Filmkritiken

NONNENKLOSTER STATT ROCK'N'ROLL

Das Jahr 1967 fängt für zwei deutsche Jugendliche aus der Provinz schlecht an. Ihr Ausbruch aus dem muffigen Elternhaus endet nicht in Rock’n’Roll und Protestbewegung, sondern bei prügelnde Nonnen und im Erziehungsheim. "Von jetzt an kein Zurück" nennt der österreichische Regisseur Christian Frosch seinen großteils in Schwarzweiß gedrehten Jugendfilm, in dem er einen bitteren Blick auf das verspießte Deutschland der 60er Jahre wirft.

Frosch selbst ist Jahrgang 1966, verspürt aber eine innere Nähe zu seinem jungen Liebespärchen, das sich aus dem Elternhauses befreien will und stattdessen in der Erziehungsanstalt landet: "Wenn man in einer niederösterreichischen Kleinstadt bei sehr katholischen Eltern aufgewachsen ist, findet man schnell seine Bezugspunkte", sagt der Wahlberliner im KURIER-Interview. Und natürlich inspirierten die in Österreich und Deutschland geführten Debatten über Missbrauch und Gewalt in katholischen Internaten und staatlichen Heimen seinen Film – "aber mich interessierte vor allem, wie diese Institutionen funktioniert haben".

Dazu interviewte der Regisseur 50 Betroffene, die ihm von ihren krassen Erfahrunggen mit der Heimerziehung berichteten, und verarbeitete sie zu nicht minder krassen Szenen: Die Nonnen verteilen lieber Ohrfeigen als gute Ratschläge und zwingen ihre Zöglinge zum Aufessen – selbst wenn diese sich bereits in ihre Teller übergeben haben. Aber auch das protestantische Erziehungsheim ist kein Spaziergang: Junge Burschen verrichten Zwangsarbeit, werden von den faschistoiden "Erziehern" im Feldwebelton angebrüllt und bei Fehlverhalten rigide bestraft – "Alles authentisch", beteuert Christian Frosch.

Ohnehin sei er der Ansicht, dass eine heute junge Generation zu wenig von der Vorgeschichte weiß, um die Anliegen der 68er-Generation und deren teilweise Radikalisierung durch die RAF nachvollziehen zu können: "Ich habe mit meinem Patenkind den ,Baader Meinhof Komplex’ im Kino angesehen und bemerkt, dass ein 16-jähriger nicht verstehen kann, aus welchen Motiven die Leute damals gehandelt haben."

Übrigens: Gleich zu Beginn seines Films spielt Frosch den berüchtigten "Anti-Gammler"-Song "Wir" (1966) von Freddy Quinn, in dem dieser der jungen Generation den Kampf ansagt: "Wer hat den Mut, sich für euch zu schämen? Wir!" singt eine Männerstimme, die nicht von Freddy Quinn stammt. Dieser hatte verboten, sein Originallied zu verwenden. Aber weniger, weil es ihm moralisch so peinlich war, vermutet Christian Frosch: "Ich glaube, er wollte mehr Geld."

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