Filmkritiken

„Mein Ein, mein Alles“: Gute Frau, böser Mann

Klischeehafte Odysee

Tony (Emmanuelle Bercot) erleidet nach einem Ski-Unfall einen Kreuzbandriss und muss einige Wochen in einem Reha-Zentrum verbringen. Die Ärztin rät ihr eventuelle psychische Probleme zu bearbeiten, die möglicherweise eine Blockade des körperlichen Heilungsprozess auslösen könnten. In der Zeit des Reha-Aufenthaltes erleben wir Erinnerungen von Tony an ihre turbulente Beziehung mit Georgio (Vincent Cassel). Regisseurin Maïwenn entscheidet sich hierbei dazu, die Erinnerungen chronologisch einzublenden und immer wieder in die Gegenwart - also das Reha-Zentrum – zurückzukehren. Tony und Georgio lernen sich in einem Pariser Nachtclub kennen und verlieben sich sogleich ineinander. Trotz Tonys anfänglicher Unsicherheit, die vor allem dadurch forciert wird, dass der attraktive und wohlhabende Georgio sämtliche Models als Freundinnen hatte, lässt sie sich schlussendlich auf die Beziehung ein, was den Start einer nicht enden wollenden Gefühls-Odyssee bildet. In dem Film geht es hauptsächlich um Tonys Perspektive auf die vergangenen Zeiten und ihren Umgang mit dem latent soziopathischen Georgio, dem es trotz charmanter Natur oftmals an Empathie-Vermögen mangelt. Blind vor Liebe lässt sie Georgio sein Fehlverhalten immer wieder durchgehen und wird zum Opfer seines Egoismus. Der Aufenthalt in der Klinik dient als Lossagungsprozess und der Stärkung des eigenen Ichs, sie entwickelt sich quasi zur Kämpferin.

Die Problematik des einseitigen Erzählens

Maïwenn zieht es bei ihrer Geschichte vor, ausschließlich Tonys Figur in den Vordergrund zu stellen: es geht um ihre Verarbeitung, um ihren Heilungsprozess, um ihre Perspektive. Das hat zur Folge, dass der Charakter von Georgio etwas unglaubwürdig wird. Ist er einfach ein verkappter Egomane, der sich ausschließlich für sich interessiert oder liebt er Tony aufrichtig und ist sich seines Fehlverhaltens nicht bewusst? Eine Liebesgeschichte beziehungsweise die Geschichte einer Beziehung so einseitig darzustellen, ist etwas heikel, da das Ganze gerade bei schwierigen zwischenmenschlichen Verhältnissen schnell den arme-Frau-böser-Mann-Charakter bekommt. Das ist leider auch bei dieser Geschichte geschehen.

Der Film verliert an Essenz, weil einer der Charaktere im Laufe der Handlung so unausstehlich wird, dass es bedauerlich ist. Wir sehen eine interessante Frau, die zum Opfer des Charmeurs wird, sich irgendwann von ihm befreit, sich ihre Unabhängigkeit und Freiheit wieder erkämpft, und der Beziehungstyrann bleibt verbittert zurück, weil er keine Macht mehr über sie hat. Das ist leider etwas klischeehaft und langweilig.

katrin p. fröstl

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