Star Trek Discovery: Waghalsige Rettungsaktion mit Knalleffekt
Von Erwin Schotzger
Die Rettungsaktion für die junge Kadettin Sylvia Tilly steht im Mittelpunkt der Episode "Die Heiligen der Unvollkommenheit" (Originaltitel: "Saints of Imperfection"). Sie wurde am Ende der letzten Folge von der Lebensform aus dem Myzel-Netzwerk entführt, die ihr zuvor als Schulfreundin May erschienen war. Darüber hinaus hält diese Episode auch zwei wichtige Überraschungen bereit.
SPOILER-ALARM! Wer die Folge "Die Heiligen der Unvollkommenheit" von "Star Trek: Discovery" noch nicht gesehen hat, sollte spätestens jetzt unverzüglich den Rückzug antreten.
Gewagte Rettungsaktion für Tilly
Es ist diesmal Stamets, der nicht aufgibt und eine Möglichkeit zur Rettung von Tilly findet. Sie ist nicht tot. Ihr Körper wurde nur ins Myzel-Netzwerk transferiert, denn Masse verschwindet nicht im Universum. Das ist ein Naturgesetz. Und wichtige Charaktere sterben nicht im "Star-Trek"-Universum. Auch ein Naturgesetz!
Stamets und Burnham überreden Captain Pike daher zu einer waghalsigen Rettungsaktion, die einen Stopp der USS Discovery im Myzel-Netzwerk vorsieht. Bei einem Sprung verweilt die Discovery sonst nur für den Bruchteil einer Sekunde dort. Ein längerer Stopp ist gefährlich, weil die Spezies, der May angehört, sofort beginnt das Schiff abzubauen. Captain Pike bringt trotzdem die gesamte Besatzung in Lebensgefahr: Niemand wird zurückgelassen. Immerhin ist der Mann – im Gegensatz zu seinem Vorgänger – ein echter Sternenflotten-Captain wie er im Buche steht. Aber ganz ohne Ironie: Anson Mount als Captain Pike ist tatsächlich der größte Gewinn für die Serie in dieser Staffel.
Für die Mission bleibt wieder einmal exakt eine Stunde. Keine Sekunde mehr. Weniger kommt aus spannungstechnischen Gründen überhaupt nicht in Frage. Das ist wohl auch der Grund, warum die wesentliche Aktion in den letzten drei Minuten dieser kritischen Zeitspanne stattfindet. Natürlich sind die Schäden an der Raumschiffhülle wie von Zauberhand verschwunden, sobald die Mission in letzter Sekunde geschafft wurde. Auch ein Naturgesetz im "Star Trek"-Universum. Und auch das ist gar nicht negativ gemeint: Schwächen bei der Charakterentwicklung wie in der letzten Folge stören (zumindest mich) wesentlich mehr, als diese Trash-Elemente, die irgendwie zum "Star Trek"-Feeling gehören.
Im Myzel-Netzwerk wird Tilly rasch gefunden. Doch es gibt Komplikationen, wie sollte es anders sein. Die liebenswerte Sylvia Tilly hat sich mit ihrer Entführerin schon angefreundet, die noch in der letzten Folge ziemlich bösartig dargestellt wurde. Sie hat May versprochen, ein Monster zu erledigen. Es droht das Myzel-Netzwerk und seine Bewohner zu zerstören. Doch das Monster ist Dr. Hugh Culber, der in der ersten Staffel von Ash Tyler ermordete Lebensgefährte von Stamets. Die Erklärung für seine Existenz im Myzel-Netzwerk wie auch seine Rückkehr auf die USS Discovery sind durchaus im Rahmen der Logik, die man von "Star Trek" gewöhnt ist.
Culber ist zurück
Dr. Culber ist also wieder zurück. Aber wer hat ihn eigentlich wirklich vermisst? Die fast schon an ein altes Ehepaar erinnernde Liebesbeziehung zwischen Stamets und Culber wurde in der ersten Staffel ebenso überzeichnet dargestellt wie die romantische Beziehung zwischen Burnham und Ash Tyler. Oder glaubt irgendjemand, dass echte Paare so miteinander reden und Gefühle in gekünstelten Metaphern vergangener Erlebnisse austauschen? Schon klar, die Charaktere Stamets und Culber erweitern die Diversität der "Star Trek"-Charaktere mit Blick auf vergangene Kritik an mangelnden LGBT-Themen. Doch die Antwort hätte auch weniger klischeehaft ausfallen können. Nun da Hugh zurück ist, bleibt zu hoffen, dass Beziehungen an Bord der USS Enterprise ein wenig realistischer dargestellt werden – nicht nur jene zwischen Stamets und Culber. Denn Ash Tyler ist ebenfalls zurück!
Zahme und gar nicht geheime Sektion 31
Die zweite Überraschung dieser Episode ist nicht alleine die Rückkehr von Ash Tyler auf die USS Discovery. Vielmehr ist die Sektion 31 die eigentliche Überraschung. Denn in "Star Trek: Discovery" ist die Sektion 31 nicht so supergeheim, korrupt und skrupellos wie wir sie aus "Deep Space Nine" kennen. Dort war sie an keinerlei Regeln der Föderation gebunden und selbst bei höheren Offizieren unbekannt. In "Star Trek: Discovery" ist die Sektion 31 hingegen eher eine Art Geheimdienst der Föderation. Gerüchte von "schwarzen Abzeichen" und einem mysteriösen Geheimdienst sind selbst bei niederen Rängen bekannt. In dieser Episode stellt sich sogar heraus, dass es sich bei der Sektion 31 um eine ganz offizielle Einheit handelt, die durchaus der Jurisdiktion und den Regeln der Föderation unterliegt. Sogar ein Verbindungsoffizier wird auf die Discovery geschickt, nämlich Ash Tyler. Das ist nicht nur neu, sondern sogar ziemlich unlogisch. Wieso sollte eine mysteriöse geheime Organisation einen für die gesamte Crew sichtbaren offiziellen Vertreter an Bord schicken? Noch dazu in schwarzem, pseudo-coolem Leder-Outfit, damit es wirklich jeder merkt. Und dann noch dazu jemanden, der an Bord schon allen bekannt ist. Nicht wirklich gut durchdacht von den Serien-Autoren.
Aber gut, bei dieser Episode handelt es sich um die letzte Episode der beiden Showrunner Gretchen Berg und Aaron Harberts, die aufgrund ihrer Differenzen mit dem Autorenteam der Serie gefeuert wurden. Ab der nächsten Folge hat wieder Alex Kurtzman das Zepter bei "Star Trek: Discovery" in der Hand.
Außerdem befinden wir uns rund 100 Jahre vor "Deep Space Nine". Da passt es durchaus, dass Imperator Philippa Georgiou aus dem Spiegel-Universum nun Mitglied der Sektion 31 ist. Sie agiert auch schon so, als ob sie die Chefin wäre. Es ist daher durchaus vorstellbar, dass Georgiou den Geheimdienst zu der korrupten und skrupellosen Organisation macht, die wir in "Deep Space Nine" kennengelernt haben. Immerhin wird Michelle Yeoh als Georgiou dafür eine eigene Spin-Off-Serie bekommen. Schwierig ist lediglich die Frage zu beantworten, wie die Sektion 31 in Vergessenheit geraten soll?