Vor der Linse: Warum sind Filme und Serien heutzutage so dunkel?
Von Oezguer Anil
In unserer neuen Rubrik "Vor der Linse" werfen wir einen Blick auf die brennenden Fragen der Filmwelt – verständlich erklärt! "Vor der Linse" erscheint an jedem Mittwoch zur Monatsmitte.
Alle, die regelmäßig ins Kino gehen oder sich durch das Angebot von Streamingplattformen klicken, werden es in den letzten Jahren bemerkt haben: Filme und Serien werden immer dunkler. Die DarstellerInnen verschwinden immer öfters in der Tiefe der Nacht oder irren durch nicht erkennbare Räume
Besonders stark fällt das beispielsweise auf, wenn man sich die Entwicklung der "Batman"-Filme oder die "Harry-Potter"-Reihe ansieht. Während Batman in den 1960ern noch mit gelbem Logo durch die lichtdurchfluteten Gassen von Gotham lief, sind im neusten Film von Matt Reeves sogar die Augenränder des Dunklen (!) Rächers schwarz gefärbt. In den ersten beiden Teilen von "Harry Potter" war Hogwarts eine einladende Zauberschule mit schillernden Farben und wurde gegen Ende des Franchises zu einem düsteren Schloss, in dem es um Leben und Tod ging. Auch wenn die Dunkelheit durchaus ihren Charme hat, stellt sich die Frage:
Warum sind Filme heutzutage zu dunkel?
Auf der sicheren Seite
Seit dem Beginn der Filmgeschichte wurden Bewegtbilder auf Zelluloidfilm festgehalten. Mit den Jahren wurde das Material immer weiterentwickelt. Der Schwarz-Weiß-Film wurde vom Farbfilm abgelöst, größere Bildformate wurden entwickelt und auch die Lichtempfindlichkeit wurde verbessert. Bedeutet: Man musste in den 90er-Jahren deutlich weniger Scheinwerfer auf einem Set stehen haben als noch in den 30er-Jahren.
Auch wenn das Filmmaterial mit den Jahren immer lichtempfindlicher wurde und man somit immer mehr mit Dunkelheit experimentieren konnte, war das Spiel mit den Schatten stets ein großes Risiko. Man musste warten, bis das Filmmaterial im Labor entwickelt wurde, bis man tatsächlich sehen konnte, was man eigentlich aufgenommen hatte. Dieser Prozess dauerte meistens einige Tage und wenn der Film zu wenig belichtet war, konnte man ihn nicht verwenden. Da Nachdrehs sehr teuer sind, gingen Kameraleute auf Nummer sicher und setzten auf hellere Beleuchtung.
Wieso wurden Filme dunkler?
Mit dem Aufkommen von hochwertigen Digitalkameras ab 2010 veränderte sich der Look in Filmen und Serien schlagartig. Der digitale Sensor ist deutlich lichtempfindlicher als Zelluloidfilm und dadurch kann man mit viel weniger Scheinwerfern eine Szene ausleuchten. Digitalkameras haben auch einen größeren Kontrastumfang, wodurch man in einem Bild sowohl sehr helle als auch sehr dunkle Punkte vereinen kann.
Ein großer Unterschied ist auch die Qualität der Monitore, die dem Filmteam während der Dreharbeiten zur Verfügung stehen. Während man früher erst auf die Ergebnisse aus dem Labor warten musste, kann man heutzutage schon am Set ein fast fertiges Bild begutachten. Dadurch hat man viel mehr Kontrolle über die visuelle Gestaltung und kann mehr Risiken eingehen. Man kann es mit der Dunkelheit so weit treiben, dass man sich extrem präzise an die Grenzen der neuen technischen Möglichkeiten herantasten kann – und sollte man sich im Nachhinein doch anders entscheiden wollen, kann man durch moderne Farbkorrekturverfahren die Helligkeit zu einem gewissen Grad in der Postproduktion wiederherstellen.
"Game of Thrones"-Debakel
Die größte Kritik für den dunklen Look mussten die MacherInnen der letzten Staffel von "Game of Thrones" einstecken. Die langerwartete Schlacht gegen die Armee der Untoten war derart dunkel geraten, dass Fans ihre HeldInnen im Gefecht gar nicht mehr sehen konnten. Ups!
In einem Interview mit Wired äußerte sich Kameramann Fabian Wagner dazu: "Wir haben im Laufe der Jahre so viele Kampfszenen gesehen. Um diese Szenen einzigartig zu machen, damit man mit den Charakteren mitfühlen kann, mussten wir einen besondern Weg finden, um die Geschichte zu erzählen. Alles, was wir den Leuten zeigen wollten, ist da."
Düstere HeldInnen
Auch wenn es für viele Fans wie ein Fehler wirkt, muss man sich im Klaren sein, dass die Bildbearbeitung eines Films etliche Stufen umfasst und dabei nichts dem Zufall überlassen wird, vor allem nicht die Dunkelheit. Kontrastreiche Bilder sind meist stimmungsvoller als der helle Einheitsbrei, den man meist aus schlechten TV-Serien kennt. Zudem kommt hinzu, dass auch die Inhalte der Filme und Serien immer düsterer werden.
BösewichtInnen, aber vor allem auch HeldInnen bekommen immer mehr Facetten, sodass man ihre Beweggründe besser nachvollziehen kann. Um diese Widersprüche zu visualisieren, braucht es ein differenziertes Spiel mit Licht und Schatten. Man könnte auch sagen: Je dunkler die Seele der Figuren, desto dunkler auch das Bild, das uns präsentiert wird.
Problematisch
Ein Problem, das dabei zu Tage tritt, ist jedoch das veränderte Sehverhalten des Publikums. Immer mehr Menschen schauen Filme und Serien zuhause auf Fernsehern, Laptops oder Handys. Die Bildschirmeinstellungen sind von Marke zu Marke unterschiedlich und die Helligkeit des Raumes spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Wirkungskraft von dunklen Bildern.
Fazit
Ein Bild ist dazu da um eine Emotion zu transportieren. Es ist primär die Aufgabe der Kameraperson, mit visuellen Mitteln ein Erlebnis zu kreieren, dass das Publikum in den Bann zieht. Der Trend zu immer dunkleren Bildern ist per se nichts schlechtes, problematisch wird es erst, wenn man nicht mehr sieht, was man eigentlich sehen sollte.