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Daniel Ebner über Vienna Shorts: "Das ist eine Zäsur"

Auf grund des Coronavirus verlagern sich soziale Kontakte immer mehr ins Netz. Auch die Filmbranche ist dadurch gezwungen umzudenken und Konzepte zu entwickeln, mit denen sie in Zeiten von social distancing ihr Publikum erreichen kann. Die 17. Ausgabe des Vienna Shorts Kurzfilmfestivals wird auf einer Online-Plattform stattfinden, die in Kooperation mit anderen internationalen Kurzfilmfestivals ins Leben gerufen wurde. Wir haben mit dem Co-Festivalleiter Daniel Ebner über die Herausforderungen gesprochen die ein Online-Festival mit sich bringt.

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Das „Vienna Shorts“ findet von 28.5.-2.6. online statt. Wie wird dieses Online-Festival aussehen?

Wir arbeiten gemeinsam an einer Online-Plattform mit den Kurzfilmtagen Oberhausen, dem Go Short Filmfestival in den Niederlanden und dem Short Waves Festival in Polen. Wir haben zwar unsere klaren Vorstellungen, aber dadurch, dass wir uns die Plattform teilen, sind wir bis zu einem gewissen Grad auch einfach davon abhängig, was sich technisch umsetzen lässt. Das Ziel wäre es, dass es einen fixen Festivalzeitplan gibt und die Programme zu den jeweiligen Spielzeiten live gestreamt werden können. Die Filmschaffenden werden im Anschluss dazugeschaltet, damit es die Möglichkeit gibt, sich mit dem Publikum auszutauschen. Sobald das Programm beendet ist, wird es für 48 Stunden on demand zur Verfügung stehen. Wir wollen die Filme nicht einzeln, sondern als kuratierte Programme präsentieren, um möglichst nahe an das analoge Festivalerlebnis heranzukommen. Das Festival wird deutlich reduziert werden. Statt 60-70 Programmpunkten werden es voraussichtlich 25-30 werden. Mit Ausnahme von akkreditierten Branchenmitgliedern werden die Filme ausschließlich in Österreich sichtbar sein.
 

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Eines der ersten großen Kulturveranstaltungen, die in Österreich abgesagt werden mussten, war die Diagonale. Was waren deine Gedanken, als du in den ersten Wochen von diesen Maßnahmen gehört hast? Wie hat euer Entscheidungsprozess ausgesehen, das Festival ins Netz zu verlagern?

Der Prozess war ein schwieriger, weil man natürlich zuerst einmal mitkriegt, wie nicht nur die Diagonale, sondern auch internationale Festivals, mit denen wir über viele Jahre zusammengearbeitet haben, gezwungen waren, diese sehr harten Entscheidungen zu treffen. Aufgrund der Entwicklung war für uns schon sehr früh klar, dass wir eigentlich fast nicht davon ausgehen können, dass das Festival zum geplanten Zeitpunkt stattfinden wird. Wir haben so schnell wie möglich versucht die Lage mit den öffentlichen Stellen abzuklären, weil wir natürlich eine gewisse Verantwortung tragen: Auf der einen Seite waren bereits Verträge abgeschlossen und hatten die Leute schon mit ihrer Arbeit angefangen. Da gibt es eine soziale Verantwortung gegenüber dem Team. Auf der anderen Seite haben wir eine Verantwortung gegenüber den Filmschaffenden, das ist schon ein wesentlicher Aspekt. Als Festival sind wir ja im Idealfall sowas wie der Multiplikator für die Filme und die Filmschaffenden. Ich bin wirklich sehr glücklich, dass die öffentlichen Stellen so toll reagiert haben. Die Stadt Wien und das Bundeskanzleramt haben uns beide zugesagt, dass wir mit der zugesagten Förderung rechnen können, und damit war uns klar, dass wir die Verantwortung gegenüber unserem Team auch wahrnehmen können. Von dem Punkt ausgehend, haben wir uns überlegt, was wir machen können, damit die Filme, die bei uns eingereicht waren und zum Teil ja bereits in Rotterdam, Berlin oder Toronto gezeigt wurden, nicht zu einer „verlorenen Generation“ werden und von der Bildfläche verschwinden. Nachdem es mit Oberhausen, Go Short und Short Waves diese Gespräche über eine digitale Festivalstruktur schon gab hatten wir zumindest schon so eine gemeinsame Basis, von der aus man versuchen konnte, eine gemeinsame Lösung zu finden, um die Filme, die ja schon alle gesichtet und ausgewählt waren, auch zugänglich zu machen.

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Was sind die größten Herausforderungen, wenn man ein Festival ins Internet verlegt?

