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"Star Trek: Picard": Enttäuschendes Finale ruiniert den gelungenen Serienstart

"Star Trek: Picard" hat große Erwartungen geweckt. Kein Wunder, denn große Fußstapfen waren auszufüllen. Und auch die Zeiten hatten sich geändert: Eine durchgehende Erzählweise und hochkarätige Umsetzung bei Besetzung, Drehbuch und Ausstattung haben die episodenhaften Kurzgeschichten alter TV-Serien mit ihren begrenzten Umsetzungsmöglichkeiten im Studio abgelöst. Erstklassig umgesetzte und erzählte Serien sind heute das neue Kino.

Doch die Rückkehr von Patrick Stewart in seine Paraderolle als Sternenflotten-Kapitän Jean-Luc Picard hat die Augen der Fans vor Freude und Nostalgie glänzen lassen. Tatsächlich begann die Reise des neuen, in die Jahre gekommenen Picards vielversprechend. "Star Trek: Picard" nahm sich viel Zeit für die Entwicklung des Charakters und das World-Building. Nach 18 Jahren TV- und Kino-Abstinenz war das auch notwendig. Vor den glasigen Augen der Fans wurde ein neues Trekkie-Universum aus der Taufe gehoben, das nicht nur ein wenig düsterer und realistischer erschien, sondern auch vielschichtige Geschichten mit mehreren Schauplätzen und Handlungsdimensionen versprach. Nicht zuletzt wurde auch die Nostalgie der Fans kräftig bedient, aber dagegen ist ja an sich nichts einzuwenden.

Trotz des guten Starts fällt unser Resümee zu "Star Trek: Picard" nach dem Finale aber eher negativ aus: Schon auf halbem Weg wurden die hohen Erwartungen durch viele erzählerische Unstimmigkeiten gedämpft. Die enttäuschende Auflösung der aufgebauten Geschichte macht die guten Anfänge leider zunichte und lässt uns mit einem bitteren Nachgeschmack zurück.

Aber bevor wir ins Detail gehen: SPOILER-ALARM! Wer das Finale von "Star Trek: Picard" noch nicht gesehen hat, sollte an dieser Stelle unverzüglich die Schutzschilde hochfahren.

 

Deus ex machina

Nicht zum ersten Mal bemängeln wir die schlampige Schreibweise, die Showrunner Michael Chabon und sein Autorenteam an den Tag legen. Während in den ersten drei Episoden in einer dichten Erzählung in die neue Welt von "Star Trek" eingeführt und die Entwicklung des titelgebenden Charakters spannend vorangetrieben wurde, ging es mit der Qualität der Plots spätestens ab der fünften Episode bergab.

Immer öfter gaben Unstimmigkeiten Grund zum Kopfschütteln: Plots wurden vielversprechend aufgebaut, nur um dann plötzlich aus heiterem Himmel aufgelöst zu werden, oft auch im Widerspruch zu dem, was zuvor gezeigt wurde. Dafür gibt es den Begriff des "Deus ex machina", einen Gott aus der Maschine. Diese Bezeichnung bezeichnet heute eine Figur oder Begebenheit in einer Geschichte, die wie aus dem Nichts auftaucht und den aufgebauten Konflikt auflöst. Während der aus heiterem Himmel auftauchende Gott im Theater der alten Griechen ein anerkanntes Stilmittel war, gilt sein Einsatz heute eher als Zeichen dafür, dass den Autoren für ihre zuvor mysteriös aufgebaute Geschichte keine schlüssige Auflösung eingefallen ist. Ein "Deus ex machina" ist dann ein billiges Mittel, um die Story schnell und einfach zum Abschluss zu bringen.

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Ein Beispiel dafür ist im Finale etwa das Auftauchen der Sternenflotte in letzter Sekunde. Aber nicht deshalb, weil Riker mit der Kavallerie gerade noch rechtzeitig auftaucht, um die Auslöschung der Androiden zu verhindern. Das ist ja durchaus gute alte Tradition bei "Star Trek", obwohl es heute kaum noch so funktionieren dürfte wie in den alten Serien. Nein, ein "Deus ex machina" ist diese Konfrontation zwischen Romulanern und Sternenflotte deshalb, weil die Zhat Vash unter dem Kommando von Commodore Oh einfach abziehen.

Wollen wir die Situation einmal rekapitulieren: Ein uralter extremistischer Geheimbund, der schon vor 14 Jahren eine Attacke auf den Mars eingefädelt hat (bei dem 90.000 Menschen starben), und dessen oberste Mission die Vernichtung der Androiden auf dem Planeten vor ihnen ist, den sie so lange gesucht haben ... diese Extremisten brauchen erst eine kleine Ewigkeit, um das Feuer zu eröffnen, und weichen dann zurück, weil Riker einen Cowboy-Spruch loslässt. Commodore Oh ist dafür sogar aus ihrer Deckung als Sicherheitschefin der Sternenflotte gekommen.

