Nicht nur in "Echo": 7 Superhelden mit Beeinträchtigungen
Von Manuel Simbürger
Am 10. Jänner ist die neue MCU-Serie "Echo" auf Disney+ gestartet. Die Abenteuer rund um Kingpins Adoptivtochter Maya Lopez (Alaqua Cox) mag nicht perfekt sein, aber betritt mutig neue Wege: nicht nur, dass "Echo" düsterer und geerdeter daherkommt als alle anderen MCU-Projekte, mit Maya Lopez steht auch eine Heldin im Fokus, die mit Beeinträchtigungen kämpft – und das meinen wir wortwörtlich, denn Anders-Sein wird hier zelebriert und zur Stärke anstatt zum Hindernis: Maya ist gehörlos und lebt mit einer Beinprothese.
Weiblich, indigener Abstammung und mit Beeinträchtigungen lebend? "Zu woke!" hallt es da wütend aus den Untiefen der Social Media-Foren (ohne dabei genau zu wissen, was mit "woke" denn nun eigentlich gemeint ist). Ein Superheld, der nicht männlich und nicht weiß ist und dessen Körper nicht der cis-Norm entspricht, scheint also immer noch zu triggern und Unwohlsein bei vielen Zuschauer:innen auszulösen, vielleicht gar an die eigene Unsicherheit und Unvollkommenheit erinnern.
Ist die Angst der mehrheitlichen Bevölkerung etwa so groß, dass ihnen etwas weggenommen wird, wenn gesellschaftliche Minderheiten in den Fokus rücken und somit auch ihre verdiente Aufmerksamkeit bekommen? Man mag es bei all den Troll-Kommentaren auf Instagram, Facebook, X und Co. beinahe glauben. Denn dass in "Echo" nichts weiter außer eine politische Agenda durchgesetzt werden will, kann man der Serie nicht vorwerfen, wie du in unserer Serienkritik nachlesen kannst.
Vielmehr sollten wir uns Gedanken machen, wieso es immer noch zum Thema gemacht wird, wenn jemand anderer als ein Weißer cis-Mann der Held/die Heldin sein und den Tag retten darf. Umso wichtiger also, dass Serien wie "Echo" Personen außerhalb der Norm ins Scheinwerferlicht rücken, um für Sichtbarkeit zu sorgen und niederschwellig somit Barrieren abbauen. Dass die Popkultur und vor allem das Superheld:innen-Genre genau dafür wie gemacht zu sein scheint (immerhin ist der/die Superheld:in die perfekte Allegorie fürs Anders-Sein), zeigen zudem folgende Beispiele.
Hier sind 7 weitere (Super-)Held:innen mit Beeinträchtigungen, die jedem kräftig in den Hintern treten:
Matt Murdock aka Daredevil
Mit ihm fing alles an: Die von Stan Lee 1964 erdachte Figur des blinden Anwalts Matt Murdock, der als grummeliger und brutaler Daredevil die nächtlichen Straßen von New York City sicherer macht, war der allererste Superheld mit einer Beeinträchtigung. Als Kind wurde Murdock von einem LKW angefahren, als er einem blinden Passanten das Leben rettete. Dabei wird er von einer radioaktiven Flüssigkeit übergossen, die ihm sein Augenlicht nimmt. Gleichzeitig aber werden alle seine anderen Sinne immens geschärft, weshalb ihm auch ohne die Kraft des Sehens selbst der stärkste Gegner nichts anhaben kann.
Daredevil gehört bis heute zu den beliebtesten Marvel-Superheld:innen, seine Comicreihen, die sich durch eine sehr erwachsene Tonalität auszeichnen, werden sowohl von Leser:innen als auch Kritiker:innen gelobt. Im Kino wurde er bereits von Ben Affleck (leider nicht sehr überzeugend) dargestellt, in der Serie "Daredevil: Born Again" erlebt der Held in Gestalt von Charlie Cox bald seine MCU-Auferstehung.
Barbara Gordon aka Oracle
Dem Mainstream ist Barbara Gordon, Tochter von Gotham Citys Polizeichef James Gordon, vor allem als Batgirl bekannt, das erste Mal aufgetaucht in der kultigen 60er-Jahre "Batman". Doch hinter Barbaras (zumindest anfangs) harmloser Fassade steckt viel mehr – nämlich an Traumata, Willenskraft und Überlebenswillen: Nachdem sie von Batmans Erzfeind Joker angeschossen (und danach vergewaltigt) wurde, ist sie an einen Rollstuhl angewiesen. Doch Barbara denkt nicht dran, ihr Schicksal als Superheldin ad acta zu legen: Von nun an unterstützt sie Batman im Hintergrund als Oracle, eine HighTech-und Spionage-Spezialistin, die die Bat-Family mit wichtigen Infos versorgt.
Oracle war eine derart beliebte, weil mit viel Empowerment angereicherte Comicfigur, dass es unter Comic-Fans einen Aufschrei gab, als Barbara wieder Gehen lernte und erneut zu Batgirl wurde. Aktuell bekämpft sie sowohl als Batgirl als auch Oracle das Verbrechen.
Charles Xavier aka Professor X
Die X-Men, eine Gruppe von Mutant:innen, waren von Beginn an die aussagekräftigste Superheld:innen-Metapher in der Comic-Historie, was gesellschaftliches Außenseitertum und Andersartigkeit betrifft: Die ewige Diskussion rund um ein Outing als X-Man (oder -Woman) sowie der Kampf um rechtliche Gleichstellung spricht sowohl queere Menschen als auch Personen mit Beeinträchtigungen an. Dass einige der X-Men auch von der körperlichen Norm abweichen, machen sie endgültig zur ultimativen Allegorie fürs Menschein abseits der Norm.
