Die 12 besten Kinofilme 2020
Von Erwin Schotzger
Für Kinos und Kinobetreiber war das Kinojahr 2020 eine Katastrophe. Durch die globale COVID-19-Pandemie mussten auch in Österreich die Kinos immer wieder den Betrieb einstellen und die großen Hollywood-Studios haben ihre Blockbuster-Filme auf das nächste Jahr verschoben. Daher kamen ab Mitte März 2020 nur mehr wenige Filme ins Kino. Unser Liste schöpft daher auch aus einem wesentlich geringeren Angebot an Filmen, die heuer in den heimischen Kinos zu sehen waren.
Das sind unsere Top-10 der Kinofilme 2020 plus zwei kleine Indie-Meisterwerke außer Konkurrenz, die es nicht ins Kino, aber immerhin zur diesjährigen Viennale geschafft haben:
Kajillionaire
Diese Tragikomödie von Writer/Directorin Miranda July beginnt als "Slice-of-Life"-Film über eine schrullige Familie am Rande der Gesellschaft und endet als queere Liebesgeschichte und wunderbares Kinoerlebnis. Leider hat es "Kajillionaire" aufgrund des zweiten Lockdowns im Jahr 2020 nicht in die heimischen Kinos geschafft, wurde aber immerhin im Rahmen der diesjährigen Viennale gespielt. Es bleibt zu hoffen, dass die sehenswerte Dramedy im Jahr 2021 doch noch auf der Kino-Leinwand zu sehen sein wird.
First Cow
In diesem berührenden Western ist nichts so, wie man es von einem Western erwarten würde. Zunächst einmal beginnt die Geschichte in der Gegenwart und springt dann zurück in die 1820er-Jahre irgendwo in Oregon. Dort entwickelt sich eine außergewöhnliche Männerfreundschaft zwischen einem Koch mit dem bezeichnenden Spitznamen Cookie (John Magaro) und einem chinesischen Immigranten namens King-Lu (Orion Lee). Cookie träumt vom Kuchenbacken, doch er hat kein Geld für Milch. King-Lu überredet ihn, die einzige Milchkuh in der Gegend nachts heimlich zu melken. Bald floriert das Geschäft mit kleinen Kuchen. Leider hat es auch diese in ruhigen Bildern erzählte Geschichte der US-Regisseurin Kelly Reichardt über Freundschaft und die Tücken des "Amerikanischen Traums" nicht in die heimischen Kinos geschafft, war aber im Rahmen der diesjährigen Viennale zu sehen.
Die 10 besten Filme im Kino 2020
10. Tenet
Der einzige Blockbuster nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie war ein Hoffnungsschimmer für Kinos und ein Experiment von Warner Bros, das leider schief ging. Zwar zeigte sich Regisseur Christopher Nolan mit dem Einspielergebnis angesichts der Umstände zufrieden, aber das Hollywood-Studio dürfte anderer Meinung sein. Denn alle Warner-Kinofilme werden 2021 zeitgleich im Kino und via Streaming erscheinen.
Zum Film selbst: Wie immer ist der Zeitreise-Agentenfilm von Nolan mit Blick auf Plot und Spezialeffekte sehr ambitioniert. Trotzdem hat Nolan schon Besseres geboten. Unser Fazit: Nolan versucht aus Versatzstücken seiner einstigen Blockbuster wieder eine möglichst ungewöhnliche Geschichte zusammenzubasteln, erreicht dabei aber nicht die Überzeugungskraft seiner früheren Werke. In einem normalen Kinojahr wäre "Tenet" wohl nicht unter unseren Top-10 gelandet.
9. The Vigil – Die Totenwache
Abseits von üblichen Horror-Klischees erzählt Writer/Director Keith Thomas in "Die Totenwache", so der deutsche Titel, eine nervenzerfetzende Geistergeschichte in einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde in New York. Yakov (Dave Davis), ein junges Mitglied der chassidischen Gemeinde, wird über Vermittlung eines Rabbiners für eine nächtliche Totenwache bezahlt. Dass er schon der Zweite ist, der mit dieser Aufgabe betraut wird, und sein Vorgänger mit Schrecken die Flucht ergriffen hat, sollte ihm zu denken geben. Doch Yakov braucht das Geld.
8. Sonic the Hedgehog
Diese Videospiel-Verfilmung mit Jim Carrey und James Marsden ist ein gelungenes Action-Abenteuer für die ganze Familie. Die amüsante Geschichte könnte man als eine Kombination aus "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" und "E.T." bezeichnen: Sonic, ein superflinker und einsamer Außerirdischer, versteckt sich im Wald nahe einer Kleinstadt. Als der skrupellose Wissenschaftler und Egomane Dr. Ivo Robotnik (Carrey) auf ihn aufmerksam wird, sucht er Hilfe beim gutmütigen Kleinstadt-Sheriff Tom Wachowski (Marsden). Auf der Flucht vor dem fiesen Doktor werden die beiden Freunde.
7. Jojo Rabbit
Der Hitlerjunge Johannes (Roman Griffin Davis), genannt Jojo, lebt während des Zweiten Weltkrieges alleine mit seiner Mutter Rosie (Scarlett Johansson) in einer deutschen Kleinstadt. Sein Vater ist an der Front, seine ältere Schwester verstorben. Das Ende des Krieges ist absehbar: Nazi-Deutschland befindet sich in einem absurden Abwehrkampf bis zum letzten Mann und Kind.
