Filmkritiken

NATIONALHELD ODER MASSENMÖRDER?

In Clint Eastwoods neuem Film spielt Bradley Cooper einen Scharfschützen, der im amerikanischen Kriegs-Dienst zum Massenmörder und/oder Nationalhelden wurde – die Entscheidung hängt vom Standpunkt und Patriotismus der Betrachter ab. Aber so viel ist gewiss: ein Mann, der über 160 Menschen mit tödlichen Kugeln gespickt hat, kann kaum ein Sympathieträger sein. Noch dazu, wenn man weiß, wie Chris Kyle in seiner Autobiografie über seine Kampfeinsätze berichtet und das Töten der „Feinde“ genussvoll nachvollzieht: für ihn, der sich die Welt in strenges Schwarz-Weiß einteilte, waren die Iraker eben „Wilde“.

Man kann es nur als tragische Ironie des Schicksals betrachten, dass Kyle am 2.2.2013 auf einem texanischen Schießplatz durch die Kugeln eines jungen Veteranen des Irak-Kriegs getötet wurde (wobei es wohl nur amerikanischen Gehirnen einleuchtet, weshalb man unter Veteranenbetreuung eine Stunde mit dem Gewehr in der Hand versteht).

Bradley Cooper scheint dieser Film ein Herzensanliegen gewesen zu sein, da er als Koproduzent für das Zustandekommen des Projekts gesorgt hat. Er tut sein Bestes, um Kyle ein menschliches Gesicht zu verleihen und ihn nicht bloß als eine mit unerbittlicher Präzision arbeitende Abschussmaschine auftreten zu lassen. Gleich zu Beginn ist er gezwungen, auf ein Kind zu feuern, wobei Eastwood nach dem Schuss eine längere Rückblende über Kyles Kindheit und Werdegang einschaltet, um dann erneut in die tragische Szene zu münden. Der Schütze steckt dieses und ähnliche Erlebnisse zumindest laut Drehbuch doch nicht so leicht weg und sie verfolgen ihn nach seiner Rückkehr in die Heimat, was ihn aber nicht daran hindert, in fast zwanghaftem Pflichtbewusstsein seine Familie für drei weitere Kriegseinsätze Richtung Irak zu verlassen. Gerade in der Darstellung der meist gesichtslos bleibenden Feinde bedient sich der Film übler Klischees: wenn sie nicht Granatwerfer schultern oder andere Waffen verwenden, schrecken die fanatischen Bösen auch nicht davor zurück, Kinder mit Bohrmaschinen zu foltern oder Regale mit Leichenteilen zu füllen.

Die filmische Dramaturgie sieht vor, dass alles auf ein Duell mit einem gleichwertigen Gegner hinausläuft: der irakische Scharfschütze - offenbar der Einzige seiner Zunft - führt ebenfalls ein Familienleben mit Waffe, Frau und Kind und bringt den US-Soldaten schwere Verluste bei, bevor er durch einen fast unmöglich erscheinenden Schuss ausgeschaltet wird.

Richtig pathetisch wird es dann zum Schluss, denn der Nachspann präsentiert sich als große Trauerfeier für Chris Kyle, bei der Originalaufnahmen des Leichenzugs mit Menschenmassen und Sternenbannern in jeder nur erdenklichen Größe ins Bild kommen. (Wobei sich doch die störende Betrachtung aufdrängt, dass wohl kein einziges von Kyles vielen Opfern ein auch nur annähernd würdiges Begräbnis erhalten hat.) Nach dem Verklingen der Trauermusik zieht der restliche Abspann dann in völliger Stille an uns vorüber, was wie eine regelrechte Aufforderung ans Publikum wirkt, sich für eine Gedenkminute von den Plätzen zu erheben. Zugegeben: dieser Moment wurde taktisch sehr günstig gewählt, denn wir stehen ja tatsächlich auf - allerdings, um das Kino zu verlassen.

Bei aller Skepsis für ein reichlich unreflektiertes Werk, das sich nur an der Perspektive der problematischen Hauptfigur orientiert, nötigt uns zumindest Eastwoods Regieleistung uneingeschränkte Bewunderung ab: hier stemmt ein 84jähriger einen Film, dessen Dreharbeiten extrem kräftezehrend gewesen sein müssen. Hoffentlich lässt Eastwood in seiner Laufbahn als Regisseur möglichst bald einen Film mit gänzlich anderer Thematik folgen, damit nicht dieser patriotische Gewalt-Akt zum Abschluss seiner Karriere wird. 5 von 10 menschenfreundlichen Platzpatronen.

(franco schedl)
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