Vor der Linse: Wozu gibt es Filmfestivals?
Von Oezguer Anil
In unserer neuen Rubrik "Vor der Linse" werfen wir einen Blick auf die brennenden Fragen der Filmwelt – verständlich erklärt! "Vor der Linse" erscheint an jedem Mittwoch zur Monatsmitte.
Immer wieder hört man von ihnen: Den Filmfestivals. Egal ob eine Premiere, der Red Carpet oder eine Auszeichnung - Filmfestivals sind ein fester Bestandteil der Filmbranche und zieren die Titelseiten vieler Medien. Doch was ist ein Filmfestival eigentlich und wozu gibt es sie überhaupt?
Was ist ein Filmfestival?
Filmfestivals gibt es auf der ganzen Welt. In der Regel dauern sie mehrere Tage oder Wochen und dienen vor allem dazu, Menschen für das Kino und Filme zu begeistern. Es werden Filme in Kinos gezeigt, wobei es unterschiedlichste Sektionen und Programmpunkte gibt. Das kann von einem regionalen Fokus wie "europäische Filme" bis hin zu Retrospektiven von Regisseur:innen reichen. Parallel dazu gibt es Diskussionsveranstaltungen und Vernsetzungstreffen, bei denen sich Publikum und Branche austauschen können
Bei manchen Festivals stehen die Filme im Wettbewerb zueinander und konkurrieren um diverse Preise, wohingegen bei anderen auf ein Konkurrenzdenken verzichtet wird. Die wichtigsten Filmfestivals der Welt sind die Berlinale (Goldener Bär), die Filmfetspiele von Cannes (Goldene Palme) und die Filmfestspiele von Venedig (Goldener Löwe). Man sollte Festivals jedoch nicht mit Preisverleihungen gleichsetzen.
Veranstaltungen wie die Oscars, die Golden Globes, der europäische Filmpreis, der österreichische Filmpreis etc. sind keine Filmfestivals sondern Preisverleihungen, die meist am Ende eines Festivaljahres stehen und die besten Filme des vergangenen Jahres auszeichnen.
Wozu gibt es Filmfestivals?
Die Ziele von Filmfestivals sind sehr unterschiedlich, deshalb ist es kaum möglich, eine allgemeingültige Antwort darauf zu geben. Neben einem/einer Programmdirektor:in gibt es ein Auswahlgremium, das über die Auswahl der Filme entscheidet und so auch die Ausrichtung eines Festivals mitentscheidet. Es ist dabei durchaus üblich, dass mit einer Veränderung der Programmdirektion auch eine Veränderung des Festivals einhergeht.
Während manche Festivals versuchen, den Fokus auf das Publikum zu legen und den Kinobesucher:innen einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu neuen kommerziellen Filmen zu ermöglichen, haben sich andere der Filmbranche und den sich darin befindlichen Dynamiken gewidmet. Ein entscheidender Faktor ist dabei der Filmmarkt und dessen Einfluss auf Filmproduktionen.
Was ist ein Filmmarkt?
Nicht jedes Festival hat einen Filmmarkt, doch diejenige, die einen haben, leisten einen wichtigen Beitrag für die Filmbranche. Auf den Märkten treffen die unterschiedlichsten Player der Filmbranche aufeinander. Es werden unter anderem Deals für Drehbücher geschlossen, Koproduktionen vereinbart und Filmrechte verkauft. Hier entscheidet sich oft der Erfolg oder Misserfolg eines Filmprojekts. Manche Filme werden dabei innerhalb kürzester Zeit in unterschiedlichste Regionen der Welt verkauft, während für andere die Finanzierung des Drehs zusammenbrechen kann.
Ein Überblick über die wichtigsten Festivals:
- Sundance: Das Sundance Filmfestival findet jährlich im Jänner in Utah statt. Es ist vor allem für den amerikanischen Markt von großer Bedeutung, da Indieproduktionen hier ihren großen Durchbruch feiern können.“Everything Everywhere All at Once” hatte seine Premiere im Jänner 2022 auf dem Sundance Filmfestival und die fulminanten Reaktionen dort waren der Startschuss für den Megaerfolg. Der Genremix wurde im März 2023 schließlich mit dem Oscar als bester Film ausgezeichnet.
