KERNSCHMELZE EINER BEZIEHUNG
Von Alexandra Seibel
Beatles-Song kommt keiner vor. Obwohl Eleanor Rigby, die Hauptfigur, tatsächlich nach dem großen Hit der Briten benannt ist. Und einsam ist sie auch wie so viele in Ned Bensons Hyper-Melodram, das die Abgründe menschlichen Seelenleids ergründen will.
"Das Verschwinden der Eleanor Rigby" handelt vom Beziehungsruin eines jungen Paares in New York. Bei der Premiere auf dem Filmfestival von Toronto präsentierte Erstlingsregisseur Benson seine Geschichte in zwei Filmen, die die gleiche Sache aus zwei verschiedenen Perspektiven erzählten: Einmal aus der Sicht der Frau unter dem Title "her"; und einmal aus der Sicht von ihm ("his"). Beide Filmteile liefen als "Work in Progress" und entfachten einen veritablen Hype.
Im Kino zeigt Benson nun eine dritte Version, eine Mischform von "her" und "him" und nennt sie demokratisch "them" (sie).
Bei "them" fängt alles im Glücksrausch der Gefühle an. Eleanor Rigby eine intensive Jessica Chastain als junge, strahlende Frau aus gutem Haus und James McAvoy ("X-Men") als ihr supernetter Ehemann spielen ein glücklich verheiratetes Paar. Gemeinsam tun sie, was verliebte Pärchen gerne tun im Independent-Film: Verschwörerisch kichern, gemeinsam in einem Lokal die Zeche prellen, Hand in Hand weglaufen, in einem öffentlichen Park Sex haben.
Doch gleich in der nächsten Szene unternimmt Eleanor einen Selbstmordversuch. Sieben Jahre sind seit jenem berauschten Anfang vergangen, und ein schwerer Schicksalsschlag hat das Paar komplett aus der Bahn geworfen und einander entfremdet.
Diese Kernschmelze der persönlichen Krise nützt Regisseur Benson für maximale melodramatische Effekte. Und setzt auf hochgefahrenes Schauspieler-Kino der größtmöglichen Gefühle. Besonders Chastain nagelt mit ihrem brennenden Blick, der ihr schon bei der Suche nach Osama Bin Laden in Kathryn Bigelows "Zero Dark Thirty" im Gesicht glühte, den Zuschauer in den Sitz. An ihr liegt es sicher nicht, dass sich "Eleanor Rigby" trotz oder gerade wegen der großen emotionalen Gipfelstürme immer wieder seltsam "gespielt" anfühlt. Daran hat wohl eher Benson Schuld: Übereifrig setzt er alles zu sehr in Szene, poliert jeden gesprochenen Satz auf Stammbuch-Niveau (Glühwürmchen, Sternschnuppen) und über-arrangiert letztlich auch die Schauspieler. Ein typischer Fall dafür ist Isabelle Huppert als Eleanors depressive Mutter: Kein Auftritt, bei dem Huppert nicht ostentativ das Rotweinglas schwenkt oder unmotiviert bedeutsame Sätze spricht ("Ich wollte nie Mutter werden"). Auch Viola Davis als Eleanors kumpelhafte Universitätsprofessorin gibt mehr philosophische Allerweltsweisheiten von sich als eine Vorlesung lang ist.
Was "Eleanor Rigby" trotzdem sehenswert macht, ist Jessica Chastains großer Magnetismus im Zusammenspiel mit ihren Leidenspartnern. Noch jedem Klischee reißt sie einen Funken Wahrheit heraus, gerade auch in den leisen Momenten. Und New York als Schauplatz spielt ebenfalls eine Hauptrolle und zwar bestens.