jährlich ein Filmfestival veranstaltet und nebenbei auch noch in einer Band spielt. Ein Mann der sprichwörtlich auf mehreren Hochzeiten tanzt.

Özgür Anil