"The Tragedy of Macbeth": "Shakespeare würde es gefallen"
Die beeindruckende, in Schwarzweiß gehaltene Tragödie schwelgt in der Strenge des deutschen Expressionismus. "Shakespeare würde es gefallen", schmunzelte McDormand am Freitag bei einer Pressevorführung.
Verfilmungen von William Shakespeares "Macbeth" gibt es wie Sand am Meer - oder Schlösser in Schottland. Andere Filmemacher haben die Geschichte des machtgeilen Aufsteigers bereits eindrucksvoll bearbeitet - insbesondere Orson Welles und Roman Polanski. Die jüngste Verfilmung von Justin Kurzel mit Michael Fassbender in der Hauptrolle stammt aus dem Jahr 2015. Wie verfilmt man "Macbeth" nun zum x-ten Mal?
Regisseur und Drehbuchautor Joel Coen, bekannt als einer der beiden Coen-Brüder ("The Big Lebowski","No Country for Old Men") hat sich für einen zutiefst stilisierten Theaterfilm entschieden, der dem Urtext treu bleibt und schamlos den jambischen Fünfheber feiert. Eingehüllt in Schwarz und Weiß, Schatten und Licht, spiegeln die Bildlandschaften hier die Arbeiten von deutschen Expressionisten wie F.W. Murnau und Robert Wiene oder die Stummfilme von Carl Theodor Dreyer wider. Coen und sein französischer Kameramann Bruno Delbonnel haben den Film gar im klassischen quadratischen Academy-Seitenverhältnis gedreht.
Das erste Bild springt von Schwarz auf Weiß. Wolken und kreisende Krähen blenden langsam in das Bild ein. Eine Totenglocke läutet. Verbittert und müde treffen wir Macbeth (Denzel Washington) in den schottischen Moren, als er auf die drei Hexen trifft oder in diesem Fall eine Hexe (fantastisch von Kathryn Hunter wie eine Art Gollum gespielt) aus der die anderen hervorzugehen scheinen. Sie verspricht Macbeth, dass er König von Schottland wird. Seine Frau Lady Macbeth (Frances McDormand) wird ihm dabei helfen, die Weissagung Wirklichkeit werden zu lassen und den König (Brendan Gleeson) zu ermorden. Aber leider läuft das alles nicht so gut für das Ehepaar. Macbeth läuft Amok, während seine Lady Gewissensbisse plagen.
Die Geschichte ist immer noch die gleiche. Gerecht ist immer noch schlecht und schlecht ist immer noch gerecht. Wer "Macbeth" noch nie mochte, wird auch jetzt nicht konvertieren. Die Version von Joel Coen ist ein nebliger Alptraum mit einer kühlen, modernistischen, fast erhabenen Mise en Scene - und damit eine völlige Abkehr von der jahrzehntelangen Arbeit mit seinem Bruder Ethan. Es gibt hier keinen Galgenhumor und keine ironische Sensibilität. Die "Tragödie" im Titel des Films ist wörtlich zu nehmen.
Frances McDormand ist eine ausgeschlafene Mitverschwörerin und wenn sie einen vierten Oscar als Schauspielerin für diese Rolle bekäme, dann wäre sicher niemand überrascht. Aber es ist Washingtons Film. Shakespeare ist dem zweifachen Oscar-Gewinner nicht fremd. Er ging hier am Lincoln Center in Manhattan auf die Schauspielschule. "Ich bin 300 Meter von diesem Kino entfernt zur Schule gegangen und habe Othello gespielt, als ich 20 Jahre alt war und keine Ahnung hatte, was ich da tat", sagte Washington im Anschluss an die Pressevorführung. "Es waren lange 300 Meter! Es ist die ultimative Herausforderung, und die ultimative Belohnung. Hier habe ich angefangen und hier möchte ich aufhören."
Anstatt sich für eine schwulstige Leistung zu entscheiden, was für Schauspieler in dieser Art von Rolle normalerweise verlockend ist, ist sein Königsmörder ein zurückhaltender Kerl - mit amerikanischem Akzent. Je mehr Macbeth jedoch in den Wahnsinn seiner Frau hineingezogen wird, desto mehr fängt er an, wie sie zu klingen, und desto mehr lässt Washington jede Zeile implodieren. Auch er wird die obligatorische Oscar-Nominierung bekommen.
Nach seiner Premiere beim 59. New York Filmfestival, startet "Tragedy of Macbeth" am 25. Dezember in den US-Kinos. Ab 14. Jänner kann der Streifen auf Apple TV+ gestreamt werden, womit sich unweigerlich die Frage stellt, was Joel Coen darüber denkt, dass sein Film von den Zuschauern eventuell zuhause und nicht im Kino gesehen wird. "Als Filmemacher möchten Sie natürlich, dass Ihr Publikum Ihren Film auf der bestmöglichen Leinwand sieht. Der schlimmste Albtraum eines Filmemachers ist, dass jemand Ihren Film in einem Flugzeug gesehen hat", sagte Coen. Er betonte aber auch, dass solch "riskante" Filme wie "The Tragedy of Macbeth" nur existieren, weil sie von Streamern finanziert werden. Dies ist, gelinde gesagt, nicht die übliche Hollywood-Kost.