Filmkritiken

LET IT BLEED

Carrie White, die erste Kopfgeburt von Autor Stephen King in den frühen 70er Jahren, hat es wirklich nicht leicht: Von ihren Mitschülerinnen wird sie sadistisch schikaniert und von der wahnsinnig religiösen Mutter (mit Betonung auf ‚Wahnsinn‘) beinahe umgebracht. Zum Glück kann sie sich an ihren telekinetischen Fähigkeiten schadlos halten.

In diesem Remake ist der übersinnliche Pechvogel zu einem Kind des 21. Jahrhunderts geworden und könnte in Gestalt von Chloë Grace Moretz locker als X-(Wo)man Karriere machen. Ihre Bluttaufe hat Moretz bereits als 10jähriges Killermädchen in „Kick-Ass“ erhalten, wo sie unter dem Pseudonym ‚Hit-Girl‘ böse Buben zerschnetzelte. Diesmal wird sie erwartungsgemäß spätestens beim großen Finale auf dem Highschool-Ball so aussehen, als wäre sie unter eine Blutdusche geraten, um dann mit ihren speziellen Kräften noch ein paar Menschenleben auszulöschen.

Zuvor fließt aber noch ihre eigene Körperflüssigkeit, denn als Mädchen Carrie bekommt sie unter der Schuldusche ihre erste Periode, verfällt in Panik, weil sie keine Ahnung hat, was da mit ihr geschieht und wird von ihren Klassenkameradinnen obendrein noch gedemütigt. Als King den Roman geschrieben hat, gab es noch keine Möglichkeit, eine solche Aktion mit Smartphone mit zu filmen, aber das Remake geht selbstverständlich mit der Zeit und verleugnet die digitale Ära nicht.

Dadurch ist der Film zwar technisch auf dem neuesten Stand, kommt aber in seiner sonstigen Umsetzung längst nicht an Brian DePalmas Regiearbeit von 1976 heran. Während sich damals der Regisseur auf die Vertiefung der Charaktere wirklich eingelassen hat, sind sie in der aktuellen Version viel zu schablonenhaft geraten und könnten direkt aus einem Comicbook stammen. Kimberly Peirce filmt über weite Strecken den Vorgängerfilm fast 1:1 ab, konzentriert sich aber natürlich auf die bis zum Exzess übertriebenen Spezialeffekte und trägt auch ansonsten inszenatorisch ziemlich dick auf; dafür lässt sie gerade kleine Feinheiten, die DePalmas erzählerisches Geschick verrieten, völlig vermissen.

Moretz kopiert bis in Haltung und Gesichtsausdruck hinein ihre Rolle aus dem zweiten „Kick-Ass“-Teil, wo sie als ‚Hit Girl‘ auch dem Spott der Highschool-Kolleginnen ausgesetzt ist, bevor sie ihre Rache - hier wie dort - auskosten kann. Julianne Moore hingegen, die als bigottes Mutter-Monster die wesentlich anspruchsvollere schauspielerische Aufgabe übernommen hat, darf sich hingebungsvoll selbst verletzen, religiöse Liedchen mitträllern und entsprechend abgehärmt, ja regelrecht eintrocknet, aussehen. Ihr christliches Wahnweltbild verkommt aber beinahe zur Karikatur. Unter Ulrich Seidls Regie hätte es z.B. eine wesentlich überzeugendere Ausgestaltung erhalten; aber vermutlich ist die Variante des österreichischen Hardcore-Katholizismus ein ganz anderes Horror-Kapitel.

6 Blutpunkte auf einer 10-tropfigen Fleckenskala.

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