Sind die krassen Sexszenen in "Pleasure" echt?
Von Manuel Simbürger
Dass sich Sex immer noch großartig verkauft, hat dieses Jahr zuletzt der zweite Teil des Erotik-Unsinns "365 Days: Dieser Tag" auf Netflix bewiesen, der einmal mehr für sehr zufriedenstellende Streaming-Zugriffe sorgte.
Auch Konkurrent Amazon Prime Video hoffte auf sensationelle "Quoten" und holte den Film "Pleasure" ins Streaming-Boot, der seit kurzem im Prime-Abo inkludiert ist und somit AbonentInnen kostenlos zur Verfügung stellt. Diesmal ging die Rechnung aber nur zur Hälfte auf:
Während sich KritikerInnen durchaus begeistert zeigten, dümpelt der Streifen bei den UserInnen selbst unterhalb der Wahrnehmungsgrenze dahin und wird weitestgehend ignoriert. So kann man "Pleasure" aber wenigstens noch als Geheimtipp bezeichnen. Und das ist er wirklich.
Darum geht's in "Pleasure"
Denn das schwedische Drama von Regisseurin Ninja Thyberg, mehrfach preisgekrönt und Teil der offiziellen Auswahl der Filmfestspiele von Cannes 2020, balanciert gekonnt auf der schmalen Grenzlinie zwischen Lust und Last des Ansehens, offenbart Abgründe der Pornoindustrie und somit auch der menschlichen Seele.
Thyberg offenbart einen schonungslosen Blick auf ein männerdominertes Business um Lust, Gewalt und Macht. Ihr authentisches Langfilmdebüt, das aus konsequent weiblicher Perspektive erzählt wird, besetzte sie mit Ausnahme der Hauptrolle mit echten DarstellerInnen und Größen der Branche.
Im Mittelpunkt steht die 19-jährige Linnéa, die ihren Heimatort, eine schwedische Kleinstadt, hinter sich lässt und nach Los Angeles zieht, um als "Bella Cherry" der nächste große Pornostar zu werden. Doch der Weg dahin ist steiniger und vor allem gnadenloser als erwartet. "Bella Cherry" erkennt, dass sie nur eine Chance hat, wenn sie ausnahmslos alles tut, was von ihr verlangt wird – selbst wenn dies Erniedrigung und Schmerz bedeutet.
Ist der Sex im Film echt?
Für Aufsehen sorgte der Film nicht zuletzt wegen seiner sehr authentischen, sehr expliziten und oft sehr schwer verdaulichen Sexszenen, bei denen mehr Selbstreflexion und Kritik am patriarchalen System als Voyeurismus und Geilheit im Vordergrund stehen. Trotzdem fragt man sich natürlich: Ist der Sex, den wir im Film zu sehen bekommen, echt? Denn die Szenen wirken auf jeden Fall so, als wäre er es.
Und bevor ihr die Augen verdreht: Die Überlegung ist durchaus berechtigt, denn es gibt etliche Filme, in denen der Sex nicht simuliert, sondern die SchauspielerInnen tatsächlich echten Geschlechtsverkehr (und alles, was dazu gehört) hatten:
Regisseurin Thyberg sprach mit der "Los Angeles Times" über ihren Film und die Dreharbeiten. Sie berichtet davon, dass – und das ist durchaus überraschend – die Sexszenen trotz der "echten" Porno-Stars, die in "Pleasure" zu sehen sind, gestellt sind. Der Sex in "Pleasure" ist somit nicht echt. Das kann man nun enttäuschend finden oder nicht, aber an der intensiven Wirkung des Films ändert dieses Wissen nichts.
Thyberg und andere DarstellerInnen erklären, dass die Intimität und Authentizität der Sexszenen im Film aufgrund genau erarbeiteter Choreographien und ausführlichen Gesprächen mit Hauptdarstellerin Sofia Kappel möglich waren, aber auch aufgrund von speziellen Kameraperspektiven und einem trickreichen Schnitt.
Das Gefühl der Sicherheit stand an erster Stelle
Die Regisseurin recherchierte für den Film viele Jahre in der Pornoindustrie, die Sexszenen wurden bereits 2018 gedreht. Deshalb gab es am Set auch keine/n InimitätskoordinatorIn, wie es heute bei solchen Szenen eigentlich üblich ist – schlicht, weil Thyberg damals noch nie von dieser Möglichkeit gehört hatte.
"Also habe ich diesen Job gemacht, ohne zu wissen, was es war oder Erfahrung damit zu haben", so die 37-Jährige im Interview. "Aber ich habe auch darauf geachtet, andere um mich herum zu haben, die mir dabei helfen. Wir waren dieser enge kleine Kreis von wichtigen Abteilungs- und BesatzungsmitgliederInnen. Und die meisten von uns waren Schwedinnen und Frauen, also achteten alle wirklich auf [Sofia] und sorgten dafür, dass sie sich immer wohlfühlte.“
Dass Sofia Kappel schon in einer sehr frühen Produktionsphase gecastet wurde, half zusätzlich, ein Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens während der Dreharbeiten zu erschaffen, so Thyberg weiter. "Wir wussten natürlich vorher, dass es sehr schwierig wird. Deshalb haben wir viel vorbereitet. Da [Sofia] so früh an Bord war und zu sich diesem Zeitpunkt so mit der Geschichte beschäftigte und sie unbedingt erzählen wollte, waren wir in dem, was wir taten, sehr synchron. Sie wusste, was dieser Film war, aber es war sehr wichtig, dass sie sich immer sicher fühlte."
"Pleasure" ist auf Amazon Prime Video zu sehen. Hier geht's direkt zum Film!
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