Vikings: Gefährliche Intrigen am Hof von König Alfred
Von Erwin Schotzger
"Vikings" ist vor allem als blutige und eindrucksvoll inszenierte Action-Serie bekannt und beliebt geworden. Doch mit der Episode "Mord am Altar", im Original "Murder Most Foul" (übersetzt etwa als "Mord der übelsten Sorte"), wird einmal mehr klar, dass die Serie nach dem Tod von Ragnar in Richtung Seifenoper unterwegs ist. Sex, Gewalt und Intrige sind nicht neu bei "Vikings", aber zu Ragnars Zeiten waren die durchaus dramatischen Wendungen – ob auf dem Schlachtfeld, im Bett oder als Verschwörung – zumindest halbwegs glaubwürdig. In dieser Episode stehen vor allem die Verstrickungen der Wikinger in die Machtspiele am Hof des englischen Königs Alfred im Mittelpunkt. Kattegat spielt eine Nebenrolle, Island kommt nur kurz vor.
Achtung: SPOILER schleichen sich an! Wer die neue Folge von "Vikings" noch nicht gesehen hat, sollte hier das Weite suchen.
Intrigen am Hof in England
Der ehemalige Bischof Heahmund hält sein Versprechen und setzt sich für Lagertha, Björn und Ubbe ein. Doch König Alfred sitzt auf einem höchst wackeligen Thron. Eine Verschwörung gegen ihn ist ihm Gange, die vom Heahmunds Nachfolger als Bischof ausgeht. Daher will Alfred den Söhnen Ragnars ihr eingefordertes Land nicht gleich zugestehen. Zuerst müssen sie sich beweisen und außerdem muss Alfred sich auch um seine Vermählung mit Elsewith (Roisin Murphy) kümmern. Soweit, so gut. Das hört sich alles plausibel an. Doch dann geht es am englischen Hofe los mit Drama in bester Seifenoper-Manier.
Björn macht auf Drama-Queen
Zuerst zickt Björn wie ein kleines Kind herum, weil er seine Länderein nicht gleich bekommt. Ganz anders als zuvor im Mittelmeer, scheint er hier in England jegliches Gefühl für Strategie und Diplomatie verloren zu haben. Das führt dazu, dass Alfred sich lieber an Ubbe wendet. Er soll sich taufen lassen, um es Alfred einfacher zu machen, die von seinem Großvater versprochenen Ländereien zu gewähren. Ubbe könnte in England noch zu höheren Weihen gelangen, wenn man an die Prophezeiungen des blinden Sehers von Kattegat denkt.
Überhaupt ist Alfred ziemlich damit beschäftigt, die Verschwörung gegen ihn zu parieren. Seine Verlobte Elsewith kommt daher ein wenig zu kurz. Es scheint auch, dass Alfred generell nicht sehr an Frauen interessiert ist, Björn dafür umso mehr. Nun hat schon Björns Vater nicht viel auf Etikette und Diplomatie gegeben, wenn es um sexuelle Begierde ging. Aber diesmal geht Vikings-Autor Michael Hirst doch auf eine sehr platte Art und Weise an die Sache heran: Björn dürfte den unwiderstehlichen "Komm zu mir, holde Maid"-Blick drauf haben. Die jungfräuliche Elsewith scheint der animalischen Ausstrahlung des Wikingers völlig erlegen und landet sogleich mit ihm im Bett. An sich hat das ja durchaus Tradition in "Vikings". Ärgerlich ist diesmal die schlechte und übereilte Umsetzung im Seifenoper-Stil, die dieser Geschichte eine unglaubwürdige, sogar sexistische Schieflage beschert.
Aggressiver Ex-Bischof Heahmund
Doch eigentlich steht Heahmund im Zentrum dieser Episode. Auch er agiert wenig plausibel, wie aus einem Groschenroman entstiegen. Er will sein Bischofsamt zurück, doch sein Amt wurde bereits neu besetzt. Angesichts der Tatsache, dass er von König Alfred über die Intrigen am Hofe in Kenntnis gesetzt wird, sind seine aufbrausenden Reaktionen völlig überzogen. Schon wieder glaubt man sich in einer Folge von "Dynasty im Mittelalter" wiederzufinden. Ganz offen droht der Ex-Bischof seinem Nachfolger. Der neue Bischof lässt ihn bespitzeln und entdeckt die Affäre mit Lagertha, die er am Hofe publik machen will. Zwar gab es das Zölibat historisch betrachtet damals noch gar nicht, aber da Lagertha eine Heidin ist, würde das wohl dem Ruf von Heahmund schaden. Umso unrealistischer fällt Heahmunds Reaktion aus: Die Episode endet damit, dass er den neuen Bischof am Altar seiner Kirche niedermetzelt. Es ist nur schwer nachvollziehbar wie so die Reputation von Heahmund am englischen Hofe wiederhergestellt werden soll. Damit hat er wohl König Alfred ebenso einen Bärendienst erwiesen wie Lagertha und den Söhnen Ragnars.
Ivar, paranoider König von Kattegat
In Kattegat zeigt Ivar leichte Tendenzen zur Paranoia. Auch hier erzählt Hirst sehr hastig und mit großen Zeitsprüngen zwischen den Szenen. Zu Beginn der Episode verkündet Ivar seine Heirat mit Freydis, wohl auch um seinen Thron zu sichern. Sein Bruder Hvitserk sieht es gelassen, schließlich kann Ivar keine Kinder zeugen. Diese Tatsache scheint auch König Harald zu gefallen. Doch Freydis ist ambitioniert und klug. Seine Frau vergöttert Ivar und verspricht ihm einen Sohn. Als Samenspender muss ein beliebiger Krieger dienen.
Schon bald verkündet Ivar die Schwangerschaft seiner Frau, was ihn aber nur noch paranoider macht. In seinen Träumen sieht er die wahnsinnige Margrethe als Königsmörderin. Er kommt ihr daher zuvor und lässt sie meucheln. Das könnte endgültig zum Zerwürfnis mit seinem Bruder Hvitserk führen.
Floki flennt in Island
Nur ganz kurz werfen wir auch einen Blick nach Island. Dort zweifelt Floki inzwischen an seiner göttlichen Mission und seinem Verstand. Die von ihm auf die Insel geführte Gemeinde ist weiter zerstritten. Floki versagt weiterhin als Anführer. Während die Geschichten in England und Kattegat zu hastig erzählt werden, scheint der Handlungsstrang in Island sich im Kreis zu bewegen.