Filmkritiken

"Mord im Orient Express" auf Puls 4: Schnurrbart-Ermittler

Zum Glück ist Agatha Christie schon etliche Jahre tot und musste nicht mehr mitansehen, wie ihr belgischer Meisterdetektiv ein Ungeheuer von Schnurrbart trägt, das so gar nicht zu seinen kleinen grauen Zellen passen will. Der buschige Auswuchs verwandelt ihn eher in einen Texas Ranger aus dem alten Wilden Westen.

Wer an solchen Äußerlichkeiten keinen Anstoß nimmt und auch Poirots fehlende Korpulenz nicht bemängelt, wird sich in Kenneth Branaghs Neuverfilmung des berühmten Krimis dennoch gut unterhalten und obendrein durch ein echtes Staraufgebot belohnt.

 

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Ein Mann voller Schrullen

Der zweifellos auch nicht gerade uneitle Regisseur verkörpert glaubwürdig den eitlen Poirot mit all seinen Schrullen und Macken: als massiver Zwangsneurotiker leidet er unter den Unvollkommenheiten der Welt und wenn seine beiden Frühstückseier nicht exakt die gleich Größe haben, kann ihm das bereits den Tag vermiesen. Doch zum Glück lässt ihn bald nach Besteigen des Orient Express ein Mörderrätsel solche Kleinigkeiten vergessen.

 

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Verhörrunden

Nachdem ein zwielichtiger Amerikaner (Johnny Depp) nachts im Nebenabteil erstochen wurde, ist Poirot ganz in seinem Element und bittet die zwölf Verdächtigen zu fortgesetzten Verhörrunden, in denen sich genügend Indizien ergeben, um jede(n) der Beteiligten nachhaltig zu belasten.

Die missmutige russische Gräfin (Judie Dench) kommt als Täterin ebenso in Frage, wie die bigotte Krankenschwester (Penélope Cruz) oder die kokette ältere Frau (Michelle Pfeiffer). Bei uns hierzulande wird Willem Dafoe als österreichscher Professor mit dick aufgetragenem Wiener Akzent besondere Aufmerksamkeit erregen, und eine von Poirots messerscharfen – oder sagen wir besser: sahnesteifen – Schlussfolgerungen zu dieser Person löst im Publikum unweigerlich Gelächter aus.

 

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Stars vor digitalen Kulissen

Obwohl die meisten von uns als passionierte KrimileserInnen und FilmkennerInnen  bereits wissen, wer hinter dem Mord steckt, und obwohl der Zug durch eine allzu offensichtlich digitalisierte Winterwelt fährt, in der auch ein Lawinenabgang sehr unecht wirkt, sieht man den Stars gerne dabei zu, wie sie ihr Bestes tun, sich verdächtig zu machen und ihre großen Auftritte absolvieren.

 

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Ein nächster Job am Nil

Kaum ist das Rätsel im Orient Express übrigens gelöst, wartet auf Poirot auch schon der nächste Job: er wird nach Ägypten gerufen, weil dort auf dem Nil ein Mord geschehen ist. Die Neuverfilmungen von klassischen Kriminalfälle (und -filmen) nehmen also kein Ende, aber wenn auch dieses Verbrechen dann so stimmig nachinszeniert wird, lässt man sich die Wiederholungstäter gerne gefallen.

3 von 5 langen grauen Schnurrbarthaaren.

"Mord im Orient Express" ist auf Puls 4 am 17. April um 20:15 zu sehen.

Der Film ist derzeit auch auf Disney Star verfügbar.