Ist es kindisch, wenn Erwachsene SuperheldInnenfilme mögen?
Von Oezguer Anil
Schon seit fast 20 Jahren sind SuperheldInnen-Filme zentraler Bestandteil des Kinos. Bereits Ende der 70er erlebte das Genre einen großen Hype, doch erst ab der Jahrtausendwende wurde es ein erheblicher kommerzieller Faktor der Filmwirtschaft. Während in den Nullerjahren noch alle paar Jahre eine neue Comicverfilmung erschien, kann man heutzutage mit den zahlreichen Streaming- und Serienangeboten, die sich beinahe monatlich erweitern, leicht den Überblick verlieren. Filme über SuperheldInnen erwirtschaften gigantische Summen und sind bei Klein und Groß gleichfalls beliebt.
Aber: Ist es kindisch, wenn Erwachsene Superhelden-Filme mögen?
In einem "Guardian"-Interview sprach nun "Watchmen"-Mastermind Alan Moore über sein Problem mit SuperheldInnen-Filmen.
"Bereits 2011 habe ich gesagt, dass es mir Sorgen bereitet, wenn Millionen von erwachsenen Menschen sich in Schlangen stellen, nur um einen 'Batman'-Film zu sehen. Das ist eine Infantilisierung, die den Drang nach einer einfacheren Zeit, nach einfacheren Wirklichkeiten weckt. Dies wiederum öffnet dem Faschismus Tür und Tor. Hunderttausende Erwachsene stellen sich an, um sich Geschichten und Situation anzusehen, die nur der Unterhaltung dienen. Der Unterhaltung von zwölfjährigen Jungs, die vor 50 Jahren gelebt haben, wohlgemerkt! Superhelden sind und waren niemals etwas für Erwachsene! Dieses Missverständnis passierte in den 1980ern und ich bin auch Schuld daran, ich gestehe! Damals hieß es in unsagbar vielen Schlagzeilen über meine 'Watchmen', dass Comics nun 'endlich erwachsener geworden' wären. Nein, Comics sind nicht erwachsen geworden, ein paar jonglieren mit erwachsenen Themen, aber im Kern sind sie immer noch das Gleiche wie eh und je. Eher anders herum: Das Publikum hat sich dem emotionalen Alter der Comics angepasst."
Jenseits von Gut und Böse
Auch wenn Moore ziemlich radikal in seiner Abrechnung ist, hat er nicht ganz Unrecht. SupheldInnen-Filme präsentieren meist eine vereinfachte Welt, in der es klare Grenzen zwischen Gut und Böse gibt. Leider hat das wenig mit der Realität zu tun, denn im Alltag sieht man sich mit moralischen Grauzonen, Ideologien und dem Abwägen von unterschiedlichen Interessen konfrontiert.
Wenn man jedoch ständig von Geschichten umgeben ist, in denen die Komplexität von psychologischen Vorgängen und gesellschaftlichen Strukturen ausgeblendet wird, lässt sich durchaus argumentieren, dass man sich eher mit einfachen Antworten auf schwierige Fragen zufriedengibt. In letzter Konsequenz steht hierbei tatsächlich die Gefahr, eine gesenkte Hemmschwelle für faschistische Ideologien entwickeln zu können.
"Mehr Freizeitpark als Kino"
Bitte nicht falsch verstehen: Natürlich ist nicht jeder Fan von Comicverfilmungen ein potentieller Faschist, derart mächtig ist das Kino glücklicherweise nicht. Es ist aber dennoch erstaunlich, die Entwicklung von Actionsequenzen und Hauptfiguren in Filmen im Laufe der Filmgeschichte zu betrachten. Während sich in Sergio Leone-Western noch zwei Männer minutenlang anstarrten bis ein(!) Schuss fiel, werden die Leinwände heutzutage durch eine Mischung von Außerirdischen, Göttern und Milliardären, die durch einstürzende Hochhäuser fliegen, dominiert. Das hat natürlich auch mit dem technologischen Fortschritt im Bezug auf Kameras und Computeranimationen zu tun, die immer mehr zur Veränderung des Kinos beitragen.
In einem Artikel, den Martin Scorsese für die "New York Times" schrieb, kritisierte er diese neuen erzählerischen Methoden. Er könne nichts mit den immer gleichen Handlungsabläufen von Marvel-Filmen anfangen und nannte Comicverfilmungen "mehr Freizeitpark als Kino".
Flucht aus dem Alltag
Es ist nicht weit hergeholt, zeitgenössische Comicverfilmungen mit Attraktionen im Freizeitpark zu vergleichen. Der Fokus der MacherInnen richtet sich immer mehr darauf, dem Publikum ein visuelles Spektakel zu bieten, über dessen Inhalte nicht sonderlich viel nachgedacht werden muss – die perfekte Freizeitbeschäftigung für Kinder sozusagen.
Die Masterminds von Marvel, DC und Co. lassen sich natürlich immer wieder neue Tricks einfallen, um den Anschein von Bedeutung und Tiefe zu erwecken. Mal erscheint eine "düstere" Comicverfilmung, mal werden den ProtagonistInnen auch Risse in der strahlenden Rüstung zugestanden, doch im Kern wird ein Narrativ vermittelt, das erwachsenen, mündigen Menschen eine Flucht aus der Komplexität des Alltags bietet. Man kann im Kino wieder Kind sein, was ja nicht sonderlich schlimm ist – wenn man nach Ende des Films wieder als Erwachsener in die Welt hinaustreten kann.