News

"Liebes Kind": Das Finale verärgert mit vielen offenen Fragen

Achtung, massive Spoilergefahr!

Trotz des massiven Hypes rund um die neue deutsche Thriller-Serie "Liebes Kind" auf Netflix muss auch mal ehrlich gesagt werden: Die Serie fängt zwar durchaus sehr stark an und weiß zu fesseln, aber lässt auch leider fast genauso stark von Episode zu Episode nach – bis die Story in einem Finale endet, das wie eine Ohrfeige für die ZuseherInnen wirkt – und das nicht im positiven Sinn: 

Die sechste und letzte Folge wirkt fast so, als sei sie vom Rest der Serie abgekoppelt oder als hätten die Autor:innen plötzlich einfach keinen Bock mehr gehabt. Ganz große Enthüllungen bleiben aus, die Auflösung der Identität des Täters ist mehr als beliebig und vor allem wird ein Großteil der zuvor behandelten Storylines einfach nicht zu einem Ende gebracht und vollkommen ignoriert. Anders ausgedrückt: (Sehr) Vieles, was in der gesamten Serie passiert, hat am Schluss schlicht einfach keine Bedeutung mehr. Oder/und viele Entwicklungen sind unlogisch. Plotholes deluxe.

Was dazu führt, dass viele Fragen am Ende von "Liebes Kind" offen bleiben

Loading ...
Alle Inhalte anzeigen Alle Inhalte anzeigen Alle Inhalte anzeigen

1. Das Motiv des Entführers

Okay, zugegeben, wirklich ignoriert wird dieser Aspekt von der Serie nicht, aber gleichzeitig wird er auch nicht so deutlich angesprochen, wie es für die Story (und das Verständnis der Zuschauer:innen) notwendig gewesen wäre. Deshalb die Erklärung zur Sicherheit:

Sicherheitsfirma-Chef Lars Rogner wollte sich mit der entführten ("echten") Lena mit Gewalt die Familie erschaffen, die er selbst als Kind nie hatte. Er wuchs ohne Vater auf und auch seine Mutter brannte durch. Weil Lena, die er bei einem Auftrag rein zufällig kennenlernt, seiner Mutter sehr ähnlich sieht, beschließt er, sie zu entführen. Lena war mit Hannah bereits schwanger - und zwar von ihrem damaligen Freund Flo. Jonathan dürfte das Ergebnis einer Vergewaltigung von Rogner während ihrer Gefangenschaft sein. Deshalb haben die beiden Kinder auch zwei verschiedene Väter, aber dieselbe Mutter.

Alle Inhalte anzeigen

2. All die toten "Lenas"

Als die "echte" Lena nach der Geburt ihrer Tochter Sarah in der Gefangenschaft stirbt, ersetzt Rogner sie durch eine Frau, die ihr ähnlich sieht. Das wiederholt sich einige Male, weil er all die Lena-Nachfolgerinnen tötet. Jasmin ist der letzte "Lena-Ersatz". Aber wieso tötet er all die Frauen? Was ist das Motiv dahinter? 

Loading ...
Alle Inhalte anzeigen

3. Mehr als ein Täter

Im Laufe der Ermittlungen ist sich die Polizei sicher, dass es mehr als nur einen Täter gibt, nämlich insgesamt drei Männer. Das wird im Finale, obwohl vorher mehrmals angesprochen, nicht mehr erwähnt. Haben sich die Kommissar:innen hier schlichtweg getäuscht? Oder haben sie gar auf die Rogner-Komplizen vergessen?

Alle Inhalte anzeigen
Loading ...

4. Wie konnten Jasmin und Hannah entkommen?

Das unterirdische Versteck, in den Rogner seine Opfer gefangen hielt, ist großflächig von Minen umgeben und somit beschützt. Wie konnten die Frau und das Mädchen, die davon obendrein gar nichts wissen, also problemlos aus dem Bunker entkommen und durch den Wald fliehen, ohne in die Luft gejagt zu werden – im krassen Gegensatz zum Polizei-Sondereinsatzkommando?

