"Interview with the Vampire": So unterscheidet sich die Serie vom Film
Von Manuel Simbürger
Romantisch, morbide, düster, sexy und irgendwo angesiedelt zwischen Hedonismus und Misanthropie: "Interview mit einem Vampir" mit Tom Cruise, Brad Pitt und Kirsten Dunst gehört zu den kultigsten Filmen aus den 1990er-Jahren, der lange vor der "Twilight"-Reihe das Bild des Vampirs als philosophischer Verführer in der Popkultur festigte.
Es waren drei Untote, die uns in dem Film mehr über das Mensch-Sein und den irdischen Existenzialismus lehrten als die lebenden Exemplare. Eine tragische Suche nach Identität, Sinn des eigenen Daseins und eine Abhandlung über (toxische) Liebe, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Anne Rice.
Seit 6. Jänner ist die neue Serienadaption des Films nun auf Sky zu sehen, diesmal mit Jacob Anderson ("Game of Thrones") als Louis, Sam Reid als Lestat sowie Bailey Bass als Vampir-Teenie Claudia in den Hauptrollen. Die Mystery-Produktion scheint den Fluch von Serien-Versionen bekannter Filme, die oftmals nicht mehr sind als fader Abklatsch des Originals, zu durchbrechen:
"Interview with the Vampire" (auch bei uns wurde der englische Titel diesmal beibehalten) wird als vielschichtiges, mitreißendes und emotional tiefschürfendes Drama gefeiert, das sich ähnlich wie das Original komplizierten Fragen nach versteckten Sehnsüchten und dem Oszillieren zwischen Lebenslust und Lebensüberdruss annimmt, ohne dabei zu überfordern oder kitschig zu werden.
Die positiven Kritiken (die Serie erhält bei "Rotten Tomatoes" aktuell sagenhafte 99 Prozent) haben vielleicht auch mit dem Mut der AutorInnen zu tun, sich nicht sklavisch an die filmische bzw. literarische Vorlage zu halten, sondern die Vorteile einer seriellen Erzählung zu nutzen, um noch tiefer in die Materie und vor allem die Psyche der (Anti-)HeldInnen einzutauchen.
Wir verraten euch die größten Unterschiede zwischen der Serie und dem Film:
Achtung, Spoiler!
Neues Jahrzehnt
Sowohl im Film als auch in der Serie erzählt Louis dem Journalisten Daniel Malloy (in der Serie: Eric Bogosian) seine (untote) Lebensgeschichte und davon, wie er zum Vampir wurde. Im Original wird Louis im Jahr 1791 in einen Blutsauger verwandelt, in der Serie wird seine Geschichte in die 1910er-Jahre verlegt.
Das Interview zwischen Louis und Daniel ist da und dort in der jeweiligen Gegenwart angesiedelt. Im Film treffen sich die beiden also 1994, in der Serie schreiben wir das Jahr 2022.
Neues Setting
Daniel interviewt Louis im Film in einem Hotelzimmer in San Francisco. In der Serie treffen sich die beiden Männer in einem Penthouse in Dubai.
Die hauptsächliche Handlung, also das Leben von Louis, Lestat und Claudia, spielt aber nach wie vor in New Orleans.
Daniel und Louis kennen sich bereits
Im 1994er-Streifen ist es das erste Mal, dass Daniel auf Louis trifft – und ist von der verführerischen Gestalt der Nacht sofort fasziniert.
In der Serie wird schnell deutlich, dass sich die beiden Jahre zuvor schon einmal getroffen haben. Daniel wollte bereits beim ersten Treffen in einen Vampir verwandelt werden, im Film äußert er diesen Wunsch erst am Ende. Serien-Louis hat ihm diese Sehnsucht aber verwehrt, doch Daniel folgt seiner Einladung zum Interview trotzdem, zu groß ist seine journalistische Neugier. Da die beiden Figuren bereits eine Vergangenheit verbindet, bekommt auch die Beziehung zwischen Daniel und Louis eine komplexere Tiefe verliehen.
Louis ist nun Schwarz – und schwul
Sowohl in Anne Rices Roman als auch im Film von Neil Jordan wird Louis als junger, Weißer Plantagenbesitzer charakterisiert, der das Leben in vollen Zügen genießt.
Um der Frage nach Diversität nachzukommen, aber auch, um der Serie und der Figur mehr Vielschichtigkeit zu verleihen, ist Louis in der Serie zum Schwarzen Mann geworden, der anstatt einer Plantage ein Bordell besitzt und von einer reichen Familie abstammt. Louis ist nun (Gott sei Dank) kein Sklaventreiber mehr, sondern erfährt in seinem Alltag nun selbst Rassismus. Ach ja, schwul ist Louis auch, geoutet ist er aber nicht. Was uns zum nächsten Unterschied bringt.
Queere Liebe zwischen Louis und Lestat
Während im Film die homosexuelle Zuneigung und die Homoerotik zwischen den beiden Vampiren nur angedeutet wird, ist sie in der Serie nun wichtiges und eindeutiges Thema: Louis und Lestat lieben und begehren sich, als Pärchen reisen sie um die Welt und ziehen gemeinsam die (ewig) 14-Jährige Claudia auf.
Losgelöst von allen einschränkenden gesellschaftlichen Konventionen der 1910er-Jahre können Louis und Lestat als Vampire – ohnehin bereits Außenseiter – ihre Homosexualität offen leben, ihre Liebe zueinander zeigen und die sein, die sie tatsächlich sind. Das wirkt weder übertrieben woke noch erzwungen, sondern passt ins Bild der Vampir-Metapher für unterdrücktes Begehren bzw. queere Sexualität.
Interessant: Es wird angedeutet, dass sich auch Daniel und Louis das erste Mal in einem sexuellen Kontext begegnet sind.
Claudia ist ein paar Jährchen älter
Im Roman ist Claudia eigentlich ein fünfjähriges Mädchen, das in einen Vampir verwandelt wird – und deshalb für immer in diesem Alter verharren muss, auch wenn ihr Geist nach und nach jenem einer Erwachsenen entspricht. Die AutorInnen des Films änderten Claudia in ein zehnjähriges Kind, in der Serie ist sie nun 14 Jahre alt.
Die psychische Bürde, ewig im Körper eines Kindes gefangen zu sein, steht aber in allen Adaptionen im Fokus von Claudias Storyplot. Da Claudia in der Serie bereits in der Pubertät ist, wird ihre Vampirfigur zur Metapher der Erkundung des Erwachsenenseins sowie der Erkundung des eigenen Körpers. In der Serienadaption ist Claudia aufgrund ihres Alters von Louis und Lestat nicht mehr gar so abhängig wie im Film, was ihrer Figur leider ein bisschen an Tragik nimmt.
Interessant ist auch, dass im Film Louis zumindest teilweise für Claudias Verwandlung verantwortlich ist, während er in der Serie damit rein gar nichts zu tun hat. Da hatten die AutorInnen dann wohl doch Angst davor, ihren Helden zu düster und unsympathisch werden zu lassen.
"Interview with the Vampire" ist auf Sky zu sehen. Hier geht's zur Serie!
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