Gründer und Anführer der X-Men ist der gütige und weise Charles Xavier alias Professor X. Er lernt jungen Mutant:innen, mit ihren Kräften umzugehen und lässt niemals Zweifel daran, dass man nur dann "anders" ist, wenn die Welt einen dazu macht. Charles selbst verfügt über außergewöhnlich starke telepathische Kräfte, was ihn zu einem der mächtigsten X-Men der Welt macht. Dass er im Rollstuhl sitzt, hält ihn nicht davon ab, die Welt verändern zu wollen – und vor allem, von seinen Mitkämpfer:innen respektiert zu werden. Im Kino wird er von Patrick Stewart sowie James McAvoy dargestellt.
Scott Summers aka Cyclops
Auch Scott Summers alias Cyclops gehört zu den bekanntesten (und beliebtesten) Mitglieder:innen der X-Men. Der Feschak kann elektromagnetische Strahlen aus seinen Augen schießen, außerdem ist er ein hervorragender militärischer Stratege. In seiner Comic-Originstory ist von einer schweren Kopfverletzung in seiner Jugend die Rede, aufgrund derer er seine "Augen-Strahlen" nicht kontrollieren kann und deshalb stets eine Brille tragen muss, um nicht alles und jeden in seiner unmittelbaren Nähe zu zerstören.
Man kann dies als Allegorie auf neurologische Gehirnschäden lesen, die es dem/der Betroffenen unmöglich machen, bestimmte körperliche Tätigkeiten auszuführen bzw. zu kontrollieren. Seine Brille ist jedoch Teil von Cylclops Charme – und dem kann beinahe keine X-Woman widerstehen ... Im Kino wird Cyclops von James Marsden gespielt.
Cherry Darling in "Planet Terror" (2007)
Der fetzige Actioner von Regisseur Robert Rodriguez ist zwar keine Comic-Verfilmung und überzeugt weder mit intellektuellen Dialogen noch mit einer komplizierten Story, schenkt uns dafür aber eine der beeindruckendsten Action-Heroinen der vergangenen Jahre. Cherry Darling (Rose McGowan) ist eine Gogo-Tänzerin, die schlagkräftig und furchtlos (wenn auch mit einem Hauch von Nichts) gegen wild gewordene Zombies kämpft. Unterstützt wird sie dabei nicht nur von Freund:innen, sondern vor allem von einem Maschinengewehr, das sie als Bein trägt, nachdem ihr echtes von den Zombies abgerissen wurde (den Film sollte man sich nicht mit vollem Magen ansehen!).
Der "male gaze" in Cherrys Charakterzeichnung mag zwar nicht zu übersehen sein, aber immerhin zeigt sie einen beeindruckenden Kampfeswillen, als sie nach ihrem Überfall nicht in Depression versinkt, sondern beschließt, sich (buchstäblich) mit Bomben und Granaten zu wehren. "Planet Terror" mag voller absurder Szenen sein, doch Cherry wird dabei keine einzige Sekunde lächerlich gemacht, sondern geht als (wenn auch blutverschmierte) mutige Heldin aus dem Gemetzel hervor. Inspirierend – irgendwie ...
"Planet Terror" ist auf Apple TV+ und Prime Video zu sehen. Hier geht's zum Film!
Bucky Barnes aka The Winter Soldier
Der beste Freund von Captain America, immerhin die Personifizierung des US-amerikanischen Patriotismus schlechthin, lebt mit einem metallischen Arm, den er nur mit seinen Gedanken kontrollieren kann. Das mag auf den ersten Blick mega cool anmuten, im Grunde aber ist Bucky Barnes ein Mensch mit einem amputierten Körperteil und deshalb eine Person mit Beeinträchtigung.
Der Winter Soldier wird aber nicht durch seine Andersartigkeit, sondern durch seine beeindruckende Charakterentwicklung definiert: Als gehirngewaschener sowjetischer Superagent kämpft er anfangs gegen seinen ehemaligen BFF Steve Rogers, bevor er sich schließlich den Avengers anschließt und zu einem wichtigen Mitglied der mächtigsten Superheld:innen-Gruppe der Welt wird. In den Comics schlüpft Bucky sogar geraume Zeit in das Kostüm von Captain America – womit eine beeinträchtigte Person zur Metapher des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten wird.
Caine in "John Wick: Kapitel 4" (2022)
Ein "ganz besonderer" Filmheld geht noch: Der blinde Attentäter Caine (Donnie Yen) ist ein ehemaliger Freund von John Wick und taucht im vierten Film des Body-Count-Franchises auf. Ähnlich wie Daredevil macht er sein fehlendes Augenlicht durch geschärfte Sinne und perfektionierte Kampfkünste mehr als wett – wenn es um Schwerter und Schusswaffen geht, steht er Wick um nichts nach.
Weil im "Wick"-Universum die Bösen eh die Guten sind und die Guten eigentlich gar nicht wirklich existieren, lassen wir Caine als mutmachende Repräsentation der Community der Menschen mit Beeinträchtigungen durchgehen – und weil er am Ende alles riskiert, um seinen alten Freund zu retten, schließen wir ihn doch noch ins Herz. Die Post-Credit-Szene gehört dann auch noch ganz ihm.
"John Wick: Kapitel 4" ist auf Magenta TV, Sky, Apple TV+, Maxdome und Prime Video zu sehen. Hier geht's zum Film!
Hinweis: Die Produkt-Links, die zu Amazon führen, sind Affiliate-Links. Wenn du auf einen Affiliate-Link klickst und über diesen Link einkaufst, bekommen wir von dem betreffenden Anbieter eine Provision. Für dich verändert sich der Preis nicht!