"Echo": Ende und Post-Credit-Szene der Serie erklärt
Von Manuel Simbürger
Da "Echo" die erste MCU-Serie ist, die Disney+ auf einen Schlag und nicht im wöchentlichen Rhythmus veröffentlicht hat, sind wir sicher, dass ihr die fünf Episoden bereits durchgebinged (und euch über die gefühlten 20 Minuten Credits am Ende jeder Folge geärgert) habt. Nach den eher schwächeren Episoden 2 und 3 nimmt die Serie zum Schluss doch Fahrt auf, auch wenn das gemächliche Pacing beibehalten wird.
Das mag nicht allen Zuschauer:innen gefallen (auf "IMDB" und "Rotten Tomatoes" beispielsweise erhielt "Echo" eine eher schlechte Bewertung), wir jedoch begrüßen diesen Weg: denn erstmals nimmt sich Marvel wirklich Zeit, in die Psyche seiner Figuren einzutauchen – auch wenn dies zugegeben bei Antagonist Kingpin besser funktioniert als bei der Titelheldin selbst.
Wie auch immer: Wir verraten euch, wie die Serie zu Ende geht, was die Mid-Credit-Szene bedeutet und wieso der Titel "Echo" in der Serie nicht die gleiche Bedeutung hat wie in den Comics.
Bösewicht Kingpin ist wieder da
Kingpin aka Wilson Fisk ist aus New York zurückkehrt und möchte sich wieder mit Maya versöhnen, sie gar erneut in sein kriminelles Boot holen. Dass sie Monate zuvor auf ihn geschossen hat und er dabei beinahe ein Auge verloren hätte, tut Wilson Fisk als Vater-Tochter-Differenz ab – Streit kommt schließlich in den besten Familien vor!
Maya ist von der Rückkehr ihres Adoptivonkels aber weniger begeistert und lässt sich auch nicht vom High-Tech-Gadget beeindrucken, das Fisk bauen ließ, um sich ohne Gebärdensprache-Dolmetscher:in mit ihr verständigen zu können (zu seiner Verteidigung: der Wille zählt und die Umsetzung sah sehr cool aus!). Nachdem es zwar kurz so aussieht, als ob sich Maya mit Fisk wieder versöhnt, beschließt sie am Ende doch, nicht mit ihm nach New York zurückzukehren. Sie verlässt sogar ihr kleines Heimatörtchen, um (erneut) vor toxischen oder zumindest komplizierten Familienstrukturen zu fliehen.
Darauf reagiert Kingpin nicht nur enttäuscht und traurig, sondern sehr wütend. Er entschließt sich zu einer letzten Aussprache mit Maya – im Serienfinale kommt es schließlich zum Showdown zwischen den beiden.
Familie ist die stärkste Kraft
Auch mit ihrer echten Familie hat es Maya nicht einfach, obwohl die nur das Beste für sie wollen. Endloch kommt es zum längst überfälligen Gespräch zwischen ihr und ihrer entfremdeten Großmutter Chula. Beide werden von Visionen ihrer weiblichen indigenen Vorfahrinnen (die Lopez-Familie gehört dem Chactaw-Stamm an) verfolgt, was Maya verständlicherweise überaus irritiert. Maya erfährt, dass sie in den Visionen (unter anderem) nicht nur ihre tote Mutter Taloa sieht, sondern auch Chafa, die allererste Chactaw, die ihr Volk aus einer mystischen Höhle (und somit aus der Gefangenschaft) führte.
Im Finale lässt Kingpin Oma Chula und Mayas Cousine Bonnie entführen, um Maya zu zwingen, sich ihm erneut anzuschließen. Als Maya aber Widerstand zeigt, ist Kingpin sogar bereit, Gewalt gegen die eigentlich geliebte Adoptivtochter anzuwenden. In diesem Moment aber vereinen sich in Maya all die Kräfte, die Liebe, das Wissen und der Überlebenswillen ihrer Vorfahrinnen, was ihr übermenschliche Kraft verleiht. Maya kann diese übernatürlichen Kräfte sogar auf ihre Großmutter und Cousine übertragen. Gemeinsam schalten sie Kingpin und seine Anhänger mühelos aus.
Was bedeutet der Serientitel?
Im Finale wird endlich deutlich, was der Serientitel "Echo" wirklich bedeutet. In dem Comics nimmt Maya nämlich diesen Superheldinnen-Namen an, weil sie die Fähigkeit besitzt, den Kampfstil ihrer Gegner:innen 1:1 zu kopieren und sich anzueignen – wie ein Echo also. In der Serie aber (wahrscheinlich aufgrund der geerdeten Tonalität) besitzt sie diese Fähigkeit nicht.
