"Herr der Ringe: Ringe der Macht"-Kontroverse: Cast äußert sich
Von Oezguer Anil
Bereits vor dem Erscheinen der ersten beiden Episoden von "Ringe der Macht" debattierten Fans im Internet(Video) intensiv über die neue Amazon Serie. Immerhin gehört "Herr der Ringe" zu den beliebtesten Franchises der Kinogeschichte und hat neue Maßstäbe im Fantasy-Genre gesetzt. Auch 20 Jahre nach der Veröffentlichung hat die erste Trilogie nichts von ihrem Charme eingebüßt. Sowohl erzählerisch als auch technisch hat "Herr der Ringe" dem Zahn der Zeit standgehalten und erhält von Fans und KritikerInnen gleichermaßen Anerkennung.
Was sich bereits bei den Kritiken auf den Trailer abzeichnete, hat sich nun durch die Veröffentlichung der ersten Episoden bewahrheitet. Die diverse Besetzung vor der Kamera sorgt weiterhin für heftige Diskussionen und nimmt Ausmaße an, die weit über den guten Geschmack hinausgehen. Wir haben die größten Kritikpunkte analysiert.
Diverser Cast
Ausgangspunkt für die Kritik von zahlreichen Fans und JournalistInnen ist die Tatsache, dass viele zentrale Figuren in "Ringe der Macht" mit Frauen und Schwarzen Menschen besetzt sind. Auf der Erzkonservativen US-Plattform "RedState" wird den Machern die "Pervetierung und Verstümmelung" von Tolkiens Werk unterstellt. Es wird argumentiert, dass es diese Diversität in den Büchern und Verfilmungen von Tolkiens Werk nicht gab und man dadurch die Vorlagen zugunsten von Identitätspolitik missachten würde. Konkret geht es um folgende Figuren:
Galadriel: Die zentrale Figur des Fantasyepos ist diesmal kein Mann, sondern eine Frau. Neben ihren psychischen Fähigkeiten besticht sie auch durch ihre körperliche Kraft.
Disa: Die Frau vom Zwergenkönig Durin wird von der Schwarzen Schauspielerin Sophia Nomvete gespielt. Es ist das erste Mal, dass eine Zwergin von einer Schwarzen Schauspielerin verkörpert wird.
Arondir: Der Elbensoldat wird vom Schwarzen aus Puerto Rico stammenden Schauspieler Ismael Cruz Cordova gespielt. Er verliebt sich in eine menschliche, Weiße Frau. Es ist das erste Mal, dass ein Elbe von einem Schwarzen Schauspieler gespielt wird.
Wurde die Buchvorlage verändert?
"Ringe der Macht" basiert auf keinem von Tolkiens Büchern. Die Geschichte ist zwar im Universum von Tolkien angesiedelt, aber fast die gesamte Handlung und einige Figuren sind von den Autoren Patrick McKay und J.D. Payne ausgedacht. Das Argument, man würde die Vorlage nicht ernst nehmen, macht deshalb wenig Sinn, da es keine Buchvorlage für die Amazon-Serie gab.
Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, dass es in keiner bisherigen Verfilmung eine weibliche Hauptrolle oder Schwarze DarstellerInnen gab. In der Filmbranche ist in den letzten Jahren der Trend vor allem auch durch die MeToo-Debatte entstanden, dass Filmteams immer diverser werden. Rechtskonservative Stimmen wie von "RedState" werfen ProduzentInnen mit der Zusammenstellung von diversen Teams Propaganda und ideologische Indoktrinierung vor.
Das Argument mag vielleicht tatsächlich auf einige Produktionen zutreffen, doch das gleiche trifft auf die größten Produktionen Hollywoods der letzten 100 Jahre ebenfalls zu. "Rambo", "Rocky", "Top Gun", "Air Force One", "Argo", "American Sniper" und viele Filme mehr haben über Jahrzehnte hinweg nationalistische Propaganda in die Welt hinausgetragen und wurden kaum bis gar nicht dafür kritisiert. Die selbe Plattform, die "Ringe der Macht" für ihren diversen Cast kritisiert, ist gleichzeitig voller Lob für "Top Gun". Da stellt sich die Frage, wie ernst man es mit dem Kampf gegen die Indoktrinierung des Publikums tatsächlich meint.
Ist Diversität wichtiger als die Geschichte?
Das Wesen des Filmmediums ist unausweichlich mit der Manipulation des Publikums verknüpft. Jeder Film manipuliert das Publikum. Während künstlerisch anspruchsvollere Filme durch ihre Machart versuchen, den ZuseherInnen mehr Autonomie zu gewähren, kann man das von Multimillionen-Dollar-Produktionen nicht in einem großen Ausmaß erwarten, da sich in den letzten Jahrzehnten herausgestellt hat, welche narrativen Strukturen für ein Massenpublikum funktionieren und welche nicht. Um das Budget einspielen zu können, wird auf gängige Erzählmuster zurückgegriffen. Hierbei bedienen sich beispielsweise "Black Panther" und "Top Gun" den gleichen Mitteln.
Nach den ersten zwei Episoden von "Ringe der Macht" kann man sagen, dass es keine Szene gibt, in denen die Hautfarbe der Figuren thematisiert wird oder in der Schwarze und weibliche Figuren besser dargestellt werden, als Weiße und männliche Figuren. Die psychologischen Konflikte und kämpferischen Auseinandersetzungen stehen im Mittelpunkt der Geschichte. Die Kritik, man würde Identitätspolitik über die Handlung stellen, greift somit eben so wenig.
Statement vom Cast
Nun äußersten sich die SchauspielerInnen zu den Angriffen. Auf der offiziellen Twitter-Seite der Serie wurde ein Statement vom gesamten Cast veröffentlicht.
"Wir, das Ensemble von 'Ringe der Macht', stehen solidarisch zu unseren diversen Cast-MitgliederInnen, die täglich Rassismus, Drohungen, Belästigungen und Missbrauch ausgesetzt sind. Wir sind nicht bereit das zu ignorieren oder zu tolerieren. J.R.R. Tolkien hat eine multikulturelle Welt kreiert. Eine Welt in der freie Völker mit unterschiedlicher Herkunft und Kultur zusammenarbeiten und gemeinsam das Böse besiegen. Unsere Welt war niemals nur Weiß, Fantasy war niemals nur Weiß, Mittelerde ist nicht nur Weiß."
Stimme für marginalisierte Gruppen
Die Welt hat sich in den letzten 20 Jahren stark verändert. Menschen mit Migrationshintergrund und Frauen pochen zurecht auf gesellschaftliche Gleichberechtigung und thematisieren damit Probleme, die über sehr lange Zeit hinweg verschwiegen wurden. Ein diverser Cast bildet diese gesellschaftliche Veränderung ab und trägt zur Sichtbarkeit von marginalisierten Gruppen bei. "Ringe der Macht" schafft es, diesen Gruppen eine Stimme zu geben und verzichtet dabei völlig auf einen paternalistischen Unterton.
Die reflexartige Angst von rechten Plattformen vor Narrativen, die nicht die vorherrschenden Machtstrukturen festigen, gleicht jener Panik, die man den politischen GegnerInnen beim Umgang mit Meinungsvielfalt vorwirft. Dabei scheint es weniger um den tatsächlichen Inhalt von "Ringe der Macht" als um die Aufmerksamkeit für die eigenen politischen Forderungen zu gehen.