Am Anfang war die Verlockung sehr groß, dadurch dass man im Internet und im digitalen Raum ist, zu glauben, es gibt überhaupt keine Grenzen und Regeln mehr. Man glaubt plötzlich die Möglichkeit zu haben, ein riesiges Publikum zu erreichen, aber merkt dann schon nach den ersten Gesprächen mit Verleihern und Filmschaffenden, dass das so nicht der Fall ist. Die Festivals, die nach uns kommen, sei es Locarno oder Venedig, sagen natürlich, wenn ein Film im Internet zugänglich war, dann hat er keine Chance mehr bei ihnen zu laufen. Damit wird dann relativ schnell mal klar, dass eine territoriale Einschränkung notwendig ist. Wir haben uns angesehen, wie das auf anderen Plattformen in Österreich funktioniert, wie macht das der Kino VOD Club, wie macht das Flimmit, wie hat das die Diagonale gemacht. Da waren einige attraktive Sachen dabei und andere Sachen, bei denen wir das Gefühl hatten, dass man sehr stark aufpassen muss, um nicht die eigentliche Aufgabe des Festivals zu vergessen: eben diese Multiplikator-Position einzunehmen und nicht gleichzeitig auch die Sekundärverwertung von Filmen mitzunehmen, die noch mitten in ihrer Festivalauswertung sind.

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Filmfestivals sind nicht nur Orte, wo man Filme anschauen kann, sondern wo man auch in einen Austausch mit den Filmschaffenden und dem Publikum kommt. Gibt es Überlegungen, solche „Get-togethers“ online stattfinden zu lassen?

Diese Überlegungen gibt es. Die laufen gerade auf mehreren Ebenen. Da geht es einerseits um ein Branchenprogramm und wie man Panels als Videokonferenzen organisieren kann. Es stellt sich halt die Frage, ob es sinnvoll ist, sowas wie die Masterclass des französischen Filmemachers Jean Gabriel Périot, die gemeinsam mit dem Filmmuseum geplant war, so zu machen, dass eine Person eine Stunde lang für ein Publikum am Bildschirm redet. Wir überlegen, wie man eben auch diesen Drink an der Festivalbar oder das Gespräch im Kinofoyer ersetzen kann. Es gibt derzeit mehrere Überlegungen, wie wir das schaffen können; ob wir das schaffen, kann ich jetzt noch nicht sagen. Wir versuchen es auf jeden Fall. Das ist wahrscheinlich der schwierigste Aspekt.

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Hat die Tatsache, dass das Festival im Internet stattfindet, eure Filmauswahl beeinflusst? Wurden Filme ausgewählt, die online besser funktionieren?

Das war überhaupt keine Überlegung, weil die meisten Entscheidungen schon gefallen sind, bevor die ganze Situation ausgebrochen ist. Die Gedanken gingen eher in die Richtung, was will man zusätzlich noch zum Wettbewerb anbieten. Da sind unsere Überlegungen schon auch in die Richtung gegangen, was für ein breiteres Publikum ansprechend wäre, vor allem in den Spätabendprogrammen mit dem Trash Programm „Trés chic“ oder dem Horrorprogramm "Nightmares". Im Endeffekt ging es uns aber um eine Reduktion. Das Wichtigste für uns war, den Wettbewerb aufrecht zu erhalten, den Jurys zu ermöglichen, die Filme zu sehen und dass die Filme auch einem Publikum und einer Branche zugänglich gemacht werden. Ich glaube, wenn wir wüssten, das Online-Festival findet in einem Jahr statt, könnten wir das von Grund auf ganz anders planen. Dann hätte man die Zeit, sich zu überlegen, was funktioniert besser im Netz und was besser im Kino

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Wie stark wird die Auswirkung des Coronavirus auf die Kurzfilm- und Kulturbranche deiner Meinung nach sein?

Das ist eine wirklich sehr gute Frage, da bin ich immer noch ein bisschen überfordert. Ich habe mit einigen Leuten in den letzten Wochen geredet und wir haben überlegt, wie ein Kino- oder Festivalerlebnis überhaupt noch funktionieren kann, wenn möglicherweise diese ständige Angst im Hintergrund ist, dass man sich vielleicht wo anstecken könnte. Ich weiß, dass da viele Leute auch schon eine sehr starke Angst verspürt haben. Da geht es ja nicht nur um das Kino, sondern auch um Theater, Konzerte und Sportveranstaltungen. Ich gehe sehr gerne ins Stadion, aber muss zugeben, dass ich mir das in der jetzigen Situation schwer vorstellen kann. Die Frage ist, wie kann man sowas dann wieder aus den Köpfen kriegen. Im Endeffekt ist die Hoffnung da, dass der Mensch schnell vergisst und auch Dinge wieder wegschieben kann, wenn es wieder in Richtung Normalität geht. Jetzt im Moment habe ich schon das Gefühl, dass es einige Institutionen sehr hart trifft. Vor allem Institutionen in Ländern, wo es eben eine nicht so gute öffentliche Förderung gibt. Ich habe mit Kollegen aus Skandinavien genauso gesprochen wie mit Kollegen aus Italien und Spanien, wo die Situationen teilweise völlig konträr sind und nicht alle wissen, ob sie nächstes Jahr überhaupt noch stattfinden können. Insofern kann ich mir gut vorstellen, dass das eine Zäsur ist - ich hoffe nicht allzu einschneidend.

