"Mea Culpa": Wir erklären das Ende des Netflix-Erotikthrillers
Von Manuel Simbürger
Überraschend ist es nicht wirklich: "Mea Culpa", der neue Erotikthriller mit Ex-"Destiny's Child" Kelly Rowland und von "Don't look up"-Regisseur Tyler Perry, hat sich den ersten Platz der Netflix-Charts erobert. Sex verkauft sich eben immer nach wie vor – auch wenn die Story selbst mehr als zu wünschen übrig lässt (siehe auch unsere Filmkritik unten).
Überraschend für manche Zuseher:innen wird aber vielleicht das Ende mit allen dazugehörigen Twists von "Mea Culpa" dahergekommen sein. So schlau, wie der Film uns das Ende verkauft, ist es aber bei weitem nicht – auch deshalb, weil sich so manches Plot-Hole in der Größe des Mount Everest eingeschlichen hat und etliche Fragen offen geblieben sind. Deshalb: Fühlt euch nicht dumm, solltet ihr das Ende nicht so ganz verstanden haben, logisch ist das Ganze nicht wirklich.
Weshalb wir euch hier das Ende von "Mea Culpa" erklären.
Ist Zyair tatsächlich ein Mörder?
Die wichtigste Frage beantworten wir natürlich zuerst: Hat Meas verführerisch-mysteriöse Klient seine Ex-Freundin umgebracht? Nein! Zyair mag zwar ein Womanizer sein, der immer wieder dieselben Tricks anwendet, um Frauen ins Bett zu bekommen, und arrogant ist er obendrein, aber er ist kein Mörder.
Denn der erste große Twist in "Mea Culpa" erfolgt, als Mea in der Dominikanischen Republik, wo sie sich eine Auszeit gönnt, auf Hydie trifft – besagte Ex-Freundin von Zyair, die eigentlich tot sein sollte. Hydie besteht zwar darauf, Mea würde sie mit jemand anderem verwechseln, doch Super-Anwältin Mea ist sich ganz sicher, wen sie hier vor sich hat. Dass Hydie nach dem einmütigen Treffen davonrennt und erneut wie vom Erdboden verschluckt zu sein scheint, tut hier nichts zur Sache.
Wieso aber hat Zyiar die Worte "Die Schlampe!" über sein Gemälde von Hydie gemalt? Ganz einfach, erklärt er selbst: Er war wütend, als Hydie das (mittlerweile offensichtlich gefälschte) Video veröffentlichte, in dem sie um Hilfe ruft und es so aussehen lässt, als würde Zyair sie töten wollen. Zyair hat seine Emotionen also einmal mehr künstlerisch zum Ausdruck gebracht. Sollen wir ihn nun als Traummann betrachten? Man weiß es nicht.
Wer und was steckt hinter der Intrige gegen Zyair?
Die Familie von Meas Ehemann Kal ist nicht nur unsympathisch und im Umgang mit Mea toxisch, sondern sie schreckt auch nicht davor zurück, andere Existenzen zu zerstören, um ihre Ziele zu erreichen. Denn Ray (Meas Schwager) und Azalia (die böseste Schwiegermutter seit "Schneewittchen") sind die Drahtzieher hinter dem Netz aus Intrigen und Verschwörungen, in die Mea geraten ist. Aber, oh Schreck: auch Loser-Ehemann Kal und sogar Rays Frau Charlise (die gleichzeitig Meas beste Freundin ist) sind involviert!
Es stellt sich heraus, dass Staatsanwalt Ray, der für den Bürgermeisterposten kandidieren möchte, von Ehrgeiz und Rachsucht zerfressen ist, unterstützt von Mama Azelia. Die zum einen ist nämlich gar nicht schwer an Krebs erkrankt, sondern dieser Schwindel sollte nur dazu dienen, um Ray Sympathiepunkte bei der Bürgermeisterwahl einzubringen.
Das war's aber noch nicht: Weil Charlise mit dem unwiderstehlichen Zyair ebenso eine Affäre hatte (deshalb Zyairs Gemälde von ihr in seiner Wohnung), will sich Ray inklusive der gesamten Familie an dem berühmten Künstler rächen. Also schieben sie ihm, was man halt in so einer Situation so macht, einen Mord in die Schuhe. Das wiederum hat den Voteil, dass Ray auch politisch davon profitiert, da die städtische Verbrechensbekämpfung sein Fokus in der Bürgermeisterwahl ist.
Man kennt es von anderen Filmen und Serien zur Genüge: Derjenige, der dem Verbrechen Einhalt gebieten möchte, ist selbst dafür verantwortlich, um am Ende als großer Retter in der Not strahlen zu können.
Meas Ehemann Kal macht höchstwahrscheinlich deshalb gemeinsame Sache mit Bruderherz und Monstermama, weil er eifersüchtig auf Zyair ist, vermutet er doch von Beginn an eine Affäre zwischen ihm und Mea. Als diese tatsächlich ans Licht gerät, dürfte er endgültig auf der Seite seiner Familie gewechselt sein – obwohl nicht ganz klar ist, ab wann Kal in die Intrige von Ray und Azalia eingeweiht ist (zugegeben: vielleicht hat hier der Autor dieser Zeilen auch schlicht etwas übersehen). Agesehen davon: Family always comes first!
Werden Mea und Zyair ein Paar?
