"Tron: Legacy"-Kritik: Lichtspiele im Cyberspace
Von Franco Schedl
In den frühen 80ern wurde das Computergenie Kevin Flynn mit Hilfe eines Lasers von der virtuellen Welt geschluckt und nach ca. 70 Filmminuten wieder ausgespuckt, nachdem er das böse Master Control Program deaktivieren konnte, wobei ihm ein Überwachungsprogramm namens Tron in Gestalt Bruce Boxleitners geholfen hat.
Diesmal wird Flynns Sohn Sam von der Computerwelt eingesogen, wo er sich auf die Suche nach seinem seit 1989 erneut verschwundenen Vater begibt und, wer hätte es gedacht, auch auf Tron trifft. Erneut ist Boxleitner in dieser Rolle zu sehen, da sein Gesicht aber die ganze Zeit über bedeckt bleibt, müssen wir nicht die desillusionierende Erfahrung machen, dass auch Computerprogramme in ihrem menschlichen Erscheinungsbild altern können. Auf allen anderen Ebenen hat die Zeit jedoch deutliche Spuren hinterlassen. Im Vergleich dazu wirkt der frühere Film wie ein unbedarftes Kinderspiel - für eine mit "Matrix" aufgewachsene Generation ist die Zeit der unschuldigen PC-Spielchen endgültig vorbei.
Die Filmemacher treten längst nicht mehr hauptsächlich deshalb an, um Neuland in der Welt der Computeranimation zu erschließen, denn die unterschiedlichsten CGI-Künstler haben uns in den letzten 3 Jahrzehnten schon oft genug in Staunen versetzt. Die gewaltig aufgemotzten Bauelemente des Originals dienen eigentlich nur noch als Staffage für eine regelrecht esoterisch anmutende Heilsbotschaft. Die Geschichte basiert auf dem Konflikt zwischen einem Schöpfer und seiner Kreatur, die sich gegen ihn auflehnt; wobei diese Thematik im Lauf der Handlung geradezu biblische Ausmaße annimmt und an den Kampf mit den gefallenen Engeln erinnert.
Jeff Bridges der Ältere thront im Yogasitz als New Age-Guru des Cyberspaces in einer Luxusvilla, die man eigentlich in den Hügeln Hollywoods vermuten würde und übt sich in meditativer Geduld, während in seiner Selfmade-World das böse alter ego diktatorische Züge entwickelt und sogar die Invasion der Realwelt plant. Dabei hat Bridges nicht nur die an sich schon reizvolle Gelegenheit zu einer Doppelrolle, sondern bekommt als ungewöhnliche Draufgabe zudem die Chance geboten, mit einem jüngeren Selbst handgreiflich aneinanderzugeraten.
Als seine filmische Ziehtochter (ebenfalls Marke Eigenbau) verbreitet die relativ unbekannte Olivia Wilde rebellischen Charme, während Garrett Hedlung sich gegen seinen mächtigen Über-Vater nicht so recht durchsetzen kann und darstellerisch immer in Bridges Schatten steht. Einen der interessantesten Charaktere verkörpert Michael Sheen: als geschniegelter Nachtclubbesitzer Castor tritt er uns in Gestalt eines Bowie-artigen Dandys entgegen, der Daft Punkt für sich aufspielen lässt.
Die eigentlichen Attraktionen bilden aber selbstverständlich die Bewohner der Tron-Welt, welche in ihren hautengen phosphoreszierenden Neoprenanzügen als ultramoderne Gladiatoren diverse Kampfballette wie Lichtrennen und Disken-Duelle exekutieren.
Am Ende geht die Sonne wieder auf, und auch wenn wir dieses Naturschauspiel - im Gegensatz zu einer Filmfigur - nicht erstmalig miterleben, ist es doch ein beruhigender Gedanke, durch Absetzen der 3D-Brille diese virtuell hochgezüchteten Licht- + Schattenspielen gleich gegen die gewohnte Alltagswelt vertauschen zu können.
Ich vergebe 8 Trick-o-Tronische Respektpunkte auf meiner 10stelligen virtuellen Filmwunder-Skala.