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"Moon Knight": Darum ist die Darstellung von Mental Health so wichtig

Es gibt viel, was "Moon Knight" von anderen Marvel-Serien unterscheidet. Zum Beispiel, dass ein neuer Held erstmals in Form einer Serie ins MCU eingeführt wird. Auch die Tonalität von "Moon Knight" ist um einiges düsterer, die Figuren um einiges komplexer als zum Beispiel in "Hawkeye" oder gar in "WandaVision". Auch den Genre-Mix (Agenten-Thriller, Horror, Mystery, Comedy) kennt man in dieser Form noch nicht aus dem weitläufigen MCU.

Vor allem aber ist es ein Aspekt, der "Moon Knight" so besonders macht. Der der Serie eine Art von Wiedererkennungswert anhaften lässt, von der man noch lange sprechen wird. Und der viele, viele Menschen da draußen im tiefsten Inneren berühren (vielleicht gar mehr, als sie es ihnen lieb ist) und ihnen im besten Falle sogar helfen wird. Und der einmal mehr beweist, dass in Popkultur die gesellschaftliche Macht steckt, auf Tabuthemen aufmerksam und sie vor allem verständlich zu machen.

"Moon Knight" setzt sich nämlich intensiv mit dem Thema der mentalen Gesundheit auseinander. Das klang auch schon in den bisherigen MCU-Serien an (wie der Twitter-Kanal @eesfamily hervorragend analysiert): In "WandaVision" kämpft die Titelheldin gegen ihre Trauer an. Clint Barton in "Hawkeye" wird von massiven Schuldgefühlen verfolgt, Bucky Barnes in "The Falcon and the Winter Soldier" leidet unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung und einem zerstörten Selbstbewusstsein. Und Lokis Narzissmus ist das Produkt von Kindheitstraumata. 

"Moon Knight" aber stellt dieses Thema selbstbewusst in den Fokus, inmitten all der Action-, Grusel- und Mindfuck-Elemente, von denen die Serie zwar lebt, die sie aber nicht zum Leben erweckt. Denn die Seele, das Herz und der Verstand von "Moon Knight" sind genau das: Seele, Herz und Verstand. Aber sie sind gebrochen. 

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Dissoziative Identitätsstörung

"Moon Knight" handelt bekanntlich von Steven Grant (Oscar Isaac), einem gutmütigen, aber auch etwas ziellosen und übervorsichtigen Zeitgenossen. Steven leidet (und ja, das tut er wirklich!) an einer dissoziativen Identitätsstörung (DIS) und teilt sich seinen Körper mit gleich mehreren Persönlichkeiten: dem mutigen Söldner Marc Spector, dem Batman-Verschnitt Moon Knight und dem charismatischen Mr. Knight, dem lässigen Fashionista mit dem ultimativen Swag. In den Comics sind es sogar noch mehr.

Und das ist nur eine oberflächliche Zusammenfassung der Story. 

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Steven ist sein innerer Dämon

Im Rahmen der Promo-Tour zur Serie wurden die MacherInnen nicht müde zu betonen, wie wichtig ihnen das Thema der mentalen Gesundheit ist. So wurden sie am Set stets von einem Psychiater und DIS-Experten unterstützt, um Stevens geistigen Zustand so authentisch und mit dem größtmöglichen Respekt wie nur möglich darzustellen. 

Das liegt zum einen in der Natur der Sache: Die "Moon Knight"-Comics sind seit jeher bekannt dafür, seinen Helden über seine psychische Krankheit zu definieren, diesem Thema genauso viel Platz einzuräumen wie der authentischen Darstellung von ägyptischer Kultur oder den fetzigen Action-Szenen.

Stevens DIS beeinflusst seinen Alltag, sein Tun, sein Denken, seine Beziehungen. Klar: Jede/r SuperheldIn hat mit seinen/ihren inneren Dämonen zu kämpfen. Bei Steven/Moon Knight kommen diese Dämonen aber tatsächlich von ihm selbst, haben keine externen Gründe (wie die Ermordung eines geliebten Menschen). Steven ist sein innerer Dämon. Die Krankheit ist hier keine Metapher, sondern harte Realität. Nicht zwischen, sondern auf den Zeilen erzählt. Der Subtext wird zum Text.

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Eine reale Superkraft

Einen Menschen (und sei er auch nur fiktiv) über seine Defizite zu definieren, ist natürlich niemals der richtige Weg zur Gleichberechtigung und einem friedlichen Miteinander. Bei "Moon Knight" – sowohl in den Comics als auch in der Serie – ist es aber durchaus berechtigt, ja gar zielführend. Moon Knight existiert nämlich nur aufgrund von Stevens Krankheit. Seine DIS ist gleichzeitig die größte Herausforderung in Stevens Leben, aber auch seine größte Stärke. Seine Superkraft. "Eine Art Superkraft, die es wirklich gibt", so Isaac im Interview mit dem "Standard".

Das sei es auch, was ihn an der Rolle so fasziniert habe, so der Schauspieler weiter: "Jeder von uns verkörpert verschiedene Identitäten. (...) Das ist der Kern des Ganzen, der hier zum Extrem getrieben wird. (...) Ein Überlebensmechanismus [aufgrund eines Kindheitstraumas; Anm.], bei dem sich das Gehirn in mehrere Persönlichkeiten aufteilt." 

