Filmkritiken

"Molly's Game": Von der Piste an den Pokertisch

Die junge Molly Bloom trägt einen berühmten Namen, der Literaturfreunde aufhorchen lässt, hat aber mit dem Charakter aus James JoycesUlysses“ nur insofern etwas zu tun, als auch sie eine starke Frauenfigur darstellt. Vielleicht hätte sie ja das Zeug dazu gehabt, ein großer Skistar zu werden, doch das werden wir nie wissen, weil ihr im entscheidenden Moment ein Baumhindernis im Weg gewesen ist.

Nach dem Sport kommt das Spiel

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Nachdem sie den Traum von der Sportkarriere begraben musste, hat sie damit begonnen, den amerikanischen Traum von Geld und Erfolg auf ihre eigene Weise zu verwirklichen – und die führte sie an den Pokertisch. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Molly selbst rührt keine einzige Karte an, sondern leitet die Spiel nur in die Wege. Zunächst in Hollywood, später in New York, etabliert sich Molly als gefragte Spielmacherin, denn bei ihren Underground Pokerpartien versammelt sich in exklusiver Atmosphäre nur die Elite – immerhin mussten die Gäste zuletzt eine Viertelmillion US-Dollar hinblättern, um überhaupt an die Karten zu kommen.

Kronzeugin für das FBI?

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Dass man sich die Teilnehmer nicht immer aussuchen kann, wird ihr spätestens dann bewusst, als das FBI vor ihrer Tür steht und sie wegen illegalen Glücksspiels drankriegen will, falls sie nicht bereit ist, als Kronzeugin ihre angeblichen Kontakte zur Russenmafia offenzulegen. Dadurch gerät sie aber mit ihren eigenen Überzeugungen in Konflikt, denn was wirklich für sie zählt, ist ihre Integrität und das Bemühen, ehrlich zu bleiben, damit ihr guter Name nicht in den Schmutz gezogen wird. Jetzt können ihr nur noch ein überzeugender Anwalt und ein verständnisvoller Richter helfen. Zumindest ersteren hat sie in Idris Elba gefunden, der in Sachen Beredsamkeit halbwegs an sie heranreicht.

Eloquente Hauptfigur

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Das klingt nach einer gut erfundenen Story, doch hier beruht alles auf wahren Begebenheiten. Wir bekommen Molly Blooms Leben im Rückblick in viele kleine Szenen aufgesplittert geboten (als junge Molly wird Jessica Chastain noch durch Samantha Isler ersetzt) und bald ist klar: hinter Aaron Sorkins sichtlich an Scorsese geschultem Regiedebüt verbirgt sich kein Sportdrama und überraschenderweise auch kein richtiger Pokerfilm, sondern eine psychologische Studie über eine intelligente, selbstbewusste und extrem eloquente Hauptfigur, die bei den Pokerabenden in erster Linie ihre umfassende Menschenkenntnis anwendet. Wir lernen dadurch viele verschiedene Spieler-Charaktere kennen, was zu Mini-Dramen und -Komödien führt. Wodurch wird diese Frau eigentlich motiviert? Ist es wirklich der Wunsch, Kontrolle über mächtige Männer auszuüben? So lautet zumindest eine der Theorien ihres von Kevin Kostner gespielt Vaters, der als geschulter Psychologieprofessor seiner Tochter gegen Ende eine ultrakurze Therapiesitzung auf einer Parkbank bietet.

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Die Beweggründe des Regisseurs für diese Stoffwahl sind da schon wesentlich leichter zu erkennen: Aaron Sorkin wollte einfach einen guten Film über eine außergewöhnliche Frau drehen. Dank genauer Beobachtung, schnellem Erzählstil, schlagfertigen Dialogen und erstklassigen Hauptdarstellern ist ihm das auch gelungen.

9 von 10 weiblichen Pokerfaces

PS. Wer von starken Frauen nicht genug kriegen kann, sollte sich den wenig später startenden Film „I, Tonya“ über die Eiskunstläuferin Tonya Harding ebenfalls nicht entgehen lassen, da eine ganz ähnliche Thematik obendrein dazu einlädt, beide Werke miteinander zu vergleichen.

franco schedl