Alle Inhalte anzeigen

5. Die Landminen

Wenn wir schon bei den Landminen sind: Wie hat Rogner überhaupt Zugang zu den Landminen? Wie konnte er sie beschaffen? Oder waren die schon vorher da? Aber: Auf verlassenen NATO-Stützpunkten gibt es eigentlich keine Munition, geschweige denn herumliegende Landminen. Hier gibt der Autor dieser Zeilen offen zu, vielleicht auch etwas übersehen zu haben.

Alle Inhalte anzeigen

6. Die Überwachungskameras in Jasmins Wohnung

Jasmin wird in ihrer Wohnung mit versteckten Kameras in Rauchmeldern von Rogner weiterhin überwacht. Heißt das, er war bei ihr zuvor in der Wohnung, vielleicht im Rahmen eines beruflichen Auftrages wie bei Lena, und hat sie heimlich installiert? Weil er vom ersten Augenblick an, als er Jasmin sah, wusste, sie wird sein nächstes Entführungsopfer? Okay, gekauft (irgendwie).

Aber: Noch dazu ist er anscheinend ein Superhacker, der sich in wirklich alle Systeme einwählen kann. Das scheint dann doch etwas zu viel des Guten zu sein ... oder?

Alle Inhalte anzeigen

7. Die Polizei-Überwachung von Jasmins Wohnung

Jasmin wird nach ihrer Entführung rund um die Uhr von der Polizei überwacht. Einer der Polizisten betont gegenüber Kommissar Bühling sogar, sie würden einen "guten Job" machen. Aber wieso haben sie dann nicht die Hintertür des Hochhauses im Auge? Jasmin kann problemlos und (abgesehen von Brühling) komplett unerkannt aus ihrer Wohnung schleichen.

Alle Inhalte anzeigen

8. Jonathan und der Entführer

Rogner scheint viel mehr Interesse daran zu haben, mit Hannah ein (falsches) Familienidyll aufzubauen als mit Jonathan – obwohl dieser sein eigener Sohn ist. Die Verbindung zwischen Hannah und Rogner ist zwar durchaus erklärbar (das Mädchen ist für Rogners viel anfälliger als der Bub), aber es scheint eigenartig, dass er zum Schluss gar kein Interesse mehr daran hat, auch Jonathan zu sich zurückzuholen. Hat er auf ihn vergessen? Ist er ihm nicht wichtig genug?

Alle Inhalte anzeigen

9. Hannah und Rogners Tod

Hannah sprach stärker als alle anderen Entführungsopfer von Rogner auf dessen psychische Manipulationen an. Sie hat eine starke Verbindung zu ihm und sieht ihn tatsächlich als "Papa" an. Aber wieso reagiert sie so unbeeindruckt, als Jasmin Rogner tötet? Wieso löst das in ihr keine Emotionen, keine Angst, keine Trauer aus? Das scheint nicht logisch zu sein.

Alle Inhalte anzeigen

10. Matthias ist auch am Strand

Kommissar Brühling findet zum Schluss Rohling schwer verletzt am Strand. Wenige Sekunden danach stirbt der Entführer. Aber woher wusste Großvater Matthias, wo Brühling war? Hat der Kommissar ihn angerufen? Durchaus möglich, aber für ein besseres Verständnis hätte man diesen Anruf dem Publikum nicht vorenthalten sollen. 

Alle Inhalte anzeigen

Absichtlich offenes Ende

Offensichtlich absichtlich offen gelassen wurden die Fragen, wie es mit Hannah, Jonathan und Jasmin weitergeht. Wie kommen sie nun in der "echten" Welt abseits des Bunkers zurecht? Kehrt Hannah zu Jonathan zurück? Wird Jasmin Hannah oder gar beide Kinder bei sich aufnehmen? Oder werden sie bei den Großeltern leben? 

Dass diese Fragen nicht beantwortet werden, sorgt durchaus dafür, dass man noch nach dem Abspann über die Serie nachdenkt und sich selbst Gedanken über den möglichen weiteren Werdegang der Figur macht. Ein offenes Ende hat also eine nachhallende Wirkung und mutet oftmals sehr faszinierend an. Aber dieses offene Ende muss von den Autor:innen beabsichtigt sein – einfach vergessene Storyfäden sind im Gegensatz dazu nämlich mehr als ärgerlich ...

(Nachsatz: Hatte es irgendeinen dramaturgischen Sinn, dass Brühling in der Vergangenheit eine Affäre mit Karin hatte?)