Filmkritiken

"Körper und Seele":Traumhafte Liebe im Schlachthaus

Hirsche im verschneiten Wald, Menschen in der sonnigen Stadt. Für Endre, den Chef eines Schlachthauses in Budapest, ein Tag wie jeder andere, wäre da nicht die neue Qualitätsprüferin Maria. Sie ist schweigsam, und wenn sie spricht, dann in klaren kurzen Sätzen, sie ist präzise. Es kommt wie es kommen muss und Endre verliebt sich in die unscheinbare Ordnungshüterin. Als die Beiden erfahren, dass sie nachts von Hirschen in einem verschneiten Wald träumen, scheint ihre gemeinsame Zukunft vorherbestimmt zu sein.

Streben nach Normalität

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Maria schafft es nicht, mit anderen Menschen in Dialog zu treten, nur mit Endre tauscht sie in ihren Träumen in Gestalt einer Hirschkuh Zärtlichkeiten aus. Was vielleicht anfangs nach einer bizarren Geschichte klingt, entpuppt sich als berührend erzähltes Drama über die Unmöglichkeit von menschlicher Kommunikation. Bei ihrem Versuch ein „normaler“ Mensch zu sein hört sie in einem Musikgeschäft dutzende CDs, um Musik zu finden, „die Verliebte hören würden“, als die Verkäuferin ihr Lieblingslied vorschlägt, kann der Zuseher erahnen, in welcher Einsamkeit Maria leben muss. In solch kleinen Momenten liegt die Kraft von "Körper und Seele": Alltagsmomente, die bei genauerer Betrachtung die menschliche Seele offenbaren.

Strenge Menschen in strengen Bildern

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In klaren sterilen Bildern wird das Leben und Sterben im Schlachthaus porträtiert. So schnell das Blut aus den Hälsern der Tiere strömt, so schnell verschwindet es auch wieder im Abfluss. Den Tieren wird großer Respekt entgegengebracht: ohne narrative Zusammenhänge herzustellen, schafft es Enyedi eine poetische Verbindung zwischen den geschlachteten Tieren und den zu Liebe unfähigen Menschen herzustellen. Dabei spielt sich das Drama stets zwischen den Zeilen ab. Die Regisseurin erzählt zwar in einem artifiziellen Stil, aber schafft es dadurch, eine emotionale Wucht zu kreieren, die in einem realistischen Setting schwer möglich gewesen wäre.

Lange Pause

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Nach 17 Jahren Auszeit vom Kino kehrt die ungarische Regisseurin Ildiko Enyedi mit einem Meisterwerk zurück auf die große Leinwand. Mit ihren ersten Filmen "Mein 20. Jahrhundert" und "Freischütz" konnte sie großes Interesse auf den Filmfestspielen in Cannes und Venedig wecken, doch mit Beginn des 21. Jahrhunderts wurde es still um Enyedi. Das Drehbuch zu ihrem neuen Film schrieb sie bereits vor 10 Jahren, üblicherweise brauche sie für ein Drehbuch ein Jahr, doch „Körper und Seele“ entstand unter Schlafentzug in nur wenigen Wochen. Im Februar erhielt sie dafür auf der Berlinale den Goldenen Bären für den Besten Film.

Mit "Körper und Seele" liefert Enyedi ein umwerfendes Drama, das wenig mit den Filmen von den ungarischen Shooting Stars Laszlo Nemes ("Son of Saul") und Kornel Mundruczo ("White God") gemeinsam hat, aber zeigt, wie unterschiedlich das Kino unseres Nachbarlandes ist. Ein Meisterwerk!

Özgür Anil