Never ever! Das widerspricht allem, was wir eine ganze Staffel lang über die Zhat Vash erfahren haben. Es dient nur dazu, eine Abkürzung zu nehmen und den Konflikt im Eiltempo aufzulösen. Deus ex machina.

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Auch Seven (Jeri Ryan) ist ein weiteres Beispiel: Sie wurde vor allem als Plot-Tool, aber einmal auch als "Deus ex machina" eingesetzt: Wie aus dem Nichts tauchte sie im Borg-Kubus auf und beendete den Handlungsstrang im Kubus. Die Borg waren nur Effekthascherei. Sie hatten keine echte Bedeutung für die Geschichte, obwohl eine Rückführung der Zhat Vash auf die Borg tausendmal interessanter und ergiebiger für das Trekkie-Universum gewesen wäre als eine überlegene KI-Spezies – womit wir beim Gott aus der Maschine in einer ganz anderen Form wären.

 

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Der Gott aus der Maschine

In der siebenten Episode erfahren wir, warum der romulanische Geheimbund der Zhat Vash schon seit ewigen Zeiten nach der Vernichtung jeglicher künstlicher Intelligenz (KI) trachtet: Die Romulaner – oder besser gesagt: die extremistische Gruppierung der Zhat Vash – glauben der Botschaft einer lange untergegangenen Zivilisation zu folgen, die vor der Vernichtung durch eine überlegene künstliche Intelligenz warnt. Wie so oft haben die Fundis die Botschaft vollkommen falsch interpretiert.

Bis hierher wäre die Geschichte vielversprechend und faszinierend gewesen: Denn was ist aus der überlegenen AI geworden? Welche Zivilisation wurde von ihr vernichtet? Mit Blick auf das großartige World-Building der ersten drei Episoden hätte das der Anfang einer epischen (also breitausladenden, über mehrere Staffeln laufenden) Erzählung werden können, die tief in die Geschichte des "Star Trek"-Universums eintaucht.

Doch es kommt anders, denn die Borg waren nur Easter-Eggs für die Fans oder eher irreführende Kuckuckseier im Trekkie-Nest. In der vorletzten Episode wird nämlich klar, dass es sich vielmehr um eine Botschaft der offenbar tatsächlich potenziell aggressiven KI handelt: Sie werde neuen KI-Lebensformen zu Hilfe eilen, wenn sie (an)gerufen wird – mit der Option die organischen Unterdrücker zu vernichten.

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Wie schon bei "Star Trek: Discovery" wird nur mit den Erwartungen des Publikums gespielt. Die Borg sind nur eine falsche Fährte. Stattdessen wird ein mysteriöser KI-Gott kreiert, der irgendwo im Verborgenen lauert und jederzeit zuschlagen kann. Dieser Gott aus der Maschine ist das Paradebeispiel eines "Deus ex machina", denn die künstlichen Götter sind ohne viel erzählerischen Aufwand schnell da und schnell wieder weg. Soji kann sie rufen und auch einfach wieder zurückpfeifen. Alles klar. Die überlegene KI lässt sich fernsteuern. Nein danke, heute nicht. Bleibt schön zuhause. Beim nächsten Mal vielleicht. Noch dazu sind es dann lächerliche Techno-Aale, die sich durch eine Raumöffnung winden. Spannung aus der Konservendose. Wie einfallslos! Wie billig!

Erst im Finale wird so richtig klar, was für eine dumme Idee diese mysteriöse KI-Spezies in Wirklichkeit ist. Denn wie sollen diese Superroboter denn wissen, dass Soji es sich doch anders überlegt hat? Könnte ja sein, dass die bösen Organischen den Kontakt unterbrochen haben. Werden also die alles vernichtenden Aale doch noch kommen? Wetten wir, dass wir sie nie wieder sehen werden? Sie sind einfach nur eine unkreative Verlegenheitslösung, um die Geschichte abzuschließen.