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Im Rahmen seiner Gespräche habe Isaac vom Organisationsprinzip erfahren. Im Gespräch mit "Moviepilot" nennt der Golden-Globe-Preisträger die DIS eine "fast traumähnliche, alptraumhafte, höchst symbolische Störung, bei der du diese organisierenden Prinzipien für die verschiedenen Persönlichkeiten entwickelst, die in dir leben."

Das könne zum Beispiel ein Schloss oder ein Labyrinth sein, meint er. "Den sehr symbolischen Charakter eines Superhelden und der ägyptischen Ikonographie zu nutzen, um eine sehr internalisierte, psychologische Geschichte zu erzählen, fühlte sich für mich sehr passend an."

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Bist auch du ein/e HeldIn?

Natürlich ist die Thematik verschiedener Persönlichkeiten tief im SuperheldInnen-Genre verwurzelt, fest in dessen DNA eingeschrieben. Bruce Wayne und Batman, Clark Kent und Superman, Peter Parker und Spiderman, Tony Stark und Iron Man. Der Kern von SuperheldInnen-Geschichten ist stets derselbe: Welche Persönlichkeit steckt noch in dir drin? Bist auch du ein/e HeldIn? (Spoiler: Ja, sind wir alle!) Die Message: Du kannst sein, wer immer du möchtest!

"Moon Knight" hebt dies aber auf eine komplexere Ebene, spielt geschickt damit und somit auch mit den Erwartungen und Sehgewohnheiten des Publikums: Aufgrund der DIS kann sich Steven nie sicher sein, was eigentlich wahr ist oder nicht. Die Grenzen zwischen Realität und Traum verschwimmen, zwischen Gesundheit und Krankheit. Existiert Moon Knight (und die Welt rund um ihn rum) wirklich?

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Und wenn eine der Persönlichkeiten eines DIS-Betroffenen ein Superheld ist: "Woher willst du wissen, ob er wirklich ein Superheld ist?", betont Isaac gegenüber "Moviepilot". "Vielleicht ist er auch ein Bösewicht. Wer ist diese andere Persönlichkeit, die in dir lebt? (..) Für mich persönlich geht es in der Geschichte darum, irgendwann zu begreifen: Eigentlich ist Steven der Superheld."

Denn die Moral von der SuperheldInnen-G'schicht traut sich auch "Moon Knight", Progressivität hin oder her, nicht zu verändern: Egal, wie schwer das Leben ist – du bist ein/e HeldIn, gerade deshalb! "['Moon Knight‘] erzählt eine Story über Identität und Selbstfindung", beschreibt Produzent Grant Curtis im "USA Today"-Interview (via "Comicbook").

"Mit unserem mentalen Gepäck klarzukommen und zu lernen, mit uns selbst zu leben, ist etwas, mit dem wir uns alle tagtäglich auseinandersetzen müssen."

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Sichtbarkeit ent-tabuisiert 

Trotz Psycho-Grusel-Thriller-Gewand ist die Darstellung von Stevens DIS also eine durchwegs positive. Das ist zwar vom familienfreundlichen Marvel- und somit Disney-Kosmos zu erwarten, aber trotzdem nicht weniger erfreulich. "Moon Knight" wird von positiven Reviews überschwemmt, Fans und KritikerInnen sind gleichermaßen begeistert, der riesige Erfolg ist eine Frage, die eigentlich nie eine war.

Und genau hier kommt wieder der wichtige Aspekt der Sichtbarkeit ins Spiel. Und damit verbunden: Aufklärung, Ent-Tabuisierung, Fremdes bekannt machen. Sichtbarkeit hilft, Vorurteile und Ängste beim Publikum abzubauen. Und zeigt Betroffenen, dass sie nicht alleine sind. Und das alles auf spielerische, unterhaltsame Weise. Die übernatürlichen Metaphern in "Moon Knight" helfen zusätzlich, Worte und Bilder für das (eigene) innere Geschehen zu finden. 

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"Wenn du etwas für Marvel kreierst, weißt du, dass Millionen von Menschen jeden Frame beobachten und hyperanalysieren werden", so "Moon Knight"-Chefautor Jeremy Slater zu "The Hollywood Reporter".

"Und so wussten wir, dass wir es richtig machen mussten, dass wir uns mit wichtigen Themen befassen, die die ZuschauerInnen tatsächlich betreffen werden (...). Für mich und alle meine AutorInnen war es wirklich wichtig, dass alles, was wir in die Welt hinaustragen, letztendlich positiv sein muss und eine aufbauende, positive Botschaft über die psychische Gesundheit haben muss.“

Die Mission ist zum absoluten Großteil geglückt. Die Darstellung von mentaler Gesundheit in "Moon Knight" ist sensibel, nuanciert, einfühlsam, detailliert, aber niemals belehrend, jedoch trotzdem lehrend. Und immer sauspannend. Eine Geschichte über einen Mann, der die Kontrolle verloren hat und alles dafür tut, um sie zurückzuerlangen.

Hätte Batman ein Disney+-Abo in der Batcave: "Moon Knight" wäre die einzige Serie, die er bingen würde. 

 

"Moon Knight" ist ab 30. März auf Disney+ zu sehen.