Romantik-Fans müssen stark sein: Nein, für die beiden gibt es kein Happy End, auch wenn das Ende so ausgerichtet ist, dass es einen zweiten Teil des Films geben könnte (Daumendrücken, dass dem nicht so ist!), weil gänzlich abgeschlossen wird die Story zwischen Mea und Zyair nicht ...
Mea verfasst eine anonyme E-Mail an die Polizei, in dem sie detailliert schildert, was sie über (wahrscheinlich bald Ex-)Schwager Ray weiß. Dieser wird daraufhin vor laufenden TV-Kameras (die News-Moderatorin ist übrigens die unglaubwürdigste, die man je am Bildschirm oder der großen Leinwand gesehen hat!) festgenommen. Klar, definitiv jene Art von Beweis, die für die Polizei ausreichend ist, jemandem den Prozess zu machen ... Egal, an diesem Punkt ist der Film sowieso fast zu Ende und es ist schon so viel unlogisch, dass es darauf auch nicht mehr ankommt.
Stylish verhüllt mit Kopftuch und XL-Sonnenbrille (genau diese unauffällige Aufmachung also, mit der man erst Recht Aufmerksamkeit verrät) sehen wir Mea die Straße entlang gehen. Zyair ist mittlerweile von allen Anklagepunkten freigesprochen (so schnell kann's gehen!) und betont vor TV-Kameras und einer Menge an Reporter:innen, dass es Mea zu verdanken sei, dass die Wahrheit endlich ans Licht gekommen ist (so viel zur "anonymen" E-Mail!).
Zyair hegt immer noch (geile?) Gefühle für Mea, also schickt er ihr eine SMS mit der Bitte, aneinander wiederzusehen. So schnell wird das aber nicht geschehen, denn nachdem Mea die Textnachricht liest, wirft sie ihr Handy in den Mülleimer und schreitet die Straße entlang. Powerfrau Mea hat sich am Ende von allen toxischen Männern in ihrem Leben befreit, hat sich für eine Beziehung mit sich selbst entschieden. Seufz.
Dies mag auf dem ersten Blick eine schöne Female Empowerment-Message sein. Im Schatten zahlreicher #metoo-Prozesse gegen männliche Stars (Zyairs Fall erinnert ein wenig an den Skandal rund um Jonathan Majors und vielleicht auch an jenen rund um Armie Hammer) verdunkelt sich das Licht dieser Message aber erheblich. Der Angeklagte erweist sich als unschuldig, an den Vorwürfen ist nichts dran, das vermeintliche Opfer hat sich als Intrigantin entpuppt, die aus Rachegelüsten und Gier gehandelt hat. Victim-Blaming at it's best!
Offene Fragen zum Ende von "Mea Culpa"
... Wir könnten auch "Plotholes in Ausmaß eines Meteroiten" dazu sagen:
- Wie lassen sich Hydies Blut, DNA und Schädelbrüche (!) in Zyairs Wohnung erklären?
- Wie genau ist Hydies "Hilferuf-Video" überhaupt an die Öffentlichkeit gelangt?
- Wieso hat Hydie dem Plan von Ray und Azalia zugestimmt? Wurde sie mit Geld überredet? Oder/Und wurde auch ihr bewusst, dass Zyiar ein klassischer Fuck- anstatt Loveboy ist, der Sex über eine tiefergehende Beziehung stellt? (Vielleicht würde ihm eine Teilnahme an "Too Hot To Handle" helfen?)
- Wieso hat Meas beste Freundin Charlise ihr verschwiegen, dass auch sie eine Affäre mit Zyair hatte? Wurde sie von Ray dazu gewzungen?
- Wieso hat Meas "brillanter" Privatdetektiv nicht herausgefunden, dass auch Rays gesamte Familie im Hotelzimmer anwesend war?
- Wieso schichtet Zyair ein "Eroberungs-Gemälde" nach dem anderen aufeinander und versteckt die vorherigen im selben Rahmen? Erinnerungsstücke, die ihn in seiner Männlichkeit beweisen? Nachhaltigkeitsgedanke, der Umwelt zuliebe?
- Wie kommt es, dass Mea beim schlimmen Autounfall, bei dem Kal stirbt (oder besser: von Mea ermordet wird), unverletzt blieb?
Das sagt Regisseur Tyler Perry zum Ende
Das Publikum mag mit dem Ende von "Mea Culpa" unzufrieden sein, Regisseur Perry ist es nicht. Im Gegenteil. Dass nicht alles im Detail erklärt wird und die Twists auf den ersten Blick nicht logisch erscheinen, sei beabsichtigt, betont er im Interview mit "Netflix Tudum". "['Mea Culpa'] ist ein 'Sehe es dir noch einmal an'[-Film“], so Perry. "Schau ihn dir noch einmal an und schau ihn dir noch einmal an. Jedes Mal, wenn du ihn dir anschaust, wirst du sehen, dass ich unterwegs kleine Easter Eggs fallen lasse, sodass du, wenn du es dir noch einmal anschaust, sagen würdest: ‚Oh, das ist der Grund.‘“
Offene Enden können einen Film durchaus spannend(er) und komplex(er) machen sowie dazu führen, dass die Story noch lange nach den End-Credits nachhallt. Plotholes und schlichte Unglaubwrdigkeit, die das Publikum für dumm verkaufen, sind aber eine ganz andere Sache ...