Völlig unverständlich, wieso die Autoren mit so einer abstrakten Bedrohung überhaupt arbeiten, wenn eine großartige KI-Spezies wie die Borg mit jeder Menge Geschichte im "Star Trek"-Universum bereits existiert? Wäre es nicht viel spannender gewesen, wenn die Angst der Zhat Vash tatsächlich auf eine von den Romulanern entdeckte Warnung einer alten Kultur zurückgegangen wäre – und wenn diese alte Kultur die Borg erschaffen hätte und von ihnen vernichtet worden wäre? Und welche Beziehung haben die Romulaner mit den Borg? Warum wurden nur so wenige Romulaner jemals von den Borg assimiliert? Alles nur lose Enden, die von den Serien-Autoren nicht aufgegriffen werden. Wofür? Um die erste Staffel mit einer banalen Auflösung schnell abzuschließen, anstatt Stoff für weitere Staffeln zu haben. Dabei hätte man die Suche nach Data und die Heimkehr von Soji auch ohne diese absurde Neuschöpfung erzählen können. Die KI-Götter und ihre Techno-Aale sind einfach unwürdig. So wird "Star Trek" sicherlich nicht in die Oberliga der erstklassigen TV-Serien aufrücken. Die erste Staffel von "Star Trek: Picard" ist im Kleinen, was "Lost" als Serien ist: eine Enttäuschung aufgrund der vielen aufgebauten, aber nicht aufgelösten Handlungsstränge und Andeutungen, die nirgendwo hinführen.

 

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Die Auferstehung des Jean-Luc Picard

Mindestens ebenso ideenlos wie die KI-Götter sind auch der Tod und die Auferstehung von Jean-Luc Picard. Verständlich wäre es immerhin gewesen, wenn so ein jüngerer Darsteller in die gigantischen Schuhe von Patrick Stewart treten hätte sollen. Doch an diese (wahrlich gewagte) Idee traute sich wohl niemand heran. Es hätte mit Sicherheit auch einen Aufschrei in der Fangemeinde ausgelöst. Da aber Patrick Stewart auch in der bereits angekündigten zweiten Staffel den jetzt eigentlich nicht mehr so alten Picard spielen wird, kann diese Auferstehung als Synth nur als Epic Fail und erneut als Paradebeispiel eines "Deus ex machina" bezeichnet werden. Und zwar aus zweifacher Hinsicht:

Zum Ersten widerspricht es dem Charakter wie er in dieser Serie aufgebaut und dargestellt wurde. Das Abschiedsgespräch mit Data im digitalen Nirvana betont den unschätzbaren Wert der Vergänglichkeit als wesentliches Element des Lebens. Auch Picard wurde als alter Mann charakterisiert, der diese Sichtweise teilt. Aber gut, dieser Aspekt ist wohl Ansichtssache und auch Picard kann seine Meinung ändern. Doch alleine der aus dem Hut gezauberte Picard-Golem offenbart, dass es sich wieder um einen "Deus ex machina" handelt: Nur um ordentlich auf die Tränendrüse zu drücken, aber die Fans bloß nicht zu verärgern, stirbt Picard einen emotional durchaus gut inszenierten Tod, um dann als Synth wieder aufzuerstehen. Jämmerliche Effekthascherei wie so oft in den "Star Trek"-Serien unter der Ägide von Alex Kurtzman ("Discovery" und "Picard").

Zum Zweiten bedeutet die Golem-Technologie ewiges Leben. Denn anders als bei der Frau von Data-Schöpfer Noonian Soong handelt es sich hier nicht um ein Unikat, sondern um eine Technologie, die reproduziert werden kann. Ja, schon klar, dass den Autoren irgendwelche findigen Erklärungen einfallen werden, damit auch der synthetische Picard ein nicht reproduzierbares Unikat bleibt. Aber es steht im Widerspruch zur zuvor erzählten Geschichte. Alles was auf Coppelius geschaffen wurde ist reproduzierbar, alles andere ist einfach Lazy Writing. Somit wurde mit dieser erzählerischen Krücke, die nur den zuvor effekthascherisch inszenierten Tod Picards rückgängig machen soll, das ewige Leben als Maschine ins "Star Trek"-Universum gebracht.

 

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Effekthascherei statt gut erzählter Geschichten

Was man aus diesem Thema machen kann, hat die großartige Netflix-Serie "Altered Carbon" bereits gezeigt. Doch in das idealistische Trekkie-Universum passt so ein morbides Thema nicht wirklich. Egal. Denn auch die Golem-Technologie wird mit ziemlicher Sicherheit nicht weiterverfolgt werden. Es ist eben nur ein nützlicher "Deus ex machina", nur gut um die Geschichte abzukürzen und schnell zum Ende zu bringen. Zwar erinnert die letztlich einfach gestrickte Handlung an die episodenhaften Geschichten der alten Serien, aber mit der schnellen Auflösung haben sich die Produzenten auch dagegen entschieden, sich auf eine epische Geschichte über mehrere Staffeln einzulassen (mit oder ohne Patrick Stewart als Picard). Doch solange "Star Trek" immer nur den schnellen und einfachen Weg geht und billige Effekthascherei über konsequent erzählte Geschichten stellt, wird die Serie nie an die Qualität, die Spannung und die Freude mit hochkarätigen Serien wie "Altered Carbon" und "Game of Thrones" herankommen. Das ist sehr, sehr bedauerlich!