Filmkritiken

"Nach einer wahren Geschichte": Von einer echten Enttäuschung

Fünf Jahre hat uns Roman Polanski seit "Venus im Pelz" auf einen neuen Film warten lassen - und das Ergebnis ist, um es kurz und schonungslos vorweg zu nehmen, enttäuschend. Das liegt vielleicht auch daran, dass er das Drehbuch gemeinsam mit dem Berufskollegen Oliver Assayas geschrieben hat und tatsächlich könnte die angeblich "wahre Geschichte" eine neue Version von dessen "Die Wolken von Sils Maria" sein. Wieder stehen zwei Frauen im Mittelpunkt, wieder handelt es sich bei der einen um eine ältere ausgebrannte Künstlerin (statt Schauspielerin haben wir es eben nun mit einer Schriftstellerin zu tun) und die andere, wesentlich jüngere, wird zu einer Art Nothelferin, weist aber zugleich auch gefährliche Züge auf.

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Eine seltsame Fremde

Emmanuelle - Polanskis unverzichtbare Lebensgefährtin und Lieblingsdarstellerin - spielt diesmal eine gefeierte Autorin, die gerade in einer Existenzkrise steckt. Delphines letztes Werk war ein Riesenerfolg und die Fans bestürmen sie bei jeder Gelegenheit. Wir merken aber gleich in den ersten Minuten, anlässlich einer Autogrammstunde, wie ausgebrannt diese Frau ist - sie denkt nur daran, die Leute abzuwimmeln und den Rückzug anzutreten. Eine bestimmte Person hat es ihr aber trotzdem angetan und erweckt sofort ihr Interesse: diese geheimnisvolle Fremde (Eva Green), nennt sich bloß L. (und für französische Ohren klingt hier unweigerlich sofort ein "Elle" mit). Sie gewinnt immer mehr ihr Vertrauen und bald wird sie sogar in Delphines Wohnung ziehen. Da L. praktischerweise als Ghostwriterin arbeitet (ebenfalls ein Polanski-typischer Beruf) kann sie der Autorin womöglich aus der Schreibblockade helfen.  Zunächst nimmt sie ihr die Mailkorrespondenzen ab und erlaubt sich einige Freiheiten, die fast schon an Frechheiten grenzen. Die Zusammenarbeit der beiden in einem abgelegenen Ferienhaus weist zuletzt immer bedrohlichere Züge auf.

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Zorn und Leiden

Eva Green versucht möglichst geheimnisvoll und undurchschaubar zu blieben, was bei dieser Story aber selbst ihr nicht gelingt. Dafür produziert sie sich öfters als wutgeladener Zornbinkel, und wenn einmal ein Haushaltsmixer streikt, repariert sie ihn nicht etwa, sondern zertrümmert ihn am Küchenbord. Auch volle Kakaotassen oder Gipsbeine sind vor ihren Wutausbrüchen nicht sicher.  Emmanuelle Seigner muss die meiste Zeit über einfach bloß leidend und völlig fertig aussehen, was aber spätestens nach einer halben Stunde recht ermüdend auf uns wirkt.

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Kein Grund zum Mitfiebern

Polanski inszeniert die Geschichte auch im hohen Alter (heuer wird er 85) sehr präzise, ausführlich und genau kalkuliert - aber eben das ist auch das Hauptproblem an diesem Werk. Hier soll Spannung aufgebaut und eine Überraschung vorbereitet werden, die aber leider längst keine mehr ist, denn bereits beim ersten Aufeinandertreffen der beiden Frauen wird für jeden halbwegs aufmerksamen Betrachter sofort klar, worauf das alles hinausläuft. Zuschauer, die dennoch an der Lösung des Rätsels weiterhin zweifeln sollten, erhalten über den Film verteilt noch weitere eindeutige Hinweise (wie zum Beispiel Informationen über eine gewisse Kiki). Da wir also praktisch mit der Nase auf alle wichtigen Details gestoßen werden, will auch keine rechte Spannung aufkommen und sogar in Situationen, die für Delphine kritisch ausgehen könnten, gibt es keinen Grund mehr zum Mitfiebern.

Das Psychodrama einer Frau in der Existenzkrise haben wir schon wesentlich überzeugender erzählt bekommen. Man muss ja nicht gleich an das ohnehin unerreichbare Vorbild "Persona" von Ingmar Berman denken. Sogar der kürzlich gestartete Film „Tully“, in dem es bloß um eine einfache gestresste Mutter und ihre patente Babysitterin geht und dessen Story etliche Parallelen mit „Nach einer wahren Geschichte“ aufweist, hat das besser hingekriegt.

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franco schedl