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Gregor Schmidinger: "Angst ist etwas Gutes"

In „Nevrland“ erzählt Gregor Schmidinger die Geschichte eines unter Angststörungen leidenden Jugendlichen, der sich in Sex-Chats flüchtet um der harten Realität des Alltags zu entkommen. Mit expressiven Bildern und eindringlicher Technomusik wird das chaotische Innenleben des siebzehnjährigen auf die Leinwand projiziert. Wir haben uns mit dem Regisseur und Drehbuchautor getroffen, um über seinen Weg als Filmemacher und sein Interesse für Angststörungen zu sprechen.

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Wie kamst du zum Filme machen?

Es hat damit begonnen, dass ich mit Freunden Horrorfilme und Teenie-Slasher wie „Scream“ versucht habe nachzumachen. Nach der Schule wollte ich etwas in die Richtung studieren aber war damals für die Filmakademie Wien noch zu jung und habe mich für „Digitales Fernsehen“ auf der FH Salzburg entschieden. Das Studium war eine gute Möglichkeit, um mich dem Medium anzunähern und gleichzeitig einen Abschluss als Diplom Ingenieur zu haben, was vor allem für meinen Vater beruhigend war. Ich habe ein Austauschjahr an der Bowling Green State University in den USA gemacht. Meine dortige Regie-Professorin hat mich dazu ermutigt in eine künstlerische Richtung zu gehen. Dort habe ich auch meinen ersten Kurzfilm „The Boy next Door“ gemacht, der 12 Millionen Zuseher auf Youtube erreicht hat. Davor hatte ich ein sehr technisches Interesse für Kamera und Schnitt, das hat sich dort in eine künstlerische Auseinandersetzung entwickelt. Danach hat mich ein Dozent von der FH auf ein Online-Drehbuchstudium der UCLA aufmerksam gemacht. Daran konnte ich drei Jahre lang teilnehmen ohne Studiengebühren zu zahlen und nach LA ziehen zu müssen. Dort ist dann als Abschlussarbeit ein erster Entwurf zu „Nevrland“ entstanden, der damals noch sehr anders war.

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Hast du während deines Studiums einen Unterschied zwischen dem amerikanischen und österreichischen Filmschaffen ausmachen können?

Zumindest an der UCLA ist das Studium sehr stark von Hollywood beeinflusst. Es ist auf eine gewisse Art und weiße ein schablonenhafter Zugang zum Drehbuch schreiben. Man verlangt auf Seite fünf einen „Hook“, auf Seite sieben ein „Inciting Incident“ und der erste Plotpoint muss auf Seite 30 sein. Das ist auch der Grund, weshalb man gerade bei amerikanischen Mainstream Filmen oft das Gefühl hat, das man die Geschichte schon mal gesehen hat, weil das Schema ja auch kommerziell gut funktioniert. Nachdem Produzenten wenn es um Geld geht eher konservativ denken, nehmen sie lieber etwas von dem sie wissen, dass es schon funktioniert hat und färben es um anstatt mit etwas originellem ein Risiko einzugehen. Vor allem seit der Finanzkrise wird verstärkt auf Sequels und Prequels gesetzt.

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Was hat sich seit der ersten Drehbuchfassung geändert?

Damals war die Idee eine Geschichte zwischen zwei Jungs zu erzählen, ohne dabei ihre sexuelle Orientierung zu problematisieren, was bis zum Schluss ein wichtiger Teil von „Nevrland“ geblieben ist. Später habe ich gemerkt, dass die Geschichte mehr mit einer Fantasie als mit einer authentischen Beziehung zu tun hat. Nach dem Studium habe ich beschlossen neu anzufangen und nur die Elemente beizubehalten, die ich mochte. Anstatt die Geschichte realistisch zu erzählen wollte ich sie als das benennen was sie ist - nämlich eine Fantasie. Diese hochglanz Fantasie wollte ich dann gegen eine härtere und brutalere Realität ausspielen.

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Du erzählst deine Geschichte vor allem auf visueller Ebene und verwendest immer wieder symbolische Bilder. War dieser Erzählstil schon im Drehbuch so vorgesehen?

