Fahr zur Hölle, Lucifer! Endgültiges Aus nach finaler Staffel 5
Von Erwin Schotzger
"Lucifer" fliegt schon wieder aus dem Himmel der verlängerten TV-Serien. Netflix hatte den Fantasy-Krimi auf Basis der Comic-Vorlage von Neil Gaiman im Vorjahr übernommen, nachdem der US-Sender Fox die Serie nach der dritten Staffel nicht mehr verlängern wollte. Das angekündigte Serien-Ende führte damals zu einem Aufschrei der Fan-Community und einer Online-Petition. Dann tauchte Netflix als rettender Engel auf. Ein Jahr später, nur einen Monat nach der Veröffentlichung der vierten Staffel bei Netflix, hat der Streaming-Gigant nun mitgeteilt, dass die kommende fünfte auch die letzte Staffel von "Lucifer" sein wird.
Wie schon beim ersten Rauswurf von "Lucifer" aus dem Serien-Himmel, sind wir auch diesmal der Meinung: Zu Recht!
Aber fangen wir von vorne an.
"Lucifer" hat den guten Start in den Sand gesetzt
Die TV-Serie auf Basis einer kultigen Comic-Vorlage von Neil Gaiman hatte den besten Start, den sich eine TV-Serie nur wünschen kann: Schon im Vorfeld machten christliche Gruppen in den USA gegen den Satan als sympathische Hauptfigur einer TV-Serie mobil. Natürlich hatte diese Aktion die (aus Sicht der Initiatoren eher kontraproduktive, aus Sicht der Serie aber durchaus willkommene) Wirkung einer kostenlosen Werbekampagne.
Dann lieferte das TV-Projekt auch noch einen großartigen Piloten ab, der von "Californication"-Schöpfer und -Autor Tom Kapinos geschrieben wurde. Lucifer Morningstar war darin ein unbändiger Charakter, der mit bissigem Humor und beinahe laszivem Auftreten die gesellschaftlichen Konventionen in der Stadt der Engel in Frage stellte.
Zudem stand für die TV-Adaption auch ein Pool aus Charakteren und Geschichten zur Verfügung, aus denen die TV-Serie hätte schöpfen können. Aber nichts davon geschah.
"Lucifer" hat immer die falschen Wege eingeschlagen
Die großartige Vision, die Tom Kapinos in seiner Pilotepisode vor allem vom Hauptcharakter Lucifer Morningstar entwickelt hatte, wurden danach leider konsequent in den Sand gesetzt. Als Showrunner wurde Jonathan Littmann geholt, während Kapinos im weiteren Verlauf der Serie kaum noch involviert war. Doch Littmann und sein Team schafften es nicht, die im Piloten eingeführten Charaktere spannend weiterzuentwickeln. Littmann scheiterte vollkommen daran, der mit dem Briten Tom Ellis hervorragend besetzten Hauptfigur eine interessante Richtung zu geben.
- Statt einem möglichen Mystery-Thriller rund um den diabolischen, aber dennoch nicht bösen Lucifer Morningstar wurde aus der TV-Serie schon in der ersten Staffel eine Buddy-Cop-Komödie im Krimi-Stil mit einer Teenager-artigen Liebesgeschichte zwischen den beiden Hauptfiguren.
- Statt aus der supernaturalen Grundidee den Motor der Serie zu machen oder zumindest ein paar Anleihen aus der Comic-Serie fürs Fernsehen zu adaptieren, wurde brav ein "Kriminalfall der Woche" nach dem anderen abgearbeitet.
- Statt die christliche Moral und die Fundamente des herrschenden Systems als ein "cooler Hank Moody mit teuflischen Superkräften" ins Wanken zu bringen, wurde der Teufel zum unkonventionellen Polizeidetektiv degradiert und auf Druck des konservativen US-Senders Fox auf anstößige Inhalte verzichtet. Die Serien-Macher haben in diesem Bereich auch bei Netflix wenig Mut zur Veränderung gezeigt, wohl um die bestehende Fan-Community nicht zu vergraulen.
