Filmkritiken

"Lieber leben": Wenn Humor den Kitsch besiegt

Nach einem missglückten Sprung ins Schwimmbecken bricht sich Ben ( Pablo Pauly) einen Halswirbel. Fortan ist er in physiotherapeutischer Behandlung und sehnt den Tag herbei, an dem er das Krankenbett verlassen und sich in einen Rollstuhl setzen kann. Der Ex-Basketballspieler verzweifelt aber nicht, im Krankenhaus lernt er neue Freunde kennen und tritt seiner schwierigen Lage mit Humor entgegen.

Biopic

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Lieber leben“ basiert auf der Autobiografie von Musiker und Poetry Slammer Fabien Marsuad, der seit seinem Unfall im Schwimmbecken auf Krücken angewiesen ist. Zu Beginn der Nuller-Jahre machte er sich als „Grand Corps malade“ einen Namen als Poetry Slammer und veröffentlichte 2006 sein erstes Album, mit dem er in Frankreich Goldstatus erreichte. Er schrieb das Drehbuch für sein Biopic und führte zusammen mit Mehdi Idir Regie. Die Tragikomödie konzentriert sich auf seine Zeit im Krankenhaus und seinen Umgang mit einem eingeschränkten Leben.

Klischees gibt's wo anders

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Die Inhaltsangabe liest sich wie eine von vielen Dramen über Menschen mit Behinderungen, doch „Lieber leben“ ist anders. Die Protagonisten nehmen ihr Schicksal nicht nur mit Witz, sondern mit einem tiefschwarzen Humor, dem eine große Melancholie innewohnt. Marsuads Komödie kennt keine Grenzen, Migranten und Frauen werden ebenso zu seiner Zielscheibe, wie Menschen mit Behinderungen. Die Figuren nehmen sich kein Blatt vor den Mund, aber wahren dabei immer ihre Würde. Von illegalen Boxkämpfen im Rollstuhl bis hinzu nächtlichen Ausbruchsversuchen ist jede vorstellbare Absurdität dabei.

Facettenreich

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Bei all den Witzen kommt der ernste und wichtige Inhalt der Geschichte auch nicht zu kurz. Abgesehen von den Themen Selbstverwirklichung und Sexualität werden auch Aspekte wie soziale Unterschiede unter Behinderten zum Konfliktpunkt. Obwohl die Patienten eine unterschiedliche Herkunft oder Religion haben, werden sie durch ihre Behinderung gesellschaftlich gleichgestellt und müssen mit ihrem neuen sozialen Status zurechtkommen. Marsuads persönliche Erfahrungen machen seine Figuren facettenreich und nehmen ihren Konflikten jeglichen falschen Pathos. Wo andere Filmemacher auf Streichorchester und Postkartenästhetik setzen, nimmt Marsuad seine Figuren so ernst, dass sie sich selbst nicht einmal mehr ernst nehmen können. In den traurigen Momenten lachen sowohl die Physiotherapeuten als auch die Querschnittsgelähmten, kein Auge bleibt trocken, vor allem nicht das der Zuseher.

Wer sich wieder mal nach einer gelungenen Komödie sehnt, wird bei „Lieber leben“ fündig. Ein Film, der dem Genre und seinen Figuren die Würde lässt. Ein Must-See!

10 von 10 übermotivierten Physiotherapeuten

Özgür Anil