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Ruzowitzky-Interview: "Ohne einen Star kannst du nicht drehen"

Diese Woche startet die Romanverfilmung von Hermann HessesNarziss und Goldmund“ in unseren Kinos. Für Regie und Drehbuch war der österreichische Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky verantwortlich. Der gebürtige Wiener schafft es einen großen Abenteuerfilm von internationalem Format zu kreieren und dabei Herz und Hirn anzusprechen. Wir haben mit ihm über die Schwierigkeiten bei der Umsetzung und die Tücken des internationalen Filmgeschäfts gesprochen.

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Wie kamen Sie auf die Idee, Hermann Hesses Roman zu adaptieren?

Wie viele, habe ich das Buch als Teenager gelesen und fand es damals großartig. Ich hatte daraufhin eine kurze Hesse-Phase, die sich dann aber auch wieder gelegt hat. Als vor ein paar Jahren die Anfrage kam, ob ich das Buch verfilmen möchte, war ich sofort Feuer und Flamme für das Projekt. Eine Verfilmung ist natürlich immer eine Interpretation und ich glaube, da ist es keine schlechte Voraussetzung, wenn man das Buch liebt und der Stoff eine Bedeutung für einen hat. Dann kann man auch mit dem notwendigen Respekt  an die Umsetzung rangehen.

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Was waren die größten Schwierigkeiten bei der filmischen Umsetzung des Stoffes?

Zu allererst muss man die Geschichte stark verkürzen, weil man einfach nicht die Zeit und den Raum hat, alle Details unter einen Hut zu bringen. Man muss es in das andere Medium übertragen und dramatisieren. Gerade bei „Narziss und Goldmund“ sind am Anfang endlose Gedanken von Narziss, für die man Bilder finden muss, damit man sie szenisch umsetzen kann. Eines der Probleme war, dass es im Buch keine konkreten Szenen gibt, die ihre Freundschaft beschreiben. Sie beobachten sich am Anfang und denken sich „Ah, der ist nett, mit dem wäre ich gerne befreundet“ und dann sind sie plötzlich befreundet. Man muss schauen, was für Szenen man dazu erfindet, ohne die literarische Vorlage zu verraten. Das ist immer ein Balanceakt.

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Das Buch erschien 1930. Wie sind Sie mit den Dialogen und der Sprache von damals umgegangen?

Mit den Dialogen habe ich mir Freiheiten genommen. Ich habe aber versucht, viele Originalzitate hineinzuschwindeln und habe große Freude daran gehabt, wenn ich es geschafft habe, einen tiefsinnigen philosophischen Gedanken von Hesse in Stellen zu verpacken, wo man sie normalerweise nicht erwartet hätte. Es war definitiv eine Schwierigkeit, einen konsistenten Sprechstil für alle Figuren zu erzeugen. Der Hesse-Stil ist ein bisschen veraltet und man könnte ihn heute nicht mehr eins zu eins übernehmen, aber wie gesagt, bei den wichtigen Gedanken Hesses habe ich versucht, nah an der Vorlage dranzubleiben.

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Der Film überzeugt auch durch einen starken Cast. Wie haben Sie ihre Schauspieler gefunden?

Jannis (Niewöhner) war als Goldmund schon relativ früh klar, weil er einfach als Typ sehr gut gepasst hat. Wir haben Glück gehabt, dass er mittlerweile wirklich auch einige tolle Karrieresprünge hingelegt hat und sich auch schauspielerisch gewaltig weiterentwickelt hat. Sabin haben wir relativ lange gesucht und jetzt ist es so, dass man sich kaum jemanden anderen als Sabin für Narziss vorstellen kann.

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Sie vereinen in knapp zwei Stunden Laufzeit unglaublich viele verschiedene Stimmungen und Stilrichtungen. Goldmund scheint von einer Welt in die nächste zu kippen. Was waren Ihre Gedanken dahinter?

Das war so ein bisschen die selbstgesteckte Aufgabe. Goldmund antwortet einmal im Film auf die Frage „Was ist dir passieret?“ mit „Mehr als in ein Leben passt“. Mein Anspruch war, dass ich eine ganze Welt, ein ganzes Leben erzählen möchte, deswegen haben wir auch im Film diesen Baum, der im Winter, im Herbst und im Sommer gezeigt wird. Also dass man wirklich das Gefühl hat, dieser Goldmund zieht hinaus in die Welt und will alles erleben und alles sehen. Wir haben den einzelnen Episoden auch eigene Farbwelten gegeben. Beim Burgherren haben wir uns stilistisch an den 50er Jahren orientiert, bei Meister Niklas an den 60ern, dann war bei der Lina die Hippiezeit angesagt und am Schluss im Künstlerloft waren es die 80er und 90er Jahre. Diese unterschiedlichen Stimmungen waren bewusst gesetzt, um eben diesem Ganzheitsanspruch irgendwie Genüge zu tun.