"Echo" wird in der Serie stattdessen in Bezug zu Mayas indigenen Wurzeln gesetzt und somit neu definiert: Maya findet zu ihrer wahren Familie zurück, verbindet sich mit ihren Wurzeln und somit mit ihren Vorfahrinnen – was dazu führt, dass deren Kräfte in ihr widerhallen, wie ein Echo. Das verleiht dem Charakter der Maya Lopez eine stärkere Dreidimensionalität und Tiefe als in den Comics, die Empowerment-Message wird betont und wir fühlen uns mit ihr stärker verbunden. Dank ihrer Vorfahrinnen und ihrer Familie gelingt es Maya endlich, die Traumata ihrer Kindheit zu verarbeiten.
Maya therapiert Kingpin
Von ihrer toten Mutter erhält Maya auch die Fähigkeit des Heilens. Sie taucht dank dieser Gabe in die Gedanken von Kingpin ein und durchlebt mit ihm erneut seine dramatischen Kindheitserlebnisse: nämlich die Hilflosigkeit, die er als kleiner Junge fühlte, als sein Vater seine Mutter körperlich misshandelte – einer der stärksten, weil dramatischsten Szenen der Serie, superb gespielt von Vincent D'Onofrio!
Aus Wut und Verzweiflung griff der kleine Wilson damals zum Hammer und erschlug seinen Vater – der Ursprung für all die Wut, Rachegelüste und auch seiner späteren kriminellen Karriere. Maya versucht Kingpin dabei zu helfen, diesem Schmerz zu verarbeiten, indem sie (natürlich im Grunde nur metaphorisch) den bedeutungsschweren Hammer fallen lässt. Kingin, den wir nun besser verstehen als je zuvor und der nun endgültig zu einem der faszinierendsten Charaktere des MCU aufsteigt, ist verwirrt, fühlt sich emotional nackt und verlässt unter Tränen Mayas Heimatort und somit Maya selbst.
Und Maya? Diese hat endlich ihren Platz in ihrer echten Familie, Chula, Bonnie, Cousin Biscuits und Onkel Henry, gefunden. Seufz.
Post-Credit-Szene leitet zu "Daredevil" über
In einer kurzen Post-Credit-Szene (oder eher: Mid-Credit-Szene) sehen wir Kingpin, immer noch innerlich zerrissen, in seinem Privatjet auf dem Weg nach New York. Im TV sieht er die Nachrichten, die über die Bürgermeisterwahlen berichtet. Die Bevölkerung fordert einen Kandidaten, der "ihren Leid und Frust verstehen kann", einen "fäusteschwingenden Raufbold", ein "Außenseiter, der es nicht scheut, es mit dem Establishment aufzunehmen."
Sofort spiegelt sich neue Hoffnung in Wilson Fisks Gesicht: Könnte er den Ruf der verzweifelten New Yorker erhören und als Gangsterboss Kingpin der nächste Bürgermeister der Metropole werden?
Ein faszinierender Gedanke, immerhin wissen wir seit Lex Luthor, wie folgereich es sein kann, wenn ein Superheld-Erzfeind zu einem der mächtigsten Männer in der Politik aufsteigt. Vor allem aber ist Kingpins Interesse an der Bürgermeisterwahl die perfekte Rutsche zur kommenden Serie "Daredevil: Born Again", die den blinden Anwalt Matt Murdock (Charlie Cox) endgültig ins MCU einführt. Schon länger ist bekannt, dass "Echo" die Serie einläuten soll – nicht von ungefähr hatte Daredevil in der ersten Episode einen kurzen (aber prägnanten) Gastauftritt.
Man darf also davon ausgehen, dass sich Matt Murdock in "Daredevil: Born Again" mit einem politisch erstarkten Kingpin herumschlagen muss, der rechtlich wahrscheinlich gegen Vigilant:innen vorgehen wird. Glaubt man Gerüchten, wird diese "Vigilant:innen-Krise" auch ein großer Storyplot in "Spider-Man 4" mit Tom Holland sein, in dem Kingpin ebenso als Big Bad auftreten soll.
Was wurde aus den Kofgeldjägern?
Achja: Auf Maya war ein Kopfgeld ausgesetzt, das das brutale Black Knife Cartel unbedingt einheimsen wollte. Dieses Problem wurde von Mayas Onkel Henry und ihrem Cousin Biscuits im Finale im Vorbeigehen erledigt. Das war's. War ehrlich gesagt nicht sehr aufregend, das Ganze.
"Echo" ist auf Disney+ zu sehen. Hier geht's zur Serie!