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Bei euch hat sich auch abseits von Corona-Maßnahmen viel getan. Ihr habt euch von "VIS Vienna Shorts"(davor "Vienna Independent Shorts") in "Vienna Shorts" umbenannt und euer Logo geändert. Was waren die Gedanken hinter dem Rebranding?

Ein wesentlicher Gedanke war, dass es in den vergangenen Jahren immer wieder Verwirrungen rund um diesen Namen gab. Wir haben uns wahrscheinlich auch im Zuge dieser Jahre nie dazu durchringen können, eine endgültig klare, gut strukturierte Entscheidung zu treffen – und das hat dann zu sehr vielen Kompromissen geführt. Ein Gedanke hinter dem aktuellen Rebranding war auch, dass wir auch die Programmstruktur ändern wollten; das wird jetzt leider weniger sichtbar sein, aber wir hätten etwa deutlich mehr im Live- Segment geplant gehabt. Was auch ein wesentlicher Aspekt war:, wir wollten alles stärker auf den Punkt bringen. Das ist es, was den Kurzfilm ausmacht, deswegen auch dieser Pfeil im neuen Logo. Wir können sehr schnell sein. Wir können sehr direkt sein. Wir können Dinge schnell auf den Punkt bringen. Wir wollen, was wir machen, präziser und prägnanter machen, und das wollen wir auch mit der neuen Grafik zum Ausdruck bringen. Ich glaube, wir haben viele verschiedene Stationen durchgemacht, vom anfänglichen Ausprobieren im studentischen Kontext über dieses Selbstdefinieren und Platzieren in einem internationalen Rahmen, wo dann die ganzen Qualifikationsrichtlinien für internationale Preise (Oscar, Bafta, EFA) dazu gekommen sind. Jetzt haben wir so das Gefühl, es ist ein guter Zeitpunkt, um klar zu machen und festzuschreiben wofür wir stehen und wie wir uns nach außen präsentieren wollen.


 

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Mit dem Rebranding habt Ihr auch neue Compliance Richtlinien präsentiert. Was steckt dahinter?

Solche Richtlinien sind im Kulturbereich sehr unüblich. Hier wird oft die Ausbeutung und die Selbstausbeutung in Kauf genommen, im Gefühl an einer guten Sache mitzuwirken. Diesem Teufelskreis und den Kompromissen, die damit einhergehen, wollten wir mit den Compliance-Regeln aktiv entgegenwirken. Wir sehen uns als politisches Festival, das inhaltlich und ökologisch nachhaltig arbeiten will. Uns ist es wichtiger, unser Team fair zu bezahlen, anstatt immer größer und größer zu werden. All diese selbst auferlegten Vorgaben einzuhalten ist eine Herausforderung. Es ist zum Beispiel schlichtweg teurer, wenn man Gäste nicht einfliegt, sondern mit dem Zug nach Wien bringt. Die Compliance- Richtlinien sind auf sehr vielen Ebenen sehr gut aufgenommen worden. Wir haben ein erstes Modell letztes Jahr in Turin vorgestellt. Da gab es zig internationale Anfragen, ob wir das nicht teilen und verbreiten können. Wir haben das Papier vergangenen Herbst auch der Wiener Kulturstadträtin Kaup-Hasler präsentiert, die sehr begeistert war und gemeint hat, sie würde sich wünschen, dass alle Festivals so ein Papier als Basis hätten. Wir Kulturveranstalter haben all diese Dinge zwar stets im Hinterkopf, aber sind gewohnt, bei gewissen Dingen sehr schnell Kompromisse einzugehen; wenn du das jedoch als Regelpapier für dich selbst festgelegt hast und du weißt, du musst dich daran halten, dann ist das eine völlig andere Grundlage. Man kann dadurch viel befreiter agieren. Es hat uns letztendlich auch sehr geholfen, weil damit nach innen und nach außen auch klar ist, dass wir uns definitiv die eigenen Regeln halten werden

Nähere Infos zum Ablauf und erste Programmpunkte findet Ihr hier.