Lisbeth Salander spricht Englisch
Von Franco Schedl
Eigentlich stand ja David Finchers Name für kompromisslos hartes Kino der düstersten Spielart, wie er das mit Se7en und Fight Club perfekt durchexerziert hat. Erst in den letzten Jahren ist er bei Benjamin Button ungewohnt rührseligen Anwandlungen erlegen und sein Social Network, in dem das Heldenepos eines Nerds erzählt wird, kam über den Rang eines interessanten Nebenwerks nicht hinaus, da gerade dieser Regisseur seine Zeit eigentlich besser verwenden und brave Biopics weniger dunkel veranlagten Kollegen überlassen sollte. Umso größer sind nun die Erwartungen, dass Fincher mit der US-Version von Stieg Larssons Weltbestseller zu seiner alten Hochform zurückfinden könnte.
Die Geschichte über den zu Unrecht in Misskredit geratenen Starjournalisten Blomkvist und die geniale aber durch traumatische Kindheitserlebnisse emotional schwer gestörte Hackerin Lisbeth Salander wurde von den Schweden erst vor 2 Jahren in einer 152minütigen Kino- und obendrein einer rund 3stündigen Fernsehfassung umgesetzt; deshalb scheint es auf den ersten Blick nicht ganz einleuchtend, weshalb nun die USA den Auftakt der Millenium-Trilogie erneut verfilmen wollten und Fincher an skandinavischen Originalschauplätzen ans Werk gehen durfte. Immerhin ist dieser erste Roman von allen drei vorliegenden Werken der weitaus gelungenste, weil er sich nicht wie seine Nachfolger im zähen Geheimdienst-Sumpf verliert, sondern eine trotz aller verwendeten Computer-Technik - beinahe altmodische Detektivgeschichte erzählt; ein 40 Jahre zurückliegendes Verbrechen und ein überschaubarer Kreis an Verdächtigen stehen im Mittelpunkt.
V.a. die weibliche Hauptfigur ist ungewöhnlich genug, um alle Blicke auf sie zu lenken und die Erwartung zu wecken, dass uns in der effektvoll zurechtgestylten Rooney Mara vielleicht ein neuer Star gegenübertritt. Deren Aufmachung kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, wie sehr die neue Frau Salander an seelischer Substanz eingebüßt hat. Während Noomi Rapace ihre Figur 2009 tatsächlich mit Leben erfüllte und vor lauter Widerborstigkeit beim Zuschauer ein respektvolles Unbehagen hervorrufen konnte, bedient sich Fincher einer gnadenlosen Weichzeichnerperspektive und macht aus dem weiblichen Raubtier ein geradezu handzahmes Kätzchen: sie sorgt rührend für ihren gesundheitlich angeschlagenen Vormund, lässt ihren Gefühlen gegenüber Blomkvist freien Lauf (im Original ist der Mann für sie nicht mehr als ein Befriedigungsobjekt, dem sie gleich nach dem Sex den Rücken kehrt) und erweist sich in allen Lebenslagen wesentlich menschenfreundlicher als die frühere Lisbeth.
Geradezu lächerlich wird es gegen Ende, als der entlarvte Mörder die Flucht ergreift und die angeblich soziopathische Einzelgängerin, ehe sie dessen Verfolgung aufnimmt, treuherzig den angeschlagen Reporter fragt: Darf ich ihn töten? und der stimmt als nebenberuflicher James Bond-Darsteller natürlich sofort begeistert zu. Gerade diese Episode stürzte Blomkvist im schwedischen Film in einen Gewissenskonflikt und ließ Salanders zwiespältige Persönlichkeit besonders grell hervortreten. Nicht so bei Fincher: auch hier bleibt er dem Prinzip der Vereinfachung treu und lässt die junge Frau durch eine schnell gefundene explosive Lösung gar nicht erst in mörderische Versuchung geraten. Auch etliche andere Figuren können sich nicht mit ihren Vorgängern messen: Anwalt Bjurman, Lisbeths skrupellos-brutaler zweite Vormund, wird nun zu einem gemütlichen Dicken, dem seine Vergewaltigung auch noch leid tut.
Amerikas Reaktion auf den schwedischen Blockbuster erweist sich also fast auf der ganzen Linie als verzichtbar: Das Erfolgs-Ergebnis kann ja nicht einfach darin bestehen, dass Fincher die Laufzeit der ursprünglichen Kinoversion um 6 Minuten übertroffen oder eine wirklich atemberaubend gute Vorspannsequenz fertiggebracht hat, die man ohne weiteres als Musikvideo auskoppeln könnte.