MARKETING-STRATEGE FÜR DEMOKRATIE
Von Alexandra Seibel
Im Jahr 1988 stürzte der chilenische Diktator Augusto Pinochet über einen Werbespot. Mit einem fröhlichen Regenbogenlogo, das die Faschisten zuerst gar nicht kapierten (Steht das nicht für Schwule?), warben die Oppositionellen für Demokratie. 15 Minuten täglich sendeten sie im staatlich kontrollierten Fernsehen ihre Werbekampagne: Zu sehen waren lächelnde Menschen, die in bunten Pullovern tanzen und gut gelaunt No! singen. No zur Militärdiktatur.
Regisseur Pablo Larraín erzählt im dritten Teil seiner losen Trilogie über das Pinochet-Regime gänzlich aus der Sicht eines Werbestrategen. Im Zentrum steht die Frage: Wie soll man die zermürbten Chilenen dazu bringen, zu einer Wahl zu gehen, die sie für abgekartet halten? Indem man sie an die Gräuel der Diktatur erinnert?
No. Der smarte Werbefachmann René Saaverda bescheiden-cool gespielt von Gael García Bernal ist anderer Ansicht. Nicht mit dem Schrecken der Vergangenheit soll geworben werden, sondern mit den Freuden der Zukunft.
Zum genialen Schachzug Larraíns gehört es, die Ästhetik seines Filmes gänzlich dem Videomaterial der 80er-Jahre anzupassen. Statt retro-schicke, produziert er retro-scheußliche Bilder im 3:4-Format, wie man sie früher im Fernsehen zu sehen bekam. Ausgewaschen, oft überbelichtet und in grellen Farben, unterscheiden sich die Spielfilmszenen nicht vom Archivmaterial.
Durch diese Strategie vermeidet Larraín nicht nur gefällige Revival-Nostalgie, wie sie sich bei historischen Hochglanz-Formaten oft einstellt. Vielmehr vermitteln seine schleißigen Video-Bilder ein Gefühl von Do-It-Yourself, von Improvisation und (politischer) Machbarkeit selbst im Angesicht der Diktatur. Auch unterläuft er damit einen besserwisserischen Rückblick auf die Vergangenheit. Und dass das Glücksversprechen von Demokratie aus dem Werbefernsehen kommt, zeugt von tiefschwarzem Humor.