Das Visuellekonzept war schon sehr stark im Drehbuch verankert. Ich habe zwar keine Kameraeinstellungen reingeschrieben aber dafür Lichtstimmungen, weil Licht extrem wichtig für Atmosphären und Gefühlszustände ist. Die Farben rot und blau waren auch schon im Drehbuch festgelegt. Die symbol- und traumhaften Bilder haben sich vermutlich aus einem kollektiven Unterbewusstsein reingeschlichen. Ich habe sehr viele mythologische Bilder im Film, die ich beim Schreiben nicht so als mythologische Bilder erkannt habe.

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Mit Simon Frühwirth hast du einen sehr jungen und ausdruckstarken Schauspieler in der Hauptrolle. Wie hat der Castingprozess ausgeschaut?

Mein Produzent Ulrich Gehmacher hat bereits den Film „Siebzehn“ von Monja Art produziert und hatte Erfahrung darin, wie es ist einen jugendlichen Hauptcast zusammenzustellen. Wir wussten, dass wir das Casting sehr breit anlegen mussten, weil es in der Altersgruppe sehr wenige Darsteller mit Filmerfahrung oder einer professioneller Ausbildung gibt. Wir luden an die 1000 Jugendliche zum Casting ein und haben nach jemandem gesucht, der der Figur sehr nahe ist oder zumindest das Talent hat sich in sie reinzuversetzen.

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"Nevrland" ist dein Langspielfilmdebüt als Regisseur. Wie liefen die Dreharbeiten für dich? Warst du nervös?

Ich dachte, dass ich viel nervöser sein werde als ich es dann schlussendlich war. Man muss konstant Entscheidungen treffen, deshalb hat man nicht viel Zeit um sich Gedanken darüber zu machen was alles schief laufen kann. Ich glaube aber auch, dass die Vorbereitungsarbeit mir eine gewisse Ruhe gegeben hat. Ich habe mit dem Kameramann Jo Milotorits  bereits sechs Monate vor Drehbeginn angefangen über den Stoff zu reden, Filme anzuschauen und die Stilistik herauszuarbeiten. Sehr erfahrene Leute am Set zu haben gibt einem auch eine gewisse Sicherheit. Man kann Sachen ausprobieren und weiß, wenn etwas nicht funktioniert, wird es jemanden geben, der mich darauf Aufmerksam macht.

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Es fühlt sich wie ein sehr persönlicher Film an...

Es floss viel aus meiner persönlichen Erfahrung mit rein, vor allem das Thema der Angststörung. Das war ursprünglich gar nicht so geplant. Es hat sich etwas reingeschlichen und ist irgendwie zum Hauptthema geworden.

Was hat dich daran so sehr interessiert?

Ich glaube es war die Auseinandersetzung mit meiner eigenen Angststörung zu der Zeit. „Nevrland“ hat es mir ermöglicht eine Distanz dazu einzunehmen, indem ich die Problematik einem fiktiven Charakter geben konnte. Es hat vielleicht auch einen therapeutischen Effekt gehabt aber es war auf alle fälle eine Möglichkeit eine andere Perspektive einzunehmen. Ich kann mich noch an den Moment im Schreibprozess erinnern als ich mir die Frage gestellt habe „Warum kommt die Angst so nahe?“. Die Antwort „um dich zu beschützen“ lag zwar auf einer gewissen Weise auf der Hand aber war für mich dennoch ein Schlüsselmoment sowohl im Schreibprozess als auch für mich persönlich. Die Angst ist ja eigentlich etwas Gutes. Sie will eigentlich immer beschützen, damit einem nichts passiert oder damit man im schlimmsten Fall nicht stirbt, wenn man das verstanden hat, kann man eine ganz andere Beziehung zur Angst aufbauen.

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Gibt es schon nächste Projekte an denen du arbeitest?

Es gibt drei konkrete Ideen denen ich mich nach dem Kinostart widmen werde, mal schauen was für mich als nächstes Sinn macht und was überhaupt realistisch ist in Österreich umzusetzen oder ob man vielleicht ins Ausland gehen muss aber jetzt bin ich mal sehr viel mit „Nevrland“ unterwegs.