Filmkritiken

"Spectre": "KUCKUCK, MR. BOND"

Christoph Waltz sagt "Kuckuck" zu Mr. Bond. Schöner klingt nur noch ein "Bingo!" aus seinem Mund. Natürlich hat das neue 007-Abenteuer auch noch einige andere Highlights zu bieten, wartet jedoch ebenfalls mit ein paar Enttäuschungen auf. Da wäre z.B. ein Handlungsstrang, in dem der Fortbestand von Bonds Arbeitsstelle durch einen Bürokraten bedroht wird. Was nicht originell ist, denn dummerweise war das Mission Impossible-Team erst vor wenigen Monaten mit einem ähnlichen Schicksal konfrontiert. Eine weitere Enttäuschung ist patriotischer Natur. Die Freude über den Dreh in den heimischen Alpen war entsprechend groß, doch gerade diese Filmszenen sind nicht sehr markant geraten: die verschneiten Wälder von Altaussee und Sölden könnten ebenso gut in Skandinavien oder Kanada zu finden sein.

Stattdessen kann „ Spectre“ mit unglaublich eleganter Kameraführung punkten (die Eröffnungssequenz in Mexico City bietet gleich ein wunderbares Beispiel dafür) und verfügt über ein intelligent-anspielungsreiches Drehbuch, das zwar gegen Ende deutlich schwächelt, aber zumindest weniger logische Durchhänger aufweist als etwa "Skyfall". Der Versuch, den Doppelnull-Agenten als gebrochenen Charakter zu zeigen, dem Alkohol und psychische Probleme zusetzen, muss mit diesem vierten Craig-Film offenbar als beendet betrachtet werden. Nun absolviert Bond großteils wieder Dienst nach Vorschrift und hangelt sich von einer Informationsquelle zur anderen weiter, um endlich auf den mächtigen Mann im Schatten zu stoßen. Christoph Waltz, dessen Rolle ruhig noch eine etwas größere Ausgestaltung verdient hätte, macht seine Sache als Superschurke vorhersehbar gut. Statt mit Waffen herumzufuchteln, bleibt er ein Mann des gepflegten bedrohlichen Wortes. Trotzdem setzt er manchmal auf rohe Gewalt: so lässt er 007 auf einem Folterstuhl festschnallen und nimmt an ihm einen unschönen medizinisch-technischen Eingriff vor.

Dieser 24. Bond hält die Tradition ziemlich hoch und bringt erneut Figuren und Schauplätze der vorhergehenden drei Teile ins Spiel, um große Zusammenhänge aufzuzeigen. Auch an viel frühere Filme wird angeknüpft: etwa durch die Wahl eines fast unzerstörbaren Killers, der - ähnlich wie der "Beißer" - Bond während einer Zugfahrt wieder einmal in einen Nahkampf auf engstem Raum verwickelt. Zu den Anleihen an die frühe Bond-Zeit zählt, abgesehen von der alt-bekannten Titel-Organisation, ebenfalls der Superschurke. Dass es so sein würde, hat man zwar schon längst vermutet, doch als man Waltz‘ Rolle mit der Figur eines Katzenliebhabers in Verbindung brachte, der 007 bereits vor Jahrzehnten schwer zu schaffen machte, dementierte der Schauspieler diese Gerüchte umgehend. Geheimhaltung und Falschmeldungen sind in Agentenkreisen eben sehr beliebt.

Die Ankündigung, Monica Bellucci als Bond-Girl einzusetzen, ist genauso unter die Rubrik "geschickt ausgestreute Fehlinformation" zu zählen - ihr Auftritt von kaum fünf Minuten degradiert sie zu einer vernachlässigbaren Randfigur, was schade ist, da sie ohne weiteres das Potential zu einer wichtigeren Nebenrolle gehabt hätte. Stattdessen fällt dann ganz konventionell der wesentlich jüngeren Léa Seydoux die Aufgabe zu, an Bonds Seite um ihr Leben zu kämpfen.

Ich muss gestehen, dass mir Craig, dieser britische Putin-Doppelgänger, zu Beginn seiner Bond-Karriere als absolute Fehlbesetzung vorgekommen ist. Mittlerweile hat sich mein Urteil aber gewandelt, denn ich finde, der Darsteller ist in seine Rolle wirklich hineingewachsen und füllt sie zutiefst glaubwürdig aus. Falls Craig nach dem vierten Film nun tatsächlich ans Aufhören denkt, hat er uns mit „Spectre“ eine würdige Abschiedsvorstellung geboten. Immerhin besteht noch die Möglichkeit, dass Waltz eines Tages wieder " Kuckuck" zu 007 sagt, egal, ob der weiterhin von Craig oder einem Nachfolger verkörpert wird - und das ist doch eine erfreuliche Aussicht.

8 von 10 Kuckuckseiern.

franco schedl

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