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Sie haben eine facettenreiche Filmografie und lassen sich weder auf einen Stil noch auf ein Genre festlegen. Fällt es Ihnen schwer, bei so vielen unterschiedlichen Projekten ihre künstlerische Vision beizubehalten?

Ich glaube in den kommenden Jahrhunderten, wenn die Filmwissenschaftler meine Filme analysieren, werden sie auf erstaunlich viele Parallelen draufkommen. Auch auf gewisse Themen, die immer wieder vorkommen, aber halt in unterschiedlichen Genres. Ich habe schon von Anfang an immer den Hang zu großen Gefühlen und zu großen dramatischen Gesten gehabt, ob ich das jetzt in einem Holocaustfilm oder in einem Horror- oder Actionfilm erzähle, ist für mich nicht der große Unterschied. Als Handwerker, als der ich mich ja gerne immer sehe, ist es natürlich spannend, wenn man sich in verschiedenen Genres ausprobieren kann. Ich habe es ja immer gesagt und sage es immer noch so: Die Königsdisziplin ist für mich die Komödie. An die werde ich mich sicher auch einmal herantrauen, aber warte noch auf das unwahrscheinlich geniale Drehbuch oder Konzept dafür.

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Sie haben sowohl Filme in Österreich als auch im Ausland gedreht. Was ist der Unterschied zwischen heimischen und internationalen Filmsets?

Am Set gibt es relativ wenig Unterschiede und interessanterweise macht es nicht einmal einen großen Unterschied, ob das  Budget groß oder klein ist. Es macht eher einen Unterschied, ob der Produzent gut oder schlecht ist, weil manche Produzenten es schaffen, ein sinnvolles Budget zu stricken, mit dem man gut arbeiten kann und andere trotz eines Riesenbudgets verlangen, dass man Dinge aus Kostengründen streicht oder anfragen, ob man eine Verfolgungsjagd nicht mit einem Auto machen kann. Die großen Unterschiede zwischen österreichischen und internationalen Produktionen liegen bei der Finanzierung. International läuft die Finanzierung ganz stark über die Starpower. Ich habe jetzt so ein Projekt, das ist finanziert, aber mit der Auflage, dass man die entsprechende Starpower mitbringen muss, wenn du den Starschauspieler nicht kriegst, dann kannst du nicht drehen.

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Bei der diesjährigen Oscar-Verleihung hat mit „Parasite“ erstmals ein nicht englischsprachiger Film den Oscar für den besten Film bekommen? Was ist Ihre Meinung zu der vergangenen Oscar-Verleihung?

Das ist schon ein Paradigmenwechsel, bei dem ich noch nicht genau weiß wie man den beurteilen soll. Was ich im Gegensatz zu vielen anderen schade finde, ist, dass sich die Oscars an die Filmfestspiele von Cannes und Venedig anpassen, das war bei den fremdsprachigen Filmen in den vergangenen Jahren schon so.  Früher waren die Oscar nominierten Filme halt immer die populäreren, breiter aufgestellten, gefälligeren Filme wie „Titanic“. Einerseits ist es gut für nicht amerikanische Regisseure, wenn jetzt die Oscars dem Filmfestival von Cannes nachhoppeln, andererseits geht dadurch auch ein bisschen was an Vielfalt verloren. „Parasite“ ist ein toller Film, wobei ich dieses Jahr alle gut, fand aber keinen so unwahrscheinlich überragend, aber es ist interessant, dass da was in Bewegung kommt.

Haben Sie bereits ein nächstes Projekt in Planung?

Ich habe noch nie so viele Anfragen und Angebote bekommen. Es gibt viel zu tun. Es gibt Projekte in Deutschland und international, Serien und Kinofilme, da ist zur Zeit echt Goldgräberstimmung - für mich eine luxuriöse Situation. Ich habe in den letzten fünf Jahren jedes Jahr ein großes Projekt gemacht. Ich fände es auch nett, mich zurück zu ziehen, unter eine Palme zu setzen und was zu schreiben.