"Beau is Afraid": Ende vom verrücktesten Film des Jahres erklärt
Von Oezguer Anil
"Beau is Afraid" läuft derzeit in unseren Kinos und scheint sich jetzt schon den Platz als verrückteste Film des Jahres gesichert zu haben. Eigentlich fängt alles ganz normal an. Beau (Joaquin Phoenix) sitzt bei seinem Therapeuten und bereitet sich emotional darauf vor, seine Mutter zu besuchen. Als er jedoch auf die Straße hinaustritt, wird klar, dass Beaus Realität von Angst bestimmt ist.
Anstatt die Welt so wahrzunehmen, wie sie ist, sieht er alles durch die Verzerrung seiner Angst. In Beaus Welt laufen Kinder mit Maschinengewehren durch die Straße, Schulden von wenigen Cent bringen einen ins Gefängnis und ein nackter Messenmörder macht sein Viertel unsicher. All diese Ängste sorgen dafür, dass der geplante Trip zur Mutter sich deutlich komplexer gestaltet als gedacht.
Spoilerwarnung!
Worum geht es in "Beau is Afraid"?
Gerade als Beau seine Reise antreten will, werden ihm seine Koffer gestohlen, er droht an einer Pille zu ersticken und seine Wohnung wird von fremden Menschen verwüstet. Schließlich kommt er, der lange befürchtete Anruf, der ihm mitteilt, dass seine Mutter verstorben ist. Voller Schuldgefühle macht er sich auf den Weg zur Beerdigung und stürzt dabei von einem Abenteuer ins nächste.
Muttermord
Als Beau schließlich im Haus seiner Mutter ankommt, hat er das erste Mal in seinem Leben Sex. Er hat es vermieden, mit anderen Menschen intim zu werden, da seine Mutter ihm gesagt hat, sein Vater wäre kurz nach seinem ersten Orgasmus, der zu ihrer Befruchtung mit Beau führte, gestorben und ihn werde das gleiche Schicksal ereilen.
Kurz nach seinem ersten Höhepunkt stirbt Beau jedoch nicht, sondern seine Mutter erwacht zum Leben. Sie hat ihren Tod nur vorgetäuscht, um die Liebe ihres Sohnes zu testen. In einem langen Streit wirft Beaus Mutter ihm seine Rücksichtslosigkeit vor und untermauert ihre Argumente durch heimliche Mitschnitte, die Beaus Therapeut in den letzten Jahren angefertigt hat. In seiner Verwirrung und Wut gerät Beau in ein Delirium, in dem er schließlich seine Mutter erwürgt.
Was bedeutet das Ende von "Beau is Afraid"?
Nach dem Muttermord fährt Beau mit einem Boot auf einem See davon. Doch gerade als er glaubt, seine Vergangenheit hinter sich lassen zu können, findet er sich in der letzten Szene des Films in einem riesigen Stadium wieder, dessen Mitte mit Wasser gefüllt ist. Die Ränge sind gefüllt mit Menschen. Auf der einen Seite steht die verstorbene Mutter mit einem Anwalt, der Beau alle seine Bösartigkeiten ihr gegenüber vorwirft. Auf der anderen ein Verteidiger von Beau, der jedoch erdrosselt und verschleppt wird.
Während Beau sich seine bösen Taten anhören muss, steht er in der Mitte des Wasserstadiums auf seinem Boot. Der Motor fängt plötzlich an zu brennen und Beau wird immer panischer. Das Boot explodiert und Beau stürzt ins Wasser.
Ödipuskomplex
Ein Thema, das sich durch den ganzen Film durchzieht ist der Ödipuskomplex. Die von Sigmund Freud entworfene Theorie besagt, dass im Kindesalter Jungs eine sexuelle Anziehung zu ihrer Mutter verspüren und den Vater als größten Rivalen sehen. “Beau is Afraid” fängt mit der Geburt der titelgebenden Hauptfigur an. Nach diesem Zeitpunkt ist sein gesamtes Leben von Angst und Schuldgefühlen geprägt. Seine Mutter hat seine Sexualität entscheidend geprägt und sorgt bei ihm unter anderem auch für Alpträume über Monsterpenise.
Mehrmals wird angedeutet, dass Beau diesem Leben entkommen möchte, doch seine Ängste lassen ihn nicht los. Die letzte Szene findet nicht zufällig im Wasser statt. Das Stadium ist ein Symbol für Beaus Angst. Es wird auf ihn eingeschrien und er möchte vor den Menschen entkommen. Der einzige Ort, an dem für ihn alles in Ordnung war, war der Mutterleib. Der Sturz ins Wasser ist somit eine Metapher zur ersten Szene des Films und kann als Flucht in die Gebärmutter gesehen werden. Somit bilden in Beaus Universum Tod und Geburt einen sich schließenden Kreis, der von der übermächtigen Mutterfigur bestimmt wird.