- Berlinale: Die Berlinale ist das größte Publikumsfestival der Welt und findet jährlich im Februar in Berlin statt. In zahlreichen Sektionen werden großartige neue Filme vorgestellt, die ein breites Spektrum abdecken. Bevor 2019 Carlo Chatrian zum Programmdirektor ernannt wurde, setzte die Berlinale einen starken Fokus auf politische Filme, dieser Fokus besteht zwar weiterhin, aber es finden auch immer öfters sowohl kommerzielle als auch experimentelle Filme eine Plattform auf diesem Festival.
- Filmfestspiele von Cannes: Die Filmfestspiele von Cannes sind das größte und wichtigste Filmfestival der Welt. Jedes Jahr versucht das Festival, eine Balance zwischen unentdeckten Filmperlen und Hollywood-Produktionen zu finden und bietet dabei eine Plattform für das Weltkino.
- Filmfestspiele von Venedig: Die Filmfestspiele von Venedig sind das älteste Filmfestival der Welt. In den letzten Jahren wurde das Festival zu einem wichtigen Indikator für die Oscarverleihung. Oscarpreisträger wie “Joker”, “Three Billboards Outside Ebbing, Missouri” und “Nomadland” wurden zu allererst hier ausgezeichnet.
Weltpremieren
Die oben genannten Festivals sind sogenannte Premierenfestivals, bei denen ein besonderer Wert daraufgelegt wird, dass die gezeigten Filme noch nirgendwo anders zu sehen waren. In mehreren Sektionen kann man sich ein Bild über das internationale Filmschaffen machen, wobei der Wettbewerb das Herzstück des Festivals ausmacht. Die dort um die Preise konkurrierenden Filme werden oft als die besten Werke des Festivals proklamiert und von der Presse besonders kritisch beäugelt.
Medienhäuser schicken Journalist:innen gezielt auf diese Festivals, da man sich dort an einem Ort, die wichtigsten Filme des kommenden Jahres anschauen und bewerten kann. Die Berichterstattung in der Presse, ist dabei ein wichtiger Faktor, um für die Popularität eines Filmes zu sorgen.
Entdeckungen
Filmfestivals sind auch ein wichtiger Ort, um Regisseur:innen zu entdecken und aufzubauen. Regiegrößen wie Martin Scorsese, Guillermo Del Toro, Bong Joon-Ho, Jane Campion, Lars von Trier oder Michael Haneke wurden mit den wichtigsten Preisen auf Festivals ausgezeichnet. Ihr Erfolg geht Hand in Hand mit den Festivals, die ihren Arbeiten eine Bühne bieten, bevor sie in die Welt hinausgeschickt werden. In den letzten Jahren wurden sie immer mehr zum Aushängeschild für Streaming-Plattformen. Mit Titeln wie “Roma”, “The Irishman” oder “Bardo” versuchte Netflix, sein eigenes Image aufzupolieren. Ohne ihren Erfolg auf Filmfestivals hätten Alfonso Cuaron oder Alejandro Gonzalez Inarritu es deutlich schwerer gehabt ihre künstlerischen Visionen gegenüber den Plattformen zu verteidigen.
Während auf Streaming-Plattformen Filme nur nach Einnahmen-Ausgaben Rechnungen zustande kommen, bieten Filmfestivals die Möglichkeit abseits von einer Marktlogik Filme in den Fokus zu rücken. Deshalb sind Filmfestivals vor allem für kleinere und Arthouse-Produktionen wichtig.
Filme sind nicht nur ein Wirtschaftsgut, sondern können im Idealfall ein Kunstwerk sein und um diesen Kunstwerken in einer schnelllebigen Welt die Aufmerksamkeit zu geben, die sie verdienen, sind Filmfestivals unablässlich.