- Statt sich auf den Vater-Konflikt eines widerständigen Charakters zu konzentrieren, der nicht mehr nach vorgegebenen Regeln spielen will, wurde in der zweiten Staffel die Mutter des Teufels eingeführt. Der Satan – Gegenpol christlicher Moralvorstellungen, provokanter Systemkritiker und bis dahin auch nahezu unwiderstehlicher erotischer Verführer – wurde plötzlich zum Muttersöhnchen, peinlich berührt von der Nacktheit der Mama.
- Statt die erotische Energie zwischen Lucifer und Chloe in vollen Zügen zu genießen (und für die Serie zu nutzen), wurde der Weg einer Teenager-Serie gewählt, die den sexuellen Akt so lang wie möglich aufschieben muss (nicht nur aus dramaturgischen Gründen, sondern auch der puritanischen Botschaft wegen). Drei Staffeln lang wurde das Publikum mit der Frage hingehalten: Kommen sie zusammen oder nicht?
Das hat sich auch in der vierten Staffel nicht wirklich geändert. Mehr fleischliche Gelüste oder provokante Inhalte waren offenbar auch bei Netflix, wo die Restriktionen von Fox nicht mehr gelten, nicht drinnen? Und das mit dem Satan als Hauptfigur der Serie! Sogar das romantische Hinhaltespiel zweier Turteltauben, die einfach nicht zueinander finden, haben andere Serien schon wesentlich besser inszeniert.
Die Handlung blieb ebenso wie die Charakterentwicklung auch bei Netflix eher flach im Stil einer Seifenoper. Man denke nur an die kitschige Handlung rund um Amenadiel und die klischeehaften Krimi-Charaktere Dan Espinoza und Ella Lopez. Auch der anfangs hochinteressante Charakter der Therapeutin Linda Martin wurde mit der Zeit zur Witzfigur gemacht. Sie war letztendlich nur noch für Lacher, die banale Auflösung von Lucifers Problemlagen in der jeweiligen Episode und zuletzt für eine Beziehungsdrama mit Amenadiel gut.
Statt die zweite Chance zu nutzen und die Serie weiterzuentwickeln, haben die Serien-Macher die geplante vierte Staffel mit 24 Episoden bei Fox einfach nur als zwei Staffeln mit jeweils 10 Episoden bei Netflix umgesetzt. Zwar gab es in der ersten Netflix-Staffel durchaus positive Tendenzen, aber eben keine echte Weiterentwicklung. Die zweite Chance wurde nicht genützt. Selber Schuld!
"Lucifer" war wohl auch bei Netflix kein Publikumshit
Nach der Einstellung bei Fox lamentierte Serien-Showrunner Littmann darüber, dass es zwischen Lucifer und Chloe in der vierten Staffel endlich höllisch heiß zur Sache gegangen wäre. Dann kam die Rettung durch Netflix, dann die vierte Staffel. Nur die Einlösung des Versprechens von Littmann kam nie.
Wer zu lange hinhält, den holt der Teufel. Vielleicht hätte Littmann und sein Team doch mehr Mut beweisen sollen. Vielleicht wäre ein weniger konventionelles Serien-Konzept, auch weniger Krimi und mehr Mystery, klüger gewesen. Jedenfalls scheint "Lucifer" auch bei Netflix kein Publikumshit gewesen zu sein. Zwar schaffte es "Lucifer" kurz auf den dritten Platz der von Netflix UK seit kurzen wöchentlichen Top-10 der meistgesehenen Sendungen. Aber insgesamt dürfte die Performance der Serie den Streaming-Giganten nicht wirklich überzeugt haben. Einmal mehr war kein Trend nach oben erkennbar. Insofern ist die Entscheidung verständlich, die Serien mit der fünften Staffel abzuschließen.
"Lucifer" war eine ziemlich austauschbare Crime-Serie. Mit Blick auf das endgültige Serien-Ende kommt Wehmut bei mir nur auf, beim Gedanken an das nie entfaltete Potenzial. Kurz aufgeblitzt ist es nur in der Pilotepisode, gezündet hat "Lucifer" nie. Die einzige interessante Zukunftsperspektive für "Lucifer" wäre ein Reboot der TV-Serie mit Tom Kapinos als Autor: mit ähnlichem Einfluss wie bei "Californication", inklusive der erneuten Besetzung von Tom Ellis als Lucifer Morningstar.
Aber – verdammt nochmal – das wird nicht passieren!