Doch der Zehnjährige hat einen mächtigen imaginären Freund, der ihm durch diese wirren Zeiten hilft: Adolf Hitler. Mit Hilfe dieses originellen Tricks personalisiert Regie-Zampano Taika Waititi die Indoktrination des Hitlerjungen – und auch den Prozess der Infragestellung ebendieser als etwas passiert, das nicht in das rassistische Weltbild passt. Dabei gelingt Waititi die Gratwanderung zwischen bissiger Satire und einfühlsamer Tragikomödie, zwischen Humor und Ernsthaftigkeit.
6. Niemals selten manchmal immer
Das brennende Thema dieses Dramas von Writer/Directorin Eliza Hittman kreist um das Recht der 17-jährigen Autumn (Sidney Flanigan) auf Abtreibung. Als sie ungewollt schwanger wird, kann sie nicht auf die Unterstützung ihrer Familie zählen. Gemeinsam mit ihrer Cousine Skyler (Talia Ryder) macht sie sich im Bus auf den Weg nach New York City. Im Gepäck nur das zusammengekratzte Geld für die Abtreibung und die Adresse einer Klinik – und sonst keinen Plan. Der Beginn einer ebenso nervenaufreibenden wie bewegenden Reise, getragen von Freundschaft, Mut und Mitgefühl. Statt großer Emotionen stehen hier kleine Gesten im Vordergrund, die den Figuren eine subtile Tiefe verleihen.
5. The Lodge
Das österreichische Regie-Duo Veronika Franz und Severin Fiala entfesselt inmitten einer kanadischen Winterlandschaft einen beklemmenden Psychothriller: Nach einer traumatischen Erfahrung überredet Psychiater Richard (Richard Armitage) seine beiden Kinder, den Teenager Aiden (Jaeden Martell) und seine jüngere Schwester Mia (Lia McHugh), dazu, die Weihnachtsfeiertage gemeinsam mit seiner neuen Freundin Grace (Riley Keough) in einer abgeschiedenen Hütte zu verbringen. Dort führen die Ablehnung der Kinder und die labile Gemütslage von Grace zu einem klaustrophobischen Kammerspiel.
4. Knives Out – Mord ist Familiensache
Murder-Mystery-Krimi und humorvolle Hommage an die Klassiker von Agatha Christie mit Star-Besetzung: Daniel Craig spielt den Meisterdetektiv Benoit Blanc, der den mysteriösen Tod von Harlan Thrombey (Christopher Plummer) aufklären soll. An seinem 85. Geburtstag wurde der Bestseller-Autor und Familienpatriarch ermordet. Alle seine Verwandten im Haus haben ein Motiv. Blanc muss herausfinden, wer der Mörder ist. Auf der Besetzungsliste stehen außerdem: Chris Evans, Jamie Lee Curtis, Ana de Armas, Don Johnson, Toni Collette und Michael Shannon. Ein Pflichttermin für Krimi-Fans!
3. Emma
Mit Anya Taylor-Joy ("Das Damengambit", "Split") in der Hauptrolle hat die ehemalige Modefotografin Autumn de Wilde den neben "Stolz und Vorurteil" wohl meistverfilmten Klassiker von Jane Austen neuverfilmt. Im Mittelpunkt steht die altkluge Emma Woodhouse, die lieber als Kupplerin agiert als sich selbst verkuppeln zu lassen. Bei ihrem Film beweist de Wilde ein sinnliches Faible für trendige Kleider, schöne Stoffe und modische Accessoires. In dieser Austen-Verfilmung kommt es auf jedes kleinste Detail an.
2. 1917
Mit "1917" hat "Bond"-Regisseur Sam Mendes einen beeindruckenden Kriegsfilm über die Erlebnisse zweier Soldaten in sensationeller Echtzeit-Optik inszeniert. In einer Kamerafahrt, die so dargestellt wird, als ob sie ohne Schnitte auskommt, folgt er seinen Helden durch die Schlachtfelder, Schützengräben und Wirren des Ersten Weltkrieges. Durch den Eindruck einer einzigen Einstellung entstehen ein rasantes Tempo und eine beachtliche Nähe zum Geschehen. Derart authentisch in all seinen Schrecken war ein Kriegsgeschehen bisher wohl noch nie auf der großen Leinwand zu sehen.
1. The Gentlemen
Guy Ritchie hat sich in diesem Jahr mit einem kultverdächtigen Gangsterfilm zurückgemeldet und es sogar noch vor dem ersten Lockdown in die heimischen Kinos geschafft: Matthew McConaughey will sein Marihuana-Imperium verkaufen und sich zur Ruhe setzen. Seine Konkurrenten legen das als Schwäche aus. Böser Fehler!
"The Gentlemen" ist ein Pflichttermin für Fans von originellen, temporeichen Actionfilmen mit großartiger Besetzung. Zwar kommt Guy Ritchie nicht ganz an den verwegenen Schmäh seiner beiden Action-Kultfilme "Bube, Dame, König, Gras" (1998) und "Snatch" (2000) heran. Aber er liefert eine spektakuläre Achterbahnfahrt mit einem Ideenreichtum und einer Detailverliebtheit, wie man sie in Zeiten generischer Superhelden-Action im Kino nur noch selten zu sehen bekommt.
Übrigens lag "The Gentleman" unter dem virtuellen Weihnachtsbaum: Seit 24. Dezember ist der Film im Amazon-Prime-Abo enthalten.