Filmkritiken

LUNA-NAZIS GREIFEN AN

Wo sich diese Nazis überall verstecken! Bisher hatte eher Südamerika als attraktives Zufluchtsland gegolten, doch nach diesem Film müssen wir gründlich umdenken. Die braunen Gesellen haben noch während der Großen Götterdämmerung 1945, als Walhalla gerade in Trümmer fiel, mit Hilfe sogenannter Reichsflugscheiben (später bürgerte sich dafür der Name UFO ein) nach den Sternen gegriffen und dabei zumindest den Mond erreicht. Dort führten sie auf der erdabgewandten Seite ein unauffälliges aber umso aktiveres Leben - zumindest bis 2018, als ein farbiger Möchtegern-US-Astronaut zufällig in die lunare Hakenkreuzresidenz gerät und sofort gefangen genommen wird, wodurch bei den Weltraum-Nazis die alten Rückeroberungspläne des Planeten Erde plötzlich oberste Priorität gewinnen. Die Amerikaner kann aber in dieser düsteren Zukunfts-Vision selbst eine Nazi-Invasion nicht mehr erschüttern, weil sie im eigenen Land auch nichts zu lachen haben: im Weißen Haus hat sich nämlich ein Sarah Palin-Klon (Stephanie Paul) breit gemacht, der die Geschicke der USA auf entsprechend katastrophale Weise lenkt und für den bevorstehenden Wahlkampf einen publicitywirksamen Krieg regelrecht herbeisehnt.

Regisseur Timo Vuorensola hatte mit der kleinen Homemade-Parodie „Star Wreck“ bereits den erfolgreichsten finnischen Film aller Zeiten realisiert (obwohl er nie im Kino lief aber dafür 8 Millionen Mal heruntergeladen wurde) und nun Gelegenheit erhalten, sich kreativ so richtig auszutoben. Diesmal konnte er sogar professionelle Schauspieler engagieren und von Anfang an war für ihn klar, dass er zur Umsetzung seiner wilden Phantasien - die angeblich auf einen Sauna-Besuch zurückgehen - mit Deutschen zusammenarbeiten würde. Deshalb kehrt Götz Otto jetzt den markigen Herrenmenschen hervor, Julia Dietze spielt ein blondes Mädel von extrem blauäugiger Naivität, das sich aber nach Bodenkontakt mit der harten Realität des Neonazitums unwahrscheinlich schnell gegen die eigene Mondrasse kehrt; Udo Kier hingegen lässt selbstverständlich keine Gelegenheit aus, seinen Ruf als absoluten Trash-König zu festigen und hat hier als Hitler-Nachfolger Wolfgang Kortzfleisch bis zu seinem etwas verfrühten Abtritt einige denkwürdige Auftritte.

Viele Einfälle sind herrlich schräg und offenbaren zugleich, in welcher Tradition diese bitterböse Komödie steht: die Nazi-Lehrerin kennt z.B. nur eine 5minütige Kurzversion von Chaplins „Der große Diktator“ und bringt das Werk ihren Schülern als Verherrlichung Hitlers nahe - diese Leute leben eben wirklich hinterm Mond. Der verrückte Naziwissenschaftler fehlt ebenso wenig, wie die sagenhafte Wunderwaffe (und durch ein einfaches iPhone kann die gesamte Nazi-Technologie zur Welteroberungs-Tauglichkeit aufgerüstet werden). Bei einer Krisensitzung der Nationen breitet sich unverkennbar „Dr. Seltsam“-Atmosphäre aus und das amerikanische Weltraum-Schlachtschiff sieht zwar wie die „Enterprise“ aus, trägt aber den stolzen Namen „George W. Bush“. Die Zitate aus dem kompletten Filmuniversum werden aber mitunter auch zum reinen Selbstzweck, wenn etwa ein angeschlagener Führer-Nachfolger über den Boden robbt und dabei das „Weiße Hai“-Motiv erklingt.

Für eine großteils mittels „Crowd Funding“ finanzierte Independent-Produktion stellt dieses Werk so manchen Blockbuster in den Mondschatten und könnte genauso gut aufs Konto eines Michael Bay gehen, den unverhofft ein Sinn für Humor überwältigt hat (was aber wohl noch weniger wahrscheinlich als ein lunarer Nazi-Angriff ist).

„Iron Sky“ beweist jedenfalls, dass nicht alle Finnen an einer Überdosis Lethargie und Grantigkeit der Marke ‚Kaurismäki‘ leiden. Timo Vuorensola ist sogar über seinen eigenen Schatten gesprungen und hat gelernt, zu seinen Schauspielern „Bitte“ zu sagen. Danke für diesen Film, Herr Vuorensola - Sie bekommen 8 braune